Turmhaubensanierung auf der Burg Weißensee

Landmarke mit venezianischem Flair

BaugeschehenDenkmalpflegeKulturgeschichteSonderinvestitionsprogramm I
Hoch hinaus geht es im Rahmen des Sonderinvestitionsprogramms I (SIP I) auf der Burg Weißensee. Hier wird die Haube des Palasturms saniert. Der nach einer umfangreichen statischen Hangsicherung zwischen 2013 und 2016 bereits sanierte Turmschaft wird seit Jahrzehnten durch eine Notdeckung geschützt.

Um das sanierte Mauerwerk des Palasturms dauerhaft vor Wind und Regen zu schützen und der Burganlage ihren alten (Dach)Schwung wiederzugeben, soll die markante Haube, deren Konstruktion an venezianische Vorläufer erinnert, durch die Sanierung von Tragwerk und Dachdeckung wiederhergestellt werden.

Mittelalterliche Ursprünge

Die Anfänge der Burg Weißensee reichen bis in die Romanik zurück. Wo sich heute die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten um den Erhalt der Burg und ihrer Folgebauten kümmert, legte im 12. Jahrhundert die Landgräfin Jutta den Grundstein für die mittelalterliche Burganlage. Errichten ließ die Bauherrin ihre wehrhafte Burg auf halber Strecke zwischen den Landgrafensitzen Wartburg und der Neuenburg bei Freyburg. Im Palas mit großem Saal wurde im Mittelalter gewohnt und gefeiert, ganz sicher auch den noch heute berühmten Minnesängern gelauscht. So anspruchsvoll die Landgrafen beim Fördern von Dichtern waren, setzten sie auch beim Bauen Maßstäbe – der erhaltene Bauschmuck zeugt davon.

Zum Bauwerk gehört auch ein fünfgeschossiger Turm. Als Einheit geschaffen, stammt der Palas samt Turm noch aus der Erbauungszeit der Burg. In Notlagen war der Turm sicherer Rückzugsort, der nur über einen Hocheingang im ersten Obergeschoss zu erreichen war. Im 16. Jahrhundert wurde die Burg zum Schloss und zum Verwaltungssitz ausgebaut, in dieser Zeit kam es auch an Palas und Turm zu baulichen Veränderungen.

Turmhaube der Burg Weißensee mit Noteindeckung, Foto: STSG, K. Leipold

Haubenkonstruktion mit Kniff

Wie das Holz des Tragwerks den Bauforschern bei der Untersuchung offenbarte, stammt die Haube des Palasturms aus dem 16. Jahrhundert. Ihre Dachflächen sind geschweift, in wechselnden Winkeln aneinandergefügte Bohlensparren sorgen für den Schwung. Damit gehörte die Burg Weißensee zu den Trendsettern in der Gegend. Geschweifte und bogenförmige Dachformen sind bereits ein Jahrhundert zuvor in Italien zu finden, genauer gesagt in Venedig. Später tauchten sie auch in Prag und Böhmen auf, bevor sie sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Deutschland verbreiteten. Die Bauforscher stellten bei der Untersuchung der Haube den Kontext zur europäischen Architekturgeschichte her.

Im Rahmen des SIP I kann auf der Burg Weißensee, wie in 22 weiteren Projekten des Programms, ein wertvolles Stück Denkmalgeschichte und -substanz gerettet und wieder erlebbar werden. Nicht oft ist noch so viel romanische Bausubstanz wie auf der Burg Weißensee erhalten. Mit der Haubensanierung wird ein Stück der buchstäblich darauf aufbauenden jüngeren Bau- und Nutzungsgeschichte bewahrt, und damit auch ein wenig venezianisches Flair in Nordthüringen. Ganz wesentlich ist sie aber auch für den Schutz des vor wenigen Jahren mit großem Aufwand sanierten mittelalterlichen Turms. Die fertige Haube wird der Burgansicht wieder ihren alten Schwung verleihen und ihr damit die enorme Fernwirkung im Thüringer Becken zurückgeben.  

Anke Pennekamp

Schloss Schwarzburg als außerschulischer Lernort

Ramponiertes Klassenzimmer

AllgemeinDenkmalpflegeKulturgeschichteVermittlung
Ein einsames Fragment Barockstuck an der Decke, Kritzeleien an den Wänden, Holzträger aus den 1940er Jahren, die sich in die Wände bohren – wer durch den Emporensaal von Schloss Schwarzburg schlendert, kommt nicht umher sich zu fragen, was ist hier passiert.

Schloss Schwarzburg, dessen Geschichte bis in das 12. Jahrhundert zurückreicht, ist nicht nur als Stammsitz der Grafen von Schwarzburg, eines der ältesten Adelsgeschlechter in Thüringen, von zentraler Bedeutung. Wer vor Ort ist, versteht schnell, dass die Spuren einer bewegten Geschichte wie eine schwere Last auf der Schlossanlage liegen.

Schloss Schwarzburg, Foto: IBA Thüringen, Thomas Müller

Spuren, die sich lesen lassen – sie machen Schloss Schwarzburg zu einem Denkmal, das künftig insbesondere jungen Menschen als kulturhistorische Quelle für forschendes Lernen dienen soll. Dank einer Projektförderung durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und die Thüringer Staatskanzlei kann die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG) derzeit einen außerschulischen Lernort auf Schloss Schwarzburg etablieren. Das Konzept berücksichtigt die gesamte Bau- und Nutzungsgeschichte, legt dabei aber aus mehreren Gründen einen starken Fokus auf das 19. und vor allem das 20. Jahrhundert.

Geschichte mit Brüchen

Das Schloss, die Dynastie der Fürsten von Schwarzburg und der Ort Schwarzburg sind eng mit der Geschichte von Demokratie und Diktatur verbunden. So war das Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt 1816 der zweite Staat im Deutschen Bund, der eine landständische Verfassung nach dem Muster der französischen Charte Constitutionelle von 1814 verabschiedete. 1852 kam es im Rahmen der Burschenschaftsbewegung zur Gründung des Schwarzburgbundes. Der beschreibt sich heute als ein Bund christlicher Verbindungen in der Tradition der Urburschenschaft und fühlt sich deren studentisch-demokratischen Grundforderungen verpflichtet.

Schloss Schwarzburg im Schwarzatal, 2019
Foto: IBA Thüringen, Thomas Müller

Im November 1918 dankte Fürst Günther Victor von Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen als letzter Monarch im Deutschen Kaiserreich ab. Im August 1919 setzten Reichspräsident Friedrich Ebert und weitere Regierungsmitglieder in Sichtweite des Schlosses per Unterschrift die Verfassung der Weimarer Republik in Kraft. Ebert hielt sich zu diesem Zeitpunkt mit seiner Familie in der traditionsreichen Sommerfrische im Schwarzatal auf.

Unter den Nationalsozialisten sollte Schloss Schwarzburg zum Reichsgästehaus umgebaut werden. Das Hauptgebäude wurde hierfür größtenteils entkernt, angrenzende Schlossflügel abgerissen und das Zeughaus beräumt. Für den geplanten Einsatz ausländischer Arbeitskräfte wurde ein Barackenlager unterhalb des Schlossbergs errichtet. 1942 folgte kriegsbedingt die Einstellung der Umbaumaßnahmen am Schloss.

Gerettet, gesichert, genutzt

Während das Schloss in den folgenden Jahrzehnten als Bauruine verfiel, wurde das aus dem 18. Jahrhundert stammende Kaisersaalgebäude im Garten bis 1971 restauriert und als Museum eröffnet. Seit 1995 gehört die Schlossanlage zur Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, umfassende Sicherungen und Sanierungen mussten sich zunächst auf die Stützmauern konzentrieren.

Kaisersaalgebäude und Schloss-Hauptgebäude,
Foto: IBA Thüringen, Thomas Müller
Schauwaffensammlung im fürstlichen Zeughaus von Schloss Schwarzburg,
Foto: Thüringer Landesmuseum Heidecksburg Rudolstadt

Ab 2009 gerieten das Zeughaus und das Hauptgebäude in den Blick. Im Zeughaus zeigt das Thüringer Landesmuseum Heidecksburg Rudolstadt seit 2018 wieder die 1940 ausgelagerte Prunkwaffensammlung. Für das Hauptgebäude ist die originale Ausstattung nahezu vollständig verloren. Hier ging es zunächst um die Sicherung der Substanz.

Zeitspuren zum Greifen nah

Das so belassene Schlossgebäude macht außerschulisches Lernen besonders interessant. Vor dem Hintergrund der gesamten Bau- und Nutzungsgeschichte wird vor allem das 20. Jahrhundert mit seiner Demokratie- und Diktaturerfahrung fokussiert. Das Schloss wird zum steinernen Zeitzeugen, anhand dessen sich die Kulmination von Demokratie- und Diktaturgeschichte, die Selbstüberschätzung und Selbsterhöhung der Nationalsozialisten sowie das Hineinwirken der Diktatur in die Zivilgesellschaft an einem authentischen Ort vermitteln lassen. In die analogen und digitalen Module werden historische Stiche, Baupläne, Dokumente und Fotos eingebunden, die zum eigenen Forschen und Fragen anregen sollen. Die Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure, etwa regionaler Demokratieprojekte, ist deshalb ein weiteres Anliegen des Lernorts.

Die Vermittlungsinhalte des außerschulischen Lernorts Schloss Schwarzburg werden, auch unter Berücksichtigung von inklusivem und barrierefreiem Lernen, primär für Schüler und Schülerinnen der Regelschule, des Gymnasiums und der Volkshochschule und Jugendgruppen erstellt. Die inhaltlichen Angebote fokussieren zunächst die Fächer Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung. Sie sollen nach und nach auf weitere Fächer erweitert werden und lassen sich darüber hinaus auch für die Jugendarbeit nutzen. Bei der Entwicklung der Module kooperiert die Stiftung mit Partnern wie der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora und dem Leibniz-Institut für Bildungsmedien | Georg-Eckert-Institut in Braunschweig.

Anke Költsch

Neue Löschwasserzisterne für Schloss Sondershausen

Unterirdisches Wasserreservoir im Residenzschloss

BaugeschehenDenkmalpflegeSonderinvestitionsprogramm I
Im Sonderinvestitionsprogramm I (SIP I) der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten geht es nicht nur um großflächige Dachsanierungen, komplexe statische Sicherungen, feinfühlige Mauerwerkssanierungen oder verbesserte Nutzungs- und Erschließungsmöglichkeiten. Auch Objektsicherheit und Brandschutz spielen eine wichtige Rolle.

Auf Schloss Sondershausen, der ehemaligen Residenz der Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen, wurde in Sachen Brandschutz jetzt einiges bewegt, genauer gesagt ganze 550 Kubikmeter Erdreich. In der Schlossanlage fehlte Löschwasser für den Ernstfall. Am zentralen Standort zwischen Marstall und Schloss machte das SIP I nun den Einbau einer neuen Löschwasserzisterne möglich. 200 Kubikmeter Wasser, so viel wie ein stattlicher Swimmingpool, hält das moderne Wasserreservoir jetzt unterirdisch vor.

Die neue Löschwasserzisterne wurde vor Ort zusammengebaut, Foto: STSG, Stephan Göpffarth

In den letzten Monaten war zunächst das Baufeld für die Tiefbauarbeiten vorbereitet worden. Mittels Georadar wurde der Bereich der späteren Baugrube gescannt, bevor die Bagger anrollten. Mauerreste, Hohlräume, Weltkriegsmunition und anderes Unerwartete im Boden können so aufgespürt werden. Auch Leitungen im Bereich der späteren Baugrube mussten durch die Stadtwerke noch umverlegt werden. Dann hoben die Bagger die Baugrube aus und bewegten dabei über 500 Kubikmeter Erde. Im April 2024 konnte schließlich der Einbau der Zisterne starten.

Die Zisterne besteht aus vielen einzelnen Kunststoffspeicherelementen, die vor Ort zusammengesetzt wurden. Durch eine Folienummantelung wurden die Speicherelemente dann abgedichtet. Im letzten Schritt stand die Verfüllung der Baugrube an. Über zwei Schächte kann das Löschwasser zukünftig aus der Zisterne entnommen werden.

Einbau der neuen Löschwasserzisterne,
Foto: STSG, Stephan Göpffarth
Neue Löschwasserzisterne am zentralen Standort,
Foto: STSG, Stephan Göpffarth
Neue Gießwasserzisterne auf Schloss Sondershausen,
Foto: STSG, Stephan Göpffarth

Neben der Löschwasserzisterne wurde auch eine neue Gießwasserzisterne in der Schlossanlage eingebaut. Wie das Schloss ist auch der zugehörige Schlosspark über die Jahrhunderte angewachsen. Mit zunehmender Trockenheit steigt auch für die Parkpflege der Wasserbedarf.

Wasser spielte schon früher eine wichtige Rolle in Schlossanlagen, als Trinkwasserbrunnen, in der höfischen Gartenkunst mit Wasserspielen und Springbrunnen. Aber auch in Zisternen. Auf Schloss Friedenstein in Gotha ist noch eine historische Zisterne aus dem 16. Jahrhundert erhalten, die seit 2016 saniert heute ebenfalls rund 200 Kubikmeter Löschwasser auf 100 unterirdischen Quadratmetern unter dem Schlosshof vorhält.

Verborgen im Boden, aber von großer Bedeutung, ist mit dem Einbau der Löschwasserzisterne auf Schloss Sondershausen ein wichtiger Schritt für den Brandschutz getan.

Anke Pennekamp

SchlösserWelt Digital&Original

Auf neuen Wegen wandeln

AllgemeinKulturgeschichteVermittlung
Es ist ein schöner Frühlingstag im April 2023. Im Terrassengarten von Schloss Wilhelmsburg ist ein Löwe außer Rand und Band. Er ist auf der Suche nach seinem Freund – dem Delphin. Schülerinnen und Schüler einer 7. und 12. Klasse sind ihm zur Hilfe geeilt. Zwischen den geometrisch angelegten Beeten lösen sie Rätselaufgaben per App mit dem Handy und erfahren dabei ganz nebenbei noch allerhand über die heute seltene Renaissance-Gartenkunst und eine für den Schlossgarten vielleicht gar nicht so fernliegende Freundschaft zwischen Löwe und Delphin. Keine 30 km entfernt stehen Besucherinnen und Besucher vor den Schattenrissen von filigranen Bäumen, Hirsch und Hase. Sie sind auf dem Sprung in den 160 Hektar großen Landschaftspark um Schloss Altenstein. Im Besucherzentrum im Hofmarschallamt bekommen sie hilfreiche Tipps und erfahren mehr über den Schlosspark mit seiner über 200-jährigen Geschichte und vielen kleinen und großen Sehenswürdigkeiten.

Neue Zugänge erschließen, neugierig machen und zum Nachdenken animieren – seit 2022 läuft bei der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG) ein großes Digitalisierungs- und Vermittlungsprojekt, das SchlösserWelt Digital&Original (SWDO) heißt und genau das möchte. Ermöglicht haben es die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und die Thüringer Staatskanzlei mit einer Förderung von 3,9 Millionen Euro.

Besucherzentrum Schlosspark Altenstein, Foto: STSG, Susanne Rakowski

Im Rahmen des Programms kann die STSG in vielen ihrer Liegenschaften neue analoge und digitale Vermittlungsformate entwickeln, alles möglichst zeitgemäß, modern und nachhaltig. Zwei neue Dauerausstellungen, mehrere Mediaguides, Filmprojekte und digitale Lagepläne stehen in der Pipeline. Eine Rätselspiel-App für den Terrassengarten von Schloss Wilhelmsburg, ein neues Besucherzentrum im Schlosspark Altenstein und ein Entdeckerrucksack für den Altenstein sind schon fertig.

Einer der SWDO-Schwerpunkte liegt auch auf familien- und jugendfreundlichen Angeboten. In den Schlössern und Burgen der STSG ist gelebte Geschichte zum Greifen nah, weiß Dr. Miriam Rieger, die das SWDO-Projekt leitet. Sie bieten großes Potential als außerschulische Lernorte – auf Schloss Schwarzburg, das in den 1940er Jahren zum Reichsgästehaus umgebaut werden sollte, wird dazu ein Projekt mit vielen Partnern entwickelt. Entdeckerrucksäcke sollen Schülerinnen und Schüler für das Klassenzimmer Schlosspark begeistern, können aber auch einfach Familien einen schönen Tagesausflug bescheren.

Es gilt einen reichen Schatz an Geschichte und Geschichten zu erzählen. Dabei sollen aber nicht nur die Gebäude sprechen, Lernorte und zwei neue Dauerausstellungen in Kranichfeld und Kloster Göllingen wollen zum Erleben und den Blick weiten anregen. Auch persönliche Erinnerungen sollen dabei zum Tragen kommen, zusammen mit der Hochschule Erfurt arbeitet das SchlösserWelt Digital&Original Team an einem Zeitzeugenprojekt, das einen Blick über die fürstliche und klösterliche Zeit der Anlagen hinauswirft und Schlaglichter auf den Alltag und die weitere Nutzungsgeschichte der Denkmäler im 20. Jahrhundert wirft. Vom Arbeitsalltag in der ehemaligen Konservenfabrik im Kloster Göllingen über die Bauarbeiten auf dem Oberschloss Kranichfeld, das unter den Nationalsozialisten zeitweise Außenlager des KZ-Buchenwald war, bis hin zum beeindruckenden ehrenamtlichen Engagement in der DDR und heute.

Viel steht an im Programm SchlösserWelt Digital&Original. Bis 2025 sollen alle Projekte abgeschlossen sein. Auch die beiden neuen Dauerausstellungen in Kranichfeld und Göllingen sollen im kommenden Jahr eröffnen.

Anke Pennekamp

Klosterkirche und Forstamtshaus in Paulinzella begehen ein Doppeljubiläum

Zeitzeugen aus Holz und Stein

DenkmalpflegeKulturgeschichteVermittlung
In diesem Jahr gibt es in Kloster Paulinzella gleich zweifach Grund zum Feiern. Die Weihe der ehemaligen Klosterkirche jährt sich zum neunhundertsten Mal und das Forstamthaus kann auf stolze 550 Jahre zurückblicken. Das nehmen der ThüringenForst, das Thüringer Landesmuseum Heidecksburg und die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten zum Anlass, in Paulinzella über das gesamte Jahr verteilt mit einem bunten Potpourri an Veranstaltungen und Angeboten aufzuwarten.

Im Jahr 1102 kam ein kleines Grüppchen Frauen ins Rottenbachtal. Die sächsische Adelige Paulina war im Alter von etwa 40 Jahren zum zweiten Mal verwitwet und wollte sich nun ganz dem religiösen Leben widmen. Am Nordrand des Thüringer Waldes ließ sie sich mit Gleichgesinnten nieder, vier Jahre später, im Jahr 1106, genehmigte der Papst die Gründung eines Klosters. Auch der Bau einer Klosterkirche begann schnell. Viel sah Paulina allerdings nicht mehr von dem später imposanten Gebäude – schon 1107 starb sie nach einem Sturz vom Pferd. Trotzdem lebt ihr Name fort. Als ihre Gebeine später in die neu errichtete Klosterkirche umgebettet wurden, verdrängte der Name „Paulinzella“ den ursprünglichen Klosternamen Marienzelle. Man kann jedoch davon ausgehen, dass die Klostergründerin am Plan der Klosterkirche Anteil hatte.

Ruine der Klosterkirche Paulinzella, Foto: STSG, Constantin Beyer

1124, vor genau 900 Jahren, konnte die Kirche geweiht werden, zu Ehren der Jungfrau Maria, Johannes des Täufers und Johannes des Evangelisten. Fertig war der von Baumeistern aus dem Schwarzwaldkloster Hirsau geleitete Bau da allerdings noch längst nicht, bis 1160 zog sich die Bauzeit hin. Traditionell von Osten mit dem Chor beginnend, wurde die Kirche binnen fast sechs Jahrzehnten aus dem umliegend vorhandenen Buntsandstein errichtet. Ganze Steinblöcke wurden zur Klosterkirche transportiert und erst vor Ort behauen. Architektonisch diente das Mutterkloster Hirsau als Vorbild, was an den Baudetails bis heute ablesbar ist.

Nach der Reformation wurde das Kloster aufgehoben und gelangte in den Besitz der Grafen von Schwarzburg. Sie machten aus dem Kloster eine Domäne, errichteten ein großes Amtshaus und bauten eines der alten Klostergebäude in ein Jagdschloss um. Die übrigen Klostergebäude, vor allem die Kirche, waren nun ohne ihre ursprüngliche Funktion und dienten lange Zeit als Steinbruch. Was heute unfassbar erscheint, war zur damaligen Zeit gängige Praxis, da behauener Stein nur mit viel Aufwand zu beschaffen war. Erst Fürst Johann Friedrich von Schwarzburg-Rudolstadt (1721 – 1767) stoppte 1756 den Raubbau und veranlasste an der Kirchenruine schon erste bauliche Sicherungen. Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert wurde die ehemalige Klosteranlage zu einem beliebten Ausflugsziel.

Das Amtshaus neben der Kirchenruine ist der zweite Jubilar in diesem Jahr

Der klösterliche Vorgängerbau des Amtshauses, ein Klausurgebäude, wurde durch einen Brand zerstört. Ersetzt wurde es durch den heute noch stehenden Bau. Dessen Fachwerkholz aus heimischer Weißtanne wurde im Winter 1474 geschlagen und verbaut, wie Untersuchungen bewiesen. Damit konnte das bereits vermutete Alter des Amtshauses von 550 Jahren bestätigt werden. ThüringenForst hat im Amtshaus einen seiner Verwaltungssitze. Es beherbergt neben Büroräumen einen Sonderausstellungsbereich, in dem eine ursprüngliche Bohlenstube mit Kachelofen, ein Modell des Forstamtshauses, Funde aus der Sanierungszeit und originale Schablonenmalereien aus der Renaissance an den Deckenbalken zu sehen sind. Gemeinsam mit dem Museum im Jagdschloss zur Kloster-, Forst- und Jagdgeschichte wird jährlich eine kleine Sonderausstellung zu aktuellen Themen konzipiert.

Die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten widmet sich dem denkmalpflegerischen Erhalt der Klosteranlage und saniert seit mehreren Jahren die Klosterkirchenruine. Das durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie die Thüringer Staatskanzlei geförderte Projekt Schlösserwelt Digital&Original nimmt die seit 2018 gemeinsam gestaltete Vermittlungsarbeit der Akteure zur Klosteranlage auf. Das jüngste Ergebnis: Seit April können Kindergruppen und Familien das Areal mit einem Entdeckerrucksack erkunden. Er beinhaltet verschiedene Utensilien und eine Entdeckerkarte. Begleitfigur des Rundgangs ist die Geister-Eule Pauline. Sie erzählt vom Mittelalter, als in Paulinzella noch Mönche und Nonnen lebten. Außerdem soll es einen Mediaguide geben, der über das Klostergelände führt, die Geschichte der Anlage erklärt und die einstigen Dimensionen der ehemaligen Klosterkirche zeigt.

Auch wenn ein Großteil der Kirchenruine zum Jubiläum ihrer Weihe nicht begehbar ist, gibt es für Interessierte in diesem Jahr in Paulinzella einiges zu sehen und zu erleben. Neben den bereits genannten Angeboten haben die drei Hauptakteure ein abwechslungsreiches Jahresprogramm aufgelegt. Von Führungen, Kinderangeboten, Aktionstagen, Festen und Märkten bis zu Lesungen und Vorträgen reicht das Spektrum. Dabei bringen Forst, Museum und Stiftung jeweils ihre Kompetenzen ein. Der Thüringen Forst legt beispielsweise ein Augenmerk auf seine Arbeit in der Waldpädagogik, auf den Wald um Paulinzella, auf die Weißtanne, die auch Baustoff für das Forstamtsgebäude war, auf seine Forstarbeit und aktuelle Herausforderungen bedingt durch Klimawandel, Wasserknappheit und Monokulturen.

Maria Porske

Das ganze Jubiläumsprogramm
auf einen Blick.
Der See im Fürstlich Greizer Park wird entschlammt

30.000 Kubikmeter Parkgeschichte

DenkmalpflegeGartenkultur
Ein kleines Amphibienfahrzeug mit klappbarem Verdeck zieht in diesem Jahr langsam auf dem See im Fürstlich Greizer Park seine Kreise. Was aus der Ferne aussieht wie ein etwas zu groß geratenes Tretboot, erfüllt hier mit viel Ausdauer eine wichtige und von langer Hand geplante Aufgabe.

Der acht Hektar große Parksee wird entschlammt, und das vermutlich zum ersten Mal seit seiner Neugestaltung vor 150 Jahren. In dieser Zeit hat der See ungefähr die Hälfte seiner ursprünglichen Tiefe eingebüßt. Er hat dadurch an Qualität als wichtiger Teil des Gartendenkmals und als Lebensraum verloren und konnte nicht mehr sein kühlendes Potential in der warmen Jahreszeit entfalten. Um das zu ändern, bekommt die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG) 3 Millionen Euro Förderung vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung aus dem Programm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ und legt selbst noch einmal 300.000 Euro drauf.

Amphibienfahrzeug am Parksee, Foto: STSG, Helmut Wiegel

So elegant das Amphibienfahrzeug auf dem See wirkt, so eindrucksvoll ist die dahinterstehende Technik am Ufer. Die kleine Schwimmplattform bewegt eine Art Saugrüssel über den Seeboden. Der Schlamm wird damit schichtenweise aufgenommen und per Schlauch ans Ufer befördert. Dort wartet auf einer zur Schonung der Wiesen eigens angelegten Baufläche eine imposante Aufbereitungsanlage. In mehreren Stufen wird dem Schlamm möglichst viel Wasser entzogen, denn für den Abtransport zur Deponie zählt jede Tonne Gewicht. Immerhin rechnet die STSG mit insgesamt 1.000 LKW-Fuhren für 30.000 Kubikmeter Schlamm.

Aufbereitungsanlage am Seeufer

Das Absaugen ist der erste von mehreren Arbeitsschritten. Nach der Saison 2024 wird der See abgelassen, die letzten Entschlammungsschritte werden getan. Außerdem sollen 2025 Teile der Ufer befestigt werden – Steinpackungen sollen den zum Teil ausgespülten Ufern wieder Stabilität verleihen.

„Künstlich angelegte stehende Gewässer müssen eigentlich alle 20 bis 30 Jahre entschlammt werden, um ihre Funktion als Biotope zu erhalten“, erläutert Dietger Hagner, Gartenreferent der STSG. „Laub, Staub, Unrat und eingespülte Sedimente lagern sich im Lauf der Zeit am Boden ab und beeinträchtigen die Wasserqualität. Durch die geringer werdende Wassertiefe heizt sich der See dann schneller auf, was sich negativ auf Flora und Fauna auswirkt.“

Der See ist ein wichtiger Lebensraum für Pflanzen und Tiere, und er nimmt auch deren Hinterlassenschaften auf. Sie verrotten und setzen sich als Schlamm am Boden ab. Wasservolumen und Wassertiefe im See werden geringer, der Nährstoffgehalt steigt, und ebenso die Wassertemperatur. Der See kann dann Umwelteinflüsse und Temperaturschwankungen weniger gut abfedern und die Gefahr des sogenannten Umkippens steigt. Die Probleme hatten sich in den vergangenen Jahren mit den Auswirkungen des Klimawandels verschärft.

See im Fürstlich Greizer Park

„Der künstlich angelegte Greizer Parksee kombiniert diese ökologische Funktion mit seiner Wirkung als zentrales Element des Gartenkunstwerks“, sagt Gartenreferent Hagner. „Mit der Entschlammung sichern wir nicht zuletzt ein Alleinstellungsmerkmal des Fürstlich Greizer Parks – die außergewöhnliche Artenvielfalt.“ Und die hat der Park ganz wesentlich den Gartenkünstlern früherer Jahrhunderte zu verdanken – allen voran Eduard Petzold und Rudolph Reinecken. Beide haben wesentliche Anteile an der bis heute erhaltenen Gestalt von Park und See. Auslöser war aber kein Naturideal, sondern die Eisenbahn. 1873 wurde sie durchs Elstertal gebaut, und Fürst Heinrich XXII. Reuß Älterer Linie handelte eine hohe Entschädigungssumme dafür aus, dass der Bahndamm direkt am Rand des Parks gebaut werden durfte. Mit den Einnahmen konnte er den Park auf die gut 40 Hektar große Auenfläche ausdehnen und den gefragten Gartenkünstler Eduard Petzold für Entwürfe bezahlen. Für die Ausführung engagierte er dessen Schüler Rudolph Reinecken, der eigene Akzente setzte und schließlich 50 Jahre blieb.

Bei der Neugestaltung des Parks stand die Idee einer besonders variantenreichen Natur mit entsprechender Vielfalt von Laubfarben, Kronenformen und Blüten Pate. Fast automatisch brachte das auch eine vielfältige Fauna mit sich. 200 Vogelarten und unzählige seltene Insekten haben hier ihr Zuhause. Einen wichtigen Anteil an der gelungenen Symbiose von Kunstwerk und Lebensraum hat der Parksee, dem beide Gartenkünstler besondere Aufmerksamkeit widmeten. Schon lange vorher hatte er als Nutzgewässer existiert, aber erst mit der naturnahen Formung seiner Uferlinien konnte er seine Wirkung entfalten – und mit der Bepflanzung seines Umfeld, die nach den Entschlammungsarbeiten als letzter Schritt des Großprojekts gartendenkmalpflegerisch komplettiert werden soll.

Franz Nagel

Textilien im Audienzgemach der Herzogin auf Schloss Friedenstein

Warme Farben gegen die Kälte

AllgemeinDenkmalpflegeKulturgeschichte
Im Audienzgemach der Herzogin mitten in der Enfilade der Repräsentationsräume im Nordflügel von Schloss Friedenstein hängt ein Porträt, das die Herzogin Philippine Charlotte von Braunschweig (1716 - 1801) vermutlich im hohen Alter zeigt: Die alte Dame sitzt sehr adrett auf einem hellgelben geschwungenen Sofa, den Oberkörper und den Kopf leicht gedreht, die Augen mit wachem Blick auf den Betrachter gerichtet. Sie trägt ein blaues Atlaskleid und einen eleganten Spitzenumhang mit großer Schleife, ein Spitzenschal ist mehrfach um ihren Hals gewunden. Die Hände stecken in einem dicken schwarzen Pelzmuff, der auf ihrem Schoß liegt – es war kalt damals im 18. Jahrhundert in den Räumen von Schloss Friedenstein. Die alte Dame hatte sich jedoch auf die Kälte eingestellt: Unter dem zarten Spitzenumhang trägt sie wollene Wäsche, wie der Maler deutlich am Handgelenk zeigt, wo sich die Wolle des Ärmels leicht in Falten zusammenschiebt.

Pelzmuff und Wolle – Philippine Charlotte wusste mit den winterlichen Temperaturen im Schloss umzugehen. Ob sie tatsächlich jemals in diesem Raum auf einem Sofa gesessen hat, wissen wir nicht, aber das Bild spricht Bände, ein Schloss war in dieser Hinsicht wie das andere – kalt war es überall. In den rund 80 Quadratmeter großen Raum fällt von Norden her durch drei hohe Fenster das Licht herein. Sonnenschein gab es hier nur ab dem späten Frühling am Abend, im Sommer auch in den Nachmittagsstunden. Einzige Wärmequelle des großen Raumes war der Kaminofen in der Südwestecke, der 1765 an diese Stelle gesetzt wurde, hinterfangen von wandhoch verlegten holländischen Fliesen, die als Brandschutz dienten und zugleich die Wärme reflektieren sollten. Der Ofen konnte in dieser Position praktischerweise zusammen mit drei weiteren Kaminen in den Nachbarräumen von einem angrenzenden Raum aus befeuert werden.

Unbekannter Maler: Porträt der Herzogin Philippine Charlotte von Braunschweig, Schloss Friedenstein Gotha,
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Im Vergleich zum 17. Jahrhundert waren wärmetechnisch bereits Fortschritte erzielt worden, waren doch erst Anfang des 18. Jahrhunderts die großen Portaltüren eingesetzt worden, die die Räume des Nordflügels vor der Zugluft aus der Herzogstreppe schützten. Dagegen waren die Mauern der Innenwände nach wie vor problematisch: Man versuchte, sie gegen die Kälte mit Täfelungen und großen Gobelins an den Wänden zu dämmen, die neben einer praktischen Funktion auch eine ästhetische und anschauliche hatten. So hingen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts fünf „Stück feine Brabantische von Seide und Garn gewirkte und mit Gold reich erhöhte Tapeten, unterschiedliche Ovidianische und dergleichen Historien vorstellend, am Rande oder Einfaßung mit allerhand Blumenwerck gezieret“ an den Wänden – also großformatige Gobelins, die die herabfallende Kälte an den Wänden mildern sollten.

Der prächtige Eindruck der Räume – die Gobelins fanden sich auch in den angrenzenden Räumen – wurde im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts durch farbenfrohe und auffallende Gardinen an den Fenstern ergänzt, die sich in mehrere Schichten und Partien aufteilten. Unter den Fenstern wurde jeweils ein „Stück gedruckte Leder“ und ein „Stück grüner geschnittener Sammet in orange Farben Atlas-Grunde, mit grün und orange-farben seidenen Campanen [Spitzen] besetzt“ als Kältebremse angebracht. Die Vorhänge selbst bestanden aus grünem „Cron Rasch“, einem holländischen Stoff aus Wolle und Seide, der leicht glänzend wirkte. Als Untergardinen dienten weiße „leinwandene lange Vorhänge“. Alle Vorhänge waren mit farblich passenden Zugschnüren aus Zwirn ausgestattet. Die grün-orangene Stoffkombination wurde ebenfalls für die Sitzmöbel genutzt, auch hier zeigte der aufwendig geschorene Samt auf orangenem Grund grüne Ornamente – ein farbenfroher Anblick in dem im Winter eher düster wirkenden Raum.

Schloss Friedenstein Gotha, Audienzgemach der Herzogin,
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die Räume der Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg im Nordflügel modernisiert, so auch das Audienzgemach. Die Gobelins wurden entfernt und die getäfelten Wände neu gefasst, wobei der dunkle Grundton eines holzfarbenen Brauns beibehalten wurde, jedoch mit „Goldblättern verziert, die auch auf der Lambris, auf den Türen und an der Decke wiederzufinden sind“, wie Herzogin Luise Dorothea in einem Brief aus dem Jahr 1751 festhielt. Der überaus reich intarsierte Fußboden wurde 1762 erneuert und vermutlich in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit einem großformatigen Teppich überdeckt. Kürzlich aufgefundene aquarellierte Ansichten der beiden östlichen benachbarten Räume aus der Zeit um 1840 zeigen großflächige, von Wand zu Wand verlegte Teppiche, die wohl zumindest die Fußkälte der Räume milderten.

Der Farbton Grün, der bereits im frühen 18. Jahrhundert den Raum charakterisierte, wurde auch bei der Neugestaltung 1751 für die Gardinen beibehalten: Herzogin Dorothea beschrieb sie als „grüne Damastvorhänge mit Goldborte“, der Stoff wurde ebenfalls als Bezug für die Möbel verwendet. Auch die „Fensterschirme“, schrieb die Herzogin, wiesen den gleichen Stoff auf, ein Hinweis auf die einheitliche und harmonische Farbgestaltung des Raumes und zugleich auch wiederum auf eine praktische Vorrichtung zum Schutz vor Kälte an den hohen Fenstern.

Im 19. und 20. Jahrhundert wurde die Farbgestaltung mit Grün-Gold fortgeführt. So zeigt eine Aufnahme von 1936 den Raum mit Vorhängen und Schabracken. Teile dieser grün-goldenen Garnitur wurden kürzlich im Museumsdepot der Friedenstein-Stiftung Gotha wiedergefunden und könnten als Vorbild für eine neue textile Ausstattung dienen.

Irene Haberland

Diese und mehr Geschichten jetzt auch in der neuen Ausgabe des STSG-Magazins SchlösserWelt Thüringen

Sanierungsplanung für die Säulensäle wird vorbereitet

Unter dem Parkett

BaugeschehenDenkmalpflegeSonderinvestitionsprogramm I
Architektinnen und Architekten, Restauratoren, Statikerinnen und Haustechnikplaner stehen zwischen den Säulen im Erdgeschoss des Südflügels von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt. Die Spezialisten unterschiedlicher Fachgebiete sind zur Planungsberatung zusammengekommen. Im Sonderinvestitionsprogramm I bereiten sie gerade die Sanierung der Säulensäle vor.

Am Boden ist ein kleiner Teil des Parketts geöffnet, die darunter liegenden Balken liegen frei. Im Nebenraum liegt ein Teil der Wandvertäfelungen auf dem Fußboden, die eine Woche zuvor noch den Raum schmückten. Was schon nach Baustelle aussieht, gehört zu den Vorbereitungen für die ab Ende 2025 anstehenden Bauarbeiten – umfangreiche Voruntersuchungen. Wie bei allen großen Sanierungsprojekten will das Sanierungskonzept gut vorbereitet sein, deshalb gibt es wie üblich auch sieben Planungsphasen, bevor die eigentlichen Bauarbeiten beginnen können. Zunächst wird der Bestand genau unter die Lupe genommen und vermessen. Risse und Schäden werden dokumentiert und analysiert. Dabei wird auch das Gesamtgefüge in den Blick genommen. Das Planungsteam kommt regelmäßig zusammen, berät zu Schäden und Bestand und wertet die Untersuchungsergebnisse aus. So werden die Grundlagen für die weiteren Planungen geschaffen.

Teil der Untersuchungen sind auch Sondierungen – kleine Bauteilöffnungen. In den Säulensälen haben die Restauratoren bereits einen Teil der Wandverkleidungen abgenommen und auch am Boden die kleinen Öffnungen geschaffen. Versteckte Schäden am Holz der Balken und der Zustand konstruktiver Verbindungen sowie der Wandbereiche unter den schmuckvollen Vertäfelungen kommen so ans Tageslicht. Sie erlauben dem Planungsteam Einblicke in den Zustand sonst verborgener Bereiche der Säle, die für das Sanierungskonzept entscheidend sind. Auch Veränderungen an der Jahrhunderte alten Bausubstanz, durch Umbauten oder frühere Reparaturen werden erkenntlich.

Denn die Säulensäle haben eine eher ungewöhnliche Nutzungsgeschichte hinter sich. Wo heute das Planungsteam steht und früher mal die Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt festliche Empfänge abhielten, standen zuvor Pferde zwischen den Säulen. Bevor der Marstall an der Nordseite des Schlosshofs errichtet wurde, dienten die späteren Säulensäle als Pferdestall. Nach dem Umzug der edlen Rösser in den Marstall wurden sie am Anfang des 19. Jahrhunderts zu Festräumen umgebaut und neu ausgestattet. Die typischen Folgen der Stallnutzung, etwa Salz in den Wänden, erinnern aber immer noch an die vorangegangene Nutzungsphase.

Nach der Sanierung der Säle ist die Nutzung durch das Thüringer Staatsarchiv Rudolstadt vorgesehen. Dessen Archivalien unter anderem auch von der Geschichte der Säulensäle erzählen.

Anke Pennekamp

Runder Geburtstag für die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten

30 Jahre Bewahren, Erschließen, Vermitteln

AllgemeinBaugeschehenDenkmalpflegeGartenkulturSonderinvestitionsprogramm IVermittlung
Die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten ist jetzt 30 Jahre alt. „Wir feiern mit dem, was wir am liebsten tun und am besten können: Wir stecken all unsere Energie in das Thüringer Kulturerbe.“ – Dr. Doris Fischer, Direktorin der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten

Vor rund 30 Jahren trat ein Gesetz in Kraft, mit dem das Land Thüringen eine Stiftung des öffentlichen Rechts ins Leben rief. Deren Zweck sollte sein, die kulturhistorisch bedeutsamen Liegenschaften in ihrem Bestand – insbesondere in Bezug auf ihre historische, kunsthistorische, denkmalpflegerische und landschaftsprägende Bedeutung – zu verwalten. Sie baulich zu betreuen, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder einer ihrer Bedeutung gerecht werdenden Nutzung zuzuführen. Mit dem Gesetzesakt war die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG) errichtet. Die Wahl für den Stiftungssitz fiel auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt. In einem Winkel im Erdgeschoss des Südflügels nahm die Stiftung 1994 zunächst mit einer kleinen Handvoll Mitarbeitern ihren Dienst auf.

Heute gehören 31 Kulturdenkmäler vom Residenzschloss bis zum 160 Hektar großen Landschaftspark zum Bestand der STSG. Rund 120 Mitarbeiter hält das Bewahren, Erschließen und Vermitteln gemäß Stiftungszweck derzeit auf Trab. Neben der Hauptverwaltung in Rudolstadt sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Liegenschaften in ganz Thüringen verteilt. In den Schloss- und Parkverwaltungen sind sie erste Ansprechpartner für alle Fragen und Belange vor Ort, halten die Schloss- und Parkanlagen mit ihren Teams in Schuss und haben ein wachsames Auge auf das wertvolle Kulturgut, das der STSG anvertraut ist.

In der Hauptverwaltung der STSG in Rudolstadt werden die großen Sanierungs- und Vermittlungsprojekte geplant und koordiniert. Und auch die Fäden für den Betrieb der Anlagen laufen hier zusammen, denn die Schlösser und Burgen in Thüringen sind voller Leben. Museen, Archive, Musikschulen und mehr – meist als eigenständige Institutionen in kommunaler Hand – beleben und erfüllen die Anlagen. Wenn Jahrhunderte alte Geschichte genutzt, betrieben und vermietet wird, fällt auch der eine oder andere bürokratische Akt an. Gerade wenn es um über 30 Orte mit insgesamt weit mehr als tausend Räumen geht.

Mehr als 170 Millionen Euro hat die STSG in 30 Jahren in den Erhalt ihrer Liegenschaften bereits investiert. Hunderte Quadratmeter Stützmauern wurden gesichert, Tausende Quadratmeter Dachfläche saniert und viele Meilensteine erreicht. So sind das Alte Schloss in Dornburg, das Sommerpalais samt Küchenhaus und Rotunde in Greiz, das Jagdschloss in Paulinzella, das Reit- und das Schallhaus von Schloss Heidecksburg, das Torhaus von Schloss Schwarzburg und der Marstall und das Achteckhaus von Schloss Sondershausen vollständig saniert. Und auch der Französische Bau und der Heidenbau auf der Veste Heldburg, der Südflügel von Burg Ranis, die Westflügelfassaden von Schloss Sondershausen und die Dächer am Nord-, West- und Ostflügel von Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden sind bereits saniert. Durch aufwendige Sicherungen wird weiter stetig am Erhalt der wortwörtlich steinalten Geschichte gearbeitet – den Burgruinen. Das Hauptgebäude von Schloss Schwarzburg ist nach über 80 Jahren in ersten Bereichen wieder zugänglich und auch die Fassaden der Peterskirche in Erfurt sind restauriert. Heute ist in den alten Kirchenmauern die multimediale Ausstellung „Paradiesgärten – Gartenparadiese“ zu sehen.  

Auch in den historischen Garten- und Parkanlagen der STSG hat sich vieles getan. Um nur einige Beispiele zu nennen: Im Fürstlich Greizer Park wurden der Blumengarten und Pleasureground wiederhergestellt, wie auch zahlreiche charakteristische Parkszenerie im Schlosspark Altenstein. Der 160 Hektar große Landschaftspark auf dem Altenstein gehört zu den großen Pflegeerfolgen. Im Schlosspark Wilhelmsthal wurden die Parkstrukturen freigelegt, der Staudamm saniert und die Blumeninsel restauriert. 

Und die nächsten großen Sanierungsprojekte sind schon angelaufen. Dank Bund und Land ist es der STSG möglich, 200 Millionen Euro im Sonderinvestitionsprogramm I (SIP I) in dringend notwendige Erhaltungsmaßnahmen in ihren Liegenschaften zu investieren. Um den Erhalt geht es auch bei der Sanierung von Schloss Friedenstein in Gotha, die im Rahmen einer 110-Millionen-Euro-Förderung von Bund und Land läuft (50 Millionen Euro werden aus dem SIP I dafür zur Verfügung gestellt). Seit 2004 wurden bereits rund 30 Millionen Euro in Thüringens größtes Barockschloss durch die STSG investiert.

Mit seiner einmaligen Residenzenlandschaft hat sich Thüringen auch auf den Weg zum UNESCO-Welterbe gemacht. Mit dem ersten Anlauf auf die deutsche Kandidatenliste hat es nicht geklappt. In einem eigens bei der STSG eingerichteten Kompetenzzentrum wird das Vorhaben aber weiter vorangetrieben.

Wenn 30 Jahre aus Sicht von Schlössern und Burgen auch nur ein Wimpernschlag sind, ist es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der STSG doch eine Freude Teil dieser Geschichte zu sein.

Anke Pennekamp

Das Logo der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten mit Zinnen und Zacken kurz erlärt:

Turmuhr auf Schloss Heidecksburg wieder komplett

Wer hat an der Uhr gedreht?

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Ja, es ist wirklich schon so spät. Die Uhr im Schlossturm von Schloss Heidecksburg ist frisch aufgezogen und läuft nun wieder rund. Knapp drei Monate standen die Zeiger über Rudolstadt still.

Nicht nur die Zahnräder der historischen Uhr haben wieder ihren Dienst aufgenommen, auch ihre Klangschalen sind in die Laterne des Turms zurückgekehrt. Ende November 2023 waren die beiden Schalen aus Bronze, die zusammen über 200 Kilogramm wiegen, ausgebaut worden. Die Aufhängungen waren verrostet und auch an den Holzjochen, an denen die Schalen befestigt sind, mussten Reparaturen durchgeführt werden. In der Werkstatt wurden die Bronzeschalen in die Kur genommen und konnten nun bei Sonnenschein in den Schlossturm des ehemaligen Residenzschlosses zurückkehren.

Wieder im alten Rythmus

Der Schlossturm samt Haube wurde im 18. Jahrhundert errichtet. Damals war das Schloss Residenz der Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt, die Gottfried Heinrich Krohne an ihren Hof holten. Krohne entwarf unter anderem die Turmhaube und konstruierte eine gewiefte hölzerne Innenkonstruktion für den Turm, die die Lasten von Haube und Turmhelm trägt.

G. H. Krohne, Schnitt durch den Schlossturm von Schloss Heidecksburg, 1743, Foto: Bildarchiv Thüringer Landesmuseum Heidecksburg Rudolstadt

Im Inneren des barocken Turms hat das Pendel der historischen Turmuhr nun wieder in seinen Rhythmus gefunden. Höhentauglichkeit, Handwerkstradition und Fingerspitzengefühl haben alles wieder in den richtigen Takt gebracht.

Anke Pennekamp