Geschichten vom stillen Örtchen auf Burg und Schloss

Tief in die Schüssel geschaut

AllgemeinDenkmalpflegeKulturgeschichte
Sanitäranlagen und Toiletten in Porzellanschüsselform mit Abflussrohr und Spülung – geschweige denn ein ganzes Badezimmer – waren auch in Schlössern lange keine Selbstverständlichkeit. Die Notdurft gehörte aber auch auf Burg und Residenz, bei Grafen, Herzögen und Fürsten schon immer zum Tagesgeschäft. So wurden, bevor die ersten Porzellanklosetts in den Schlössern zu finden waren, noch Leibstühle und Nachttöpfe dezent versteckt, das Plumpsklo im Aborterker platziert und später die Neuerung das Badezimmers auch mal mit baulicher Pracht zelebriert.

Schon die alten Römer bauten Wasserklosetts, die erste Porzellanschüssel mit wassergespültem Abort zog in Deutschland allerdings wohl erst in einen Schlossbau mit Landgräfin Elizabeth von Hessen-Homburg nach 1820 in Schloss Homburg vor der Höhe ein. Während sich solche neuen Apparate, die aus England kamen, bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert im Großbürgertum durchsetzen konnten, führte der große bauliche Aufwand, die Schüssel mit Abwasserrohren, einem Kanalsystem oder überhaupt fließendem Wasser zu verbinden, dazu, dass man dort noch bis ins 20. Jahrhundert auf den Leib- und Nachtstuhl zur Erleichterung setzte.

Wasserburg Kapellendorf, Foto: STSG, Philipp Hort

Schon im Mittelalter gehörte der Aborterker zur Burg und später auch zum Schloss. Der ummauerte Austritt mit Öffnung nach unten, teils auch mit Rohren, Rutschen oder Schächten versehen, ist heute noch an einigen mittelalterlichen Burgen ablesbar. Auch die Kemenate der Wasserburg Kapellendorf besaß einen Abort zum Zwinger – einem Verteidigungsbereich zwischen den Burgmauern – hin. Dem Wohnkomfort dienend, fanden sich schon auf der Burg die Aborte zumeist in Nähe der Wohnräume, insbesondere den Kammern oder einem Saal. Auch die Veste Heldburg besaß einst mehrere Aborte am Französischen Bau, deren Türen heute jedoch ins Leere führen und vermauert sind. Wo einst schon die Herzöge das stille Örtchen direkt neben ihrer Schlafkammer aufsuchen konnten, waren die Abortschächte vermutlich in das Gefüge der zum Hang liegenden Schaufassade arrangiert. Später wurden sie der Ästhetik wegen abgetragen.

Veste Heldburg mit der Südfassade des Französischen Baus (rechts),
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Gut erreichbar wurde auch die tragbare und teilweise sogar gepolsterte Sitztoilette, der Leib- und Nachtstuhl, in der frühen Neuzeit gerne hinter unscheinbaren Türen und in kleinen Kabinetten in Schlafkammernähe versteckt. So musste sich Graf Gotter – Jurist, Lebemann und Parvenu – im 18. Jahrhundert nur aus der Bettnische schwingen, um auf kurzem Weg sein Nachtgeschäft zu verrichten. Versteckt hinter einer Tür neben dem Alkoven im grüngemusterten Schlafraum, blieb die Intimsphäre des Leibstuhls gewahrt. Und auch die Besucher von Schloss Friedenstein in Gotha schlendern heute vermutlich nichtsahnend an der dezent in die Wand eingefügten Tür im Herzoglichen Treppenhaus vorbei, hinter der sich seit 1712 ebenfalls ein Abort verbarg.

Weniger schick, aber praktikabel ging es im Marstall von Schloss Heidecksburg zu. Im Obergeschoss des fürstlichen Pferdestalls aus dem 19. Jahrhundert sind noch heute die früheren Knechtstuben und -kammern aus der Erbauungszeit in ihren Strukturen erhalten. Zwischen den Kammern durfte natürlich auch das Plumpsklo nicht fehlen. Dessen Schacht führte direkt auf den Misthaufen, der hinter zinnenbekrönten Mauern an der Rückseite des Marstalls versteckt lag.

Blick in das Dachgeschoss des Marstalls von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt, Foto: STSG, André Kranert

Platz für gleich zwei Personen direkt nebeneinander bot das Plumpsklo im Obergeschoss des Kirms-Krackow-Hauses in Weimar. Im 19. Jahrhundert konnte man nicht nur im Garten des Ackerbürgerhofs der Brüder Kirms gesellig zusammenkommen. Schon die Römer legten Latrinen mit mehreren Sitzplätzen nebeneinander an.

Einen modernen zweigeschossigen Klosettbau ließ Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen beim Umbau seiner Sommerresidenz auf dem Altenstein um 1888 anbauen. Gleich mehrere Spülklosets mit poliertem Sitz fanden in kleinen Kabinen an der Rückseite des Schlosses ihren Platz. Ausgestattet waren die „Waterclosets“ im Toilettenanbau sogar mit Jalousien an den Fenstern und Stuckmarmorverkleidungen an den Wänden. Schon 1889 wurde allerdings angeregt, bei den Jalousien im Obergeschoss noch nachzurüsten, da bei Licht nichts verborgen blieb. Ein eigenes herzogliches Bad wurde wiederum im Obergeschoss eingerichtet und mit einer eigens in London bestellten Ausstattung bestückt.

Schloss Altenstein in Bad Liebenstein, Foto: STSG, Tino Trautmann

Ein luxuriöses Badezimmer richtete die Gräfin von Gneisenau im Schloss Molsdorf um 1909 ein. Das Marmorbad mit Sofa, Marmorwanne, Waschnische und Toilette besaß seit Anfang des 20. Jahrhunderts nicht nur eine Heizung, sondern auch einen Wasseranschluss. Marmorverkleidungen, eine Kassettendecke und Golddetails schmücken das prachtvolle Jugendstilbad. Der Zugang zur Toilette liegt hinter einer Marmortür versteckt. Später verändert, baumelt heute noch hinter der Tür der Kettenzug eines Spülkastens von der Decke.

Marmorbad im Schloss Molsdorf, Foto: STSG, Constantin Beyer

Der Blick in die Geschichte soll auf das Anliegen des Welttoilettentages aufmerksam machen: Hygienische Toiletten stehen nach wie vor viel zu wenigen Menschen zur Verfügung.

Anke Pennekamp

Lesetipp zum kulturgeschichtlichen Thema Toilette und Hygiene im Schloss: „Das stille Örtchen. Tabu und Reinlichkeit bey Hofe“, Herausgegeben von den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden Württemberg, Altenburg 2011.

Bauforschung im Jägerhaus von Schloss Sondershausen

Fährtensuche in der Geschichte

BaugeschehenDenkmalpflegeKulturgeschichteSonderinvestitionsprogramm I
Ein besonderes Fenster in die Geschichte haben die Bauforscher bei ihren Untersuchungen im Jägerhaus von Schloss Sondershausen entdeckt.

Heute baufällig, aber immer noch eine Fundgrube der Geschichte – das Jägerhaus von Schloss Sondershausen hat im Laufe der Jahrhunderte einiges erlebt. Stumm berichten Wände, Balken und Fugen von Umbauten, Modernisierungen und Erweiterungen. In den nächsten Jahren stehen große Baumaßnahmen an, denn ein neues Kapitel für das Gebäude soll aufgeschlagen werden. Im Rahmen des Sonderinvestitionsprogramms I der STSG wird es vom Keller bis zum Dach plus Remise saniert. In Zukunft sollen hier Proben- und Beherbergungsräume der Thüringer Landesmusikakademie Sondershausen entstehen. Vor dem Sanieren steht allerdings in der Denkmalpflege erst einmal der Blick zurück in die Geschichte, die auch im Jägerhaus Unerwartetes bereithält. Über einige Monate haben Bauforscher Klaus-Peter Wittwar von der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten und andere Experten der Baugeschichte des Jägerhauses deshalb auf den Zahn gefühlt.

Fenster in die Geschichte

Wie alle Bauten der Schlossanlage hat auch das Jägerhaus bereits Jahrhunderte auf dem Buckel. Aufgestockt, umgenutzt, neue Wände eingezogen, sogar eine Treppe wurde mal versetzt. Besonders interessant wird es im Foyer des Gebäudes. Im Erdgeschoss zeigt Bauforscher Wittwar auf den östlichen Bereich der Südwand, die Fachwerkkonstruktion liegt hier frei, die Schäden an einem morschen Balken sind unverkennbar. Ein kleiner unscheinbarer Aufkleber deutet aber auf etwas Großes hin. „Befund“ steht darauf.

Befundfenster mit Fensterfund im Jägerhaus von Schloss Sondershausen.,
Foto: STSG, Anke Pennekamp

„Die Nachforschungen haben Spannendes ergeben, das Jägerhaus ist nicht einfach aus dem Nichts entstanden. Es gab einen Vorgängerbau, der Ende des 18. Jahrhunderts praktisch überbaut wurde“, berichtet Wittwar. Es steckt also ein Haus im Haus, könnte man sagen. Der Befund im Erdgeschoss war ein wichtiger Anhaltspunkt für den Bauforscher: „Hier war ursprünglich die Außenwand. Als sie Innenwand wurde musste man ein Fenster zusetzen, von dem der ehemals grüne Rahmen noch zu erkennen ist. Das war für uns ein wichtiger Hinweis. Ein Fenster im Inneren eines Gebäudes macht stutzig. Weitere Befunde an der Nordfassade und die Analyse der Grundrisse kam hinzu und plötzlich fügte sich eines zum anderen. Beim Bau der Jägerhauses 1795 musste ein Vorgängerbau einbezogen worden sein“. Unterstützt wird der Fund durch eine dendrochronologische Probe, die auf die Mitte des 18. Jahrhunderts datiert werden konnte.

Jägerhaus Schloss Sondershausen, Foto: STSG, Manuel Mucha

Bauherr mit Leidenschaft

„Bauherr des Jägerhauses war Fürst Günther Friedrich Carl I. von Schwarzburg-Sondershausen. Er ist bekannt für seine Jagdleidenschaft. Im 19. Jahrhundert wurde das Gebäude dann zum Hofgärtnerhaus umgenutzt“, erklärt Wittwar. Wo sich früher mal Jagdgehilfen, Büchsenspänner und später Hofgärtner und Gartenbaubeamte die Klinke in die Hand gaben, lässt heute der Bauforscher den Blick schweifen: „Mit dem Umbau zum Hofgärtnerhaus waren auch bauliche Veränderungen verbunden. Die Hauptfassade wurde von der West- an die Ostseite des Gebäudes verlegt und eine großzügige Diele geschaffen. Auch mehr Komfort durch die Zusammenlegung bestehender Einzelräume zu kleinen Wohnungen zog mit ein. Archivalien geben uns darüber noch heute Aufschluss.“

Blick ins Obergeschoss des Jägerhauses von Schloss Sondershausen,
Foto: STSG, Franz Nagel

Als eines von 23 Einzelprojekten wird das Jägerhaus von Schloss Sondershausen im Sonderinvestitionsprogramm I in den nächsten Jahren saniert. 2026 sollen die ersten Baumaßnahmen vor Ort starten, bis dahin wird die Sanierung vorbereitet und geplant. Intensive Nutzung, Umbauten und Feuchtigkeit haben zu starken Schäden an der Fachwerkkonstruktion und am Dach geführt. Die dauerhafte Sicherung ist dringend notwendig. Durch die Sanierung des Jägerhauses wird ein wertvolles Stück Schlossgeschichte erhalten, die Jagd nach der Baugeschichte ist wichtige Voraussetzung für das Sanierungskonzept, das derzeit erarbeitet wird.  

Anke Pennekamp

Burg Weißensee

Richtfest unter der Haube

BaugeschehenDenkmalpflegeSonderinvestitionsprogramm I
„Nach manchem Hieb und manchem Schlag / und manchem heißen Arbeitstag; / sind heut verstummt des Beiles Schläge, / auch ist sie aus, die geschwätzige Säge...“ (Richtspruch für die Turmhaube auf der Burg Weißensee)

Im Wind flattern die bunten Bänder der Richtkrone über der Burg Weißensee. Es ist ein besonderer Tag Ende September 2024. Am Palasturm wird Richtfest gefeiert. Die Turmhaubenkonstruktion ist allerdings nicht neu, ganz im Gegenteil, sie ist rund 500 Jahre alt und wird seit einigen Monaten im Bestand saniert.

Burg Weißensee mit eingerüstetem Palasturm, Foto: STSG, Thomas Müller

Mit Säge und Segen

An diesem Dienstag steht der Zimmermeister oben in der Haube zwischen jahrhundertealten Balken und Sparren, neben ihm ein gefülltes Glas. In 20 Metern Höhe unter dem Schutzdach spricht er nach altem Brauch ein Segenswort: „…schütz diesen Turm mit Gnaden / vor Feuer und vor Wasserschaden / vor Stürmen und vor Gewittern / nichts soll sein Gebälk erschüttern. / Die Zeit wird vergehen / doch Du wirst noch stehen / hoch oben im Wind, /wenn wir längst nicht mehr sind. So trink ich jetzt mein Gläschen aus / und bring dabei ein Prosit aus: Hoch! Hoch! Hoch!“. Der Meister leert sein Glas und zerschlägt es. Dann wird der symbolische letzte Holznagel in das Tragwerk eingeschlagen.

Auf der Zielgeraden

Die Turmhaubensanierung ist ein lang ersehntes Ziel. Über viele Jahre musste die Haube mit einer Noteindeckung aus Plane und Dachpappe ausharren. Zwar konnte die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten bis 2016 den Turmschaft aufwendig stabilisieren, jedoch fehlte damals das Geld für die Haubensanierung. Das Sonderinvestitionsprogramm I macht nun die Sanierung des historischen Dachstuhls und die Neueindeckung möglich.

Die Zimmermannsarbeiten gehen zügig voran. Im Sommer 2025 soll die Sanierung abgeschlossen werden und die Haube fortan wieder mit altem Schwung in die Ferne wirken. Aber nicht nur die Fernwirkung für die Burgsilhouette spielt bei der Sanierung eine Rolle. Durch die bald wieder dichte Deckung wird die historische Haubenkonstruktion vor der am Holz zehrenden Feuchtigkeit geschützt und auch das bereits sanierte Turmmauerwerk des Palas vor Schaden bewahrt. Bei den Zimmermannsarbeiten wird im Bestand unter Erhalt möglichst großer Teile der Substanz gearbeitet.

Die kleine Schwester der Wartburg

Die Anfänge der Burg Weißensee reichen bis in die Romanik zurück. Im 12. Jahrhundert legte die Landgräfin Jutta den Grundstein für die mittelalterliche Burganlage. Errichten ließ die Bauherrin ihre wehrhafte Burg auf halber Strecke zwischen den Landgrafensitzen Wartburg und der Neuenburg bei Freyburg. Im Palas mit großem Saal wurde im Mittelalter gewohnt und gefeiert, ganz sicher auch den noch heute berühmten Minnesängern gelauscht.

Zur Burganlage gehört auch ein fünfgeschossiger Turm. Als Einheit geschaffen, stammt der Palas samt Turm noch aus der Erbauungszeit der Burg. In Notlagen war der Turm sicherer Rückzugsort. Im 16. Jahrhundert wurde die Burg zum Schloss und zum Verwaltungssitz ausgebaut, in dieser Zeit kam es auch an Palas und Turm zu baulichen Veränderungen. Wie dendrochronologische Untersuchungen durch die Bauforscher zeigten, stammt auch die Turmhaubenkonstruktion noch aus dem 16. Jahrhundert.

Anke Pennekamp

Dahliengeschichte(n) aus den Dornburger Schlossgärten

Königin des Herbstes

AllgemeinDenkmalpflegeGartenkulturKulturgeschichte
Bereits im 19. Jahrhundert sind die Dornburger Schlösser und Gärten für ihre Rosenpracht bekannt. Vor rund 200 Jahren erhielt die „Königin der Blumen“ royale Konkurrenz in den Beeten. Die Dahlie – auch als „Königin des Herbstes“ bezeichnet – zählte damals noch zu den exotischen Raritäten.

Mit ihrer Ankunft in Europa und den zahlreichen Neuzüchtungen ist die Erfolgsgeschichte der Dahlie direkt an das 19. Jahrhundert geknüpft. Archivalisch nachgewiesen, kaufte im Jahr 1832 der Hofgärtner Carl August Christian Sckell für die Schlossgärten in Dornburg 1 Schock – 60 Stück – Rosenstöcke und Georginien. Rund zehn Jahre später bittet er bei seinen Dienstherren in Weimar erneut um die Anschaffung weiterer Georginen, die er sich auf einer Reise ins reußische Köstritz ausgesucht hatte. Zu Sckells Zeiten werden Dahlien noch unter der Bezeichnung Georginen gehandelt, da sie 1803 zu Ehren des deutschen Naturforschers Johann Gottlieb Georgi ihren Namen erhielten. Erst später sollte sich die Bezeichnung Dahlie – nach dem schwedischen Botaniker Andreas Dahl – durchsetzen. In Thüringen ist die Ankunft und Zuchtgeschichte der Dahlie eng mit der Gärtnerdynastie der Sckells sowie den Städten Bad Köstritz, Weimar und Dornburg verbunden.

Herbstliche Dahlienblüte im „Gendarmengärtlein“ am Alten Schloss mit Blick in Richtung Saaletal und Rokokoschloss. Foto: STSG, Fanny Rödenbeck

Eine Königin erobert Thüringen

Bis zur Ankunft der Dahlie in Dornburg hatte sie bereits einen langen Weg durch botanische und fürstliche Gärten zurückgelegt. Zwar veröffentlichte der spanische Arzt und Naturforscher Francisco Hernandez de Toledo bereits 1651 nach zwei Mexiko-Reisen Beschreibungen und Abbildungen von Dahlien, aber es sollte noch bis zum Jahr 1790 dauern, bis der erste Sämling in Madrid, die Geburtsstunde der Dahlie in Europa einläutete. Folgend verbreitete sich die „Aztekenblume“ über die Metropolen Paris und Berlin, bis sie schließlich auch in die thüringische Residenzstadt Weimar gelangte. Die „Dahlienmanie“ hatte bereits um sich gegriffen, rief hohe Preise am Markt auf und sorgte für attraktive Farb- und Formvarietäten bei den Neuzüchtungen. In der Sommerresidenz Belvedere bei Weimar war es der Hofgärtner Conrad Sckell, der sich um die Zucht und Verbreitung der Dahlie verdient machte. Er übergab beispielsweise dem jungen Christian Deegen 1812 erste Knollen für eigene Zuchtversuche, die 1826 in der Gründung der ersten gewerblichen Handels-Gärtner mit Georginien in Köstritz mündeten. Übrigens, die älteste deutsche, heute noch kultivierte Dahlienzüchtung („Kaiser Wilhelm“, 1881) stammt noch vom Altmeister Deegen persönlich.

Teeplatz mit Wechselflorbeet in den Dornburger Schlossgärten, Foto: STSG, Frank Bergmann

Leitpflanze in den Dornburger Schlossgärten 2024

Im engen Austausch stand Conrad Sckell auch mit seinem Sohn August Sckell, der seit 1823 eine Hofgärtnerstelle in Dornburg innehatte. Da dieser hier bis 1874 folgenreich wirkte, folgt die Gartendenkmalpflege für die Schlossgärten heute maßgeblich seinen Gestaltungsideen.

Und das nicht nur bei Wegen und Gehölzen – So machte das Team der Dornburger Gärtnerinnen und Gärtner die Dahlie in der Saison 2024 zur Leitpflanze in den Wechselflorbeeten: bienenfreundliche Dahlien wuchsen in den Halbmondbeeten im Landschaftsgarten, weiße Balldahlien hatten am Teeplatz ihren großen Auftritt und Schwarzlaubige mit feuerroten Blüten sorgten im Rokokogarten für lange Blühzeiten und interessante Form- und Farbaspekte.

Auch wenn erst der Frost die Regentschaft der „Königin des Herbstes“ beendet, ist durch die getakteten Arbeitszyklen die Sommerbepflanzung in den Schmuckbeeten bereits abgeräumt. Aber auch 2025 wird die Dahlie in Dornburg – so beispielsweise mit der neuen Dahlienzüchtung „Conrad Sckell“ – ihren Auftritt in den Beeten haben und von einer langen Tradition vor Ort erzählen.

Nur ein Grad unter Null…

…und die Knollen der Dahlien müssen ihr Winterquartier aufsuchen. Diese galten einst bei den Azteken noch als bevorzugtes Nahrungsmittel und Medizin. Erst die Europäer setzten in der Zucht auf die Schönheit und Formenvielfalt der Blüte, anstatt auf Größe und Geschmack der Knollen. Als cocoxochitl angebaut– was übersetzt etwa „Wasserleitungspflanze“ bedeutet – haben Dahlien heute ihren Wert als Nahrungsmittel verloren. Dabei wird in Zentralamerika ein Kaffee aus gerösteten Dahlienknollen genossen, einige Sorten zeichnen sich durch ein mildes Haselnussaroma aus und auch herzhafte Puffer oder Gelee sind kulinarische Möglichkeiten der kaum beachteten Knolle. In der Forschung rückte zudem der positive Einfluss auf den Blutzuckerspiegel durch langkettige Kohlenhydrate (Inulin) in den Fokus. Und es ist eben das in den Knollen gespeicherte Inulin, was die Dahlien nach der Winterruhe wieder austreiben lässt und eine neue Saison der „Königin des Herbstes“ eröffnet.

Christian Hill

Schmuckbeet am Dornburger Rokokoschloss, Foto: STSG, Fanny Rödenbeck
Restaurierung bewahrt Kunstschätze

Historischer Glanz dank moderner Wissenschaft

BaugeschehenDenkmalpflegeKulturgeschichteSonderinvestitionsprogramm I
Den Malschichten bis auf den Grund gehen, alten Rezepturen nachspüren, dem Mörtel auf den Körnungsgrad fühlen – die Restaurierungswissenschaft erhält Kulturgut und ist facettenreiche Detailarbeit, die besonderes handwerkliches Feingefühl bedarf und sich ständig weiterentwickelt.

Ein funkelndes Beispiel für restauratorische Pflegemaßnahmen spielt sich auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt ab, wenn im Festsaal die drei großen Kronleuchter für die Pflege und Wartung unter den wachen Augen der olympischen Götter herabgelassen werden müssen. Dabei ist Feinarbeit und Muskelkraft gefragt. Drei auf dem Dachboden verborgene historische Winden machen das Herunterlassen möglich. Am Boden angekommen, werden die geschliffenen Kristalltropfen, Zierketten, Glasperlen und – zapfen des Behangs abgenommen und von Hand vorsichtig gereinigt, bevor die zwischen 200 und 400 Kilogramm schweren Glaskunstwerke sich wieder langsam bis unter den gemalten Himmel zurück erheben. Da das Herablassen der Kronleuchter einen großen Kraftaufwand bedeutet, kommen alternativ auch Leitern und Gerüste bei der Pflege zum Einsatz.

Festsaal von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt,
Foto: STSG, Philipp Hort

Schwebende Hilfe erhielt 2020 auf Schloss Friedenstein in Gotha Iphigenie. Für zwei große Deckengemälde aus dem Audienzgemach der Herzogin stand damals eine Restaurierung im Liegen an. Was erstmal gemütlich klingt, wurde bei 400 Stunden auf dem Rollgerüst knapp über der Leinwandoberfläche für die Restauratorinnen zu einer ausgesprochen mühsamen Angelegenheit. Am Anfang des 20. Jahrhunderts hatten die beiden mehr als fünf Meter langen Ovale noch die Decke im Audienzgemach geschmückt. Später waren sie abgenommen und eingelagert worden. Sie zeigen unter anderem die Rettung der Iphigenie vor der Opferung im trojanischen Krieg durch die in letzter Sekunde heranschwebende Göttin Artemis. In aufwendiger Detailarbeit wurden alte Firnisschichten abgenommen, die die Farben verdunkelten. Lose Leinwandstücke wurden verklebt und angespannt, Knicke und Falten mussten behutsam befeuchtet und geglättet werden. Auf beiden Bildern waren großflächig Teile der Malschicht verloren gegangen. Hier lag die rotockerfarbene Grundierung, der sogenannte Bolusgrund, frei. Diese Flächen wurden farblich an die Grundstimmung der Gemälde angenähert, damit sie nicht aufgrund des starken Kontrasts die Wahrnehmung der eigentlichen Malerei überlagern. Zum Schluss erhielten die Bilder eine neue schützende Firnisschicht. Wenn die statischen Probleme des derzeit mit Abstützungen versehenen Raums behoben sind, sollen die restaurierten Gemälde wieder montiert werden.

Deckengemälde aus dem Audienzgemach der Herzogin nach der Restaurierung, Foto: Beatrix Kästner

Großflächig, wenn auch mit nicht weniger Feingespür, geht es auf den Burgruinen Bad Liebenstein und Ehrenstein bei der Steinrestaurierung zu. Im Sonderinvestitionsprogramm I werden auf den beiden Burgruinen seit letztem Jahr rund 1000 Quadratmeter Natursteinmauerwerk restauriert. Dabei kommt es nicht nur auf die richtige Optik, sondern auch auf die passende Chemie an, damit sich Alt und Neu gut vertragen. Der Mörtel spielt beim Mauerwerk dabei eine tragende Rolle. Durch Restauratoren und in Laboren werden die einzigartigen historischen Mörtel vor der Sanierung von historischem Mauerwerk genau unter die Lupe genommen. Unter dem Mikroskop und im Reagenzglas werden Zusammensetzung, Körnungsgrad und Farbigkeit analysiert. Möglichst nah versucht man an die historische Beschaffenheit heranzukommen, dabei aber auch Probleme wie Salz- oder Feuchtigkeitsbelastung am Denkmal nicht außer Acht zu lassen.

Steinrestauratorische Maßnahmen auf der Burgruine Ehrenstein im Sonderinvestitionsprogramm I, Foto: STSG, Philipp Hort

Im Vorzimmer der Herzogin auf Schloss Friedenstein in Gotha, gingen wiederum 2023 die Holzrestauratoren ans Werk. Am Parkett hatten Zeit und Nutzung gezehrt, die stark geschädigten Parketttafeln wurden ausgebaut und in der Restauratorenwerkstatt in die Kur genommen. Die Experten ersetzten beschädigte Teile, stabilisierten die Tafeln und mussten hier und da auch etwas ergänzen.

Einbau des restaurierten Parketts im Vorzimmer der Herzogin auf Schloss Friedenstein in Gotha, Foto: Roland Sommer

Das aus verschiedenfarbigen Holzarten zusammengefügte Parkett ist definitiv die Mühe wert, es konnten sogar noch Handwerkersignaturen aus dem 18. und 19. Jahrhundert nachgewiesen werden. Nach dem Einbau der quadratischen Tafeln bekam der Holzboden noch seinen letzten Schliff und eine schützende Beschichtung. Bei der Herausnahme der Tafeln hatte sich allerdings gezeigt, dass auch die darunterliegenden tragenden Balken zum Teil gebrochen und stark verformt waren. Erst nach der statischen Sicherung der Baukonstruktion konnte dann auch das Parkett wieder in das herzogliche Vorzimmer einziehen.

Ein kleines blaues Wunder kann man im Schallhaus auf Schloss Heidecksburg erleben, ursprünglich als Gartenhaus im Schlossgarten auf der Unteren Terrasse erbaut, wurde das Gebäude im 18. Jahrhundert durch einen Schallsaal aufgestockt. Mit Rillen und einen besonderen Putz versehen wird Musik in sphärischen Klängen aus der Kuppel mit Musikerempore bis in den Schlossgarten getragen. Seit der Restaurierung erstrahlt das Innere des Schallhauses wieder im alten Blau mit fein gemalten Ornamenten in grau.

Schallhaus im Schlossgarten von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt,
Foto: STSG, Constantin Beyer

Am Anfang der Sanierung, ermöglicht durch das Sonderinvestitionsprogramm I, steht das Torhaus von Burg Ranis. Wie beim Bauen gehen auch Restaurierungsprojekten in der Denkmalpflege umfangreiche Voruntersuchungen und eine detailreiche Planung voraus. Es wird recherchiert, historische Quellen, Bilder und Pläne ausgewertet und der Bestand genau untersucht. Auch im Torhaus geben kleine Befundfenster vom Keller bis zum Dach viel über Jahrhunderte und generationenübergreifende Baugeschichte preis – von Fragmenten illusionistischer Architekturrahmungen um Fenster und Türen bis zu feinen Strichen und Inschriften, die Riegel, Bänder und Streben des Fachwerks säumen. 

Torhaus der Burg Ranis, Foto: STSG, André Kranert

Am 20. Oktober 2024 ist Tag der Europäischen Restaurierung.

Neue Löschwasserzisterne erprobt

Feuerwehr-Übung auf Schloss Sondershausen

BaugeschehenDenkmalpflegeSonderinvestitionsprogramm I
Rund 70 Kameraden von 13 Sondershäuser Feuerwehren waren im Einsatz, als Mitte September 2024 auf Schloss Sondershausen eine Löschangriffs-Übung und damit verbunden der erste Test für die neue Löschwasserzisterne anstand.

200 Kubikmeter Wasser werden in der Schlossanlage, die früher Residenz der Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt war, in einer neuen unterirdischen Zisterne jetzt vorgehalten. Ein wichtiger Schritt für den Brand- und Denkmalschutz des historischen Denkmalensembles, der durch das von Bund und Land geförderte Sonderinvestitionsprogramm I (SIP I) möglich wurde.

Feuerwehrübung auf Schloss Sondershausen,
Foto STSG, Thomas Höfer

Bei den Sanierungsmaßnahmen im SIP I spielen Objektsicherheit und Brandschutz eine wichtige Rolle. Neben der neuen Zisterne auf Schloss Sondershausen werden beispielsweise auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt Brand- und Rauchabschnitte im Nord- und Westflügel abgeschottet. Auch bei der Gesamtsanierung zum Beispiel des Jägerhauses von Schloss Sondershausen oder des Marstalls auf Schloss Heidecksburg wird der Brandschutz gleich mitgedacht.

Dringend notwendig war der Einbau der Zisterne auf Schloss Sondershausen, da die vorhandenen Hydranten die erforderliche Durchflussmenge bei einem Löschangriff in der Schlossanlage auf Dauer nicht komplett erfüllen. Die Teiche des Schlossparks kommen als Löschwasserreservoir aufgrund ihrer Entfernung zum Schloss nicht in Frage. Sie führen aufgrund der zunehmenden Trockenheit in den Sommermonaten zudem nicht zuverlässig genügend Wasser.

Ihren ersten Einsatz hat die Löschwasserzisterne bereits erfolgreich absolviert. Weiter geht es auf Schloss Sondershausen im SIP I jetzt an den Alten Flügeln und am Jägerhaus. Am Alten Nordflügel mit dem Schlossturm und dem Ost- und Südflügel werden dringend notwendige statisch-konstruktive Sicherungen und ein erster Sanierungsabschnitt am Dach vorbereitet. Am Jägerhaus steht die Gesamtsanierung für die zukünftige Nutzung durch die Thüringer Landesmusikakademie Sondershausen an. Für die beiden komplexen Projekte laufen die Planungen auf Hochtouren, während mit der neuen Löschwasserzisterne bereits ein wichtiger Schritt für den Brandschutz geschafft ist.

Anke Pennekamp    

Sonderausstellung mit Pflanzenschätzen im Rokokoschloss Dornburg

Eingeschlossene Geschichte

AllgemeinGartenkulturKulturgeschichteVermittlung
Ein Gartenjahr lang hat die Erfurter Textilkünstlerin Sylvia Döhler Pflanzenschätze in den Dornburger Schlossgärten gesammelt. Diese Blätter, Blüten und Früchte mit Geschichte präsentiert sie nun in besonderen Wandteppichen und Leuchten.

In der Sonderausstellung „ZEITKAPSELN. Textile Herbarien aus den Dornburger Schlossgärten“ bekommt die Natur einen Platz im Museum. Vom 7. September bis 31. Oktober 2024 erzählen textile Kunstwerke Gartengeschichte(n). Selbst erklärt Sylvia Döhler ihre Inspiration wie folgt: „Mich reizt die Herausforderung, Textil und Natur so zu verbinden, dass die Natur durch ihre eigene Gestaltungskraft das textile Material gestaltet. Indem die Materialien in den Stoffen dauerhaft festgehalten sind, werden die Urformen und Farben der Natur auf den Textilien zum zeitlosen Ornament.“

Textildesign trifft Handwerkskunst

Vielleicht ist es die vertraute Landschaft der Kindheit, vielleicht die Magie des Ortes: Dornburg übt auf Döhler eine besondere Anziehungskraft aus. Für diese Sonderausstellung hat sie in den Dornburger Schlossgärten Pflanzenmaterial gesammelt, getrocknet, gepresst, sortiert, bewertet, verarbeitet und vor der Vergänglichkeit bewahrt. Alles mit einem Gespür aus Wissen, Erfahrungswerten und Kreativität im langen Entstehungsprozess ihrer textilen Kunstwerke. Der historische Ort hatte unmittelbar Einfluss auf ihre Arbeiten. Der magische Nebel im Saaletal, die morgendliche Frische eines Gartentages oder das atmosphärische Licht im Sommer sind Impressionen, die bereits Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) in Dornburg genoss.

Blick in die Sonderausstellung „ZEITKAPSELN. Textile Herbarien aus den Dornburger Schlossgärten“,
Foto: STSG, Christian Hill

Goethe trifft Dornburg

Nach dem Tod seines Freundes und Förderers Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach im Sommer 1828 verbringt der greise Goethe mehrere Wochen der Trauer auf den Dornburger Schlössern. Es sind auch die „wohlunterhaltenen Gärten“, nächtliche Himmelsbeobachtungen, die täglichen Spaziergänge entlang der Terrassen oder Naturstudien, die sein Gemüt wandeln. Der Genius Loci wirkt. Er schreibt: „Ich bin noch auf dem alten Dornburg, vorzüglich mit botanischen Betrachtungen beschäftigt.“

Bei Goethe sind Natur- und Landschaftsbetrachtungen zeitlebens Inspiration für forschendes Streben. Die „Blüthenburg“ an der Saale bietet dazu beste Bedingungen. So befasst er sich hier auch damit, seine „Metamorphose der Pflanzen“ für eine französische Übersetzung voranzutreiben. Zeugnis seiner lebenslangen botanischen Studien ist ein Herbarium von circa 2.000 Blatt, angelegt ab 1770.

Vergänglichkeit trifft Schönheit

Die Arbeitsintension für die textilen Herbarien von Döhler sind das Sichtbarmachen und die Wahrnehmung der Natur. Zu den ausgestellten Arbeiten zählen Leuchten, Wandteppiche – die auch als Reminiszenz an textile Wandbespannungen in Schlössern gesehen werden können – aber auch Ätzungen auf 15 Kupferplatten, die Kreisläufe der Natur und des Lebens versinnbildlichen. So überdauert in ihrer Kunst als Momentaufnahme eine knorrige, mehrfach gestutzte und vom Alter gezeichnete Esche, die bereits Goethe als jungen Setzling gesehen haben muss. Die Textildesignerin hält fest, was vergänglich ist. Die Schönheit des Augenblicks leuchtet in ihren Arbeiten auf und bewahrt so die Dornburger Pflanzenschätze.

Christian Hill

Eine Laube auf der Veste Heldburg

Veranda für den Herzog

AllgemeinDenkmalpflegeKulturgeschichte
Sogar entspannte Stunden waren beim Theaterherzog inszeniert. Im Hof der Veste Heldburg schuf sich Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen Ende des 19. Jahrhunderts ein besonders lauschiges Plätzchen.

Ganz der Ideenwelt des kunstverständigen Landesherrn entsprechend, kam bei der Gestaltung des Rückzugsorts an frischer Luft auch die Theatralik nicht zu kurz. Unter einer monumentalen Szene, die den Heiligen Georg im Kampf mit dessen Erzfeind – dem Drachen – zeigt, entstand am Kommandantenbau eine kleine Laube. 

Die Holzkonstruktion der überdachten Veranda mit Brüstung wird von verzierten Säulen und Kleeblattbögen geschmückt. Vermutlich entstand sie ungefähr gleichzeitig mit der darüberliegenden imposanten Wandmalerei vom Bremer Maler Arthur Fitger. Die Malerei zeigt den Heiligen Georg in voller Rüstung sitzend auf einem Pferd, in der Hand den langen Speer, mit dem er gerade den am Boden liegenden Drachen ersticht. Das Dach der Laube setzt im gemalten Felsen unterhalb des Drachens an. Der Namensbezug des dargestellten Heiligen zum Auftraggeber war sicher kein Zufall. Auch in der Laube verwiesen an der rot hervorgehobenen Rückwand gemalte Initialen auf Herzog Georg II. Das Erscheinungsbild der Veranda hat sich im Laufe der Zeit allerdings gewandelt. Die rote Rückwand war zeitweise übermalt, damit ging auch der Verlust des herzoglichen Monogramms einher.

Veste Heldburg, Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

1826 war die Veste Heldburg in den Besitz der Herzöge von Sachsen-Meiningen gekommen. Georg II. ließ ab 1875 die Fränkische Leuchte – die jahrhundertelang zuvor wichtige Bedeutung als Grenzposten mit der Möglichkeit zu Feuersignalen hatte – zum romantischen Bergschloss im Geschmack des Historismus umwandeln. Mauern wurden mit Zinnen und Türme mit neuen Hauben versehen. Im Französischen Bau und im Kommandantenbau entstanden Räume mit Formen aus Gotik und Renaissance. Im Rahmen dieses historistischen Projekts ließ der Herzog auch die Ostfassade des Kommandantenbaus mit Wandmalerei und neuer Laube ausgestalten. Schon zuvor hatte es hier eine schlichtere Laube gegeben.

Heute sind es die Restauratoren, die ein wachsames Auge auf die Inszenierung haben. In den 1990er Jahren wurde die monumentale Fassadenmalerei in den Grundfarben wiederhergestellt und die Laube samt Neueindeckung des Dachs instandgesetzt. Zuletzt haben die Experten 2021 Hand angelegt. So bleibt die über wenige Stufen erreichbare Veranda ein feines Plätzchen für eine herzogliche Verschnaufpause an der frischen Luft im Burghof der Veste.

Anke Pennekamp

Läutprobe im Turm von Schloss Heidecksburg

Dynamische Untersuchungen

BaugeschehenDenkmalpflegeKulturgeschichteSonderinvestitionsprogramm I
Ob zu besonderen Anlässen der alte Schwung in den Schlossturm zurückkehren kann, dazu wurden jetzt besonders klangvolle Untersuchungen auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt angestellt.

An einem warmen Spätsommertag Anfang September erklimmen um viertel vor neun sieben Glöckner, zwei Statiker und weitere Bauexperten, den Turm von Schloss Heidecksburg. Ein dynamisches Gutachten soll die Auswirkungen der Schwingung der drei historischen Schlossglocken auf die Statik des Schlossturms untersuchen. Ein besonderer Moment – Jahrzehnte standen die Glocken zuvor still. Im Sonderinvestitionsprogramm I soll im Rahmen der Dachsanierung am West- und Nordflügel von Schloss Heidecksburg auch der Turm saniert werden. Ob nach der Sanierung zu besonderen Anlässen die Glocken wieder geläutet werden könnten, sollen die Untersuchungen zeigen.

Glockenstuhl im Schlossturm von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt,
Foto: STSG, Uta Kolano

Der 44 Meter hohe Schlossturm von Schloss Heidecksburg stammt aus dem 18. Jahrhundert. Nach einem großen Schlossbrand 1735 bei dem Nord- und Westflügel zu großen Teilen zerstört wurden, war er neu errichtet worden. Der Entwurf und die Konstruktion der Turmhaube stammen aus der Feder des damaligen Stararchitekten Gottfried Heinrich Krohne, der auch mit der Innenausstattung des Westflügels betraut worden war. Im Turmschaft sind noch heute drei historische Glocken zu finden, die 1770 in der Residenzstadt Rudolstadt gegossen wurden. Auch der Glockenstuhl stammt noch aus dem 18. Jahrhundert.

Schlossturm von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt

Nach den letzten Metern über knarzige Holzstufen erreicht das Expertenteam das Glockengeschoss des Turms. Um Punkt neun Uhr wird die erste kleinere Glocke mit Muskelkraft per Seil in Schwingung versetzt. Die große Glocke und das kleinere Pendant folgen. Parallel gehen die Statiker ans Werk. Im Inneren des Turms messen sie die Auswirkungen der Glockenschwingungen auf das Mauerwerk. Die Messergebnisse werden in einem dynamischen Gutachten zusammengeführt. Rund 10 Minuten lassen die sieben Männer die Glocken erklingen. Durch die Schallluken des Turms ist das Geläut aus dem 18. Jahrhundert früher wie heute an diesem Tag bis in der Stadt zu hören.

Wann und wie einst geläutet wurde, hielt die Läutordnung fest. Neben den Glocken ist noch heute die gerahmte „Nachricht Wie das Läuten bey hof zuverrichten“ im Glockenstuhl nachzulesen. Auch in welcher Reihenfolge welche Glocke zu läuten waren, hält diese fest – ob nur eine, die große oder die kleine, alle drei oder nur die kleinen. Sonntags und Festtags, „bey wochen Kirchen“ und weiteren Gelegenheiten wurden die Glocken einst geläutet.

Anke Pennekamp

Läutordnung im Turm von Schloss Heidecksburg in
Rudolstadt, Foto: STSG, Carolin Schart
Kloster Georgenthal

Famo(o)ses Engagement

AllgemeinDenkmalpflegeKulturgeschichte
Anfang Juli flattert eine E-Mail bei der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt ins elektronische Postfach ein - darin ein so ungewöhnlicher wie famoser Vorschlag. Wenige Wochen später kommen an einem sonnigen Samstag am vorletzten Augustwochenende dutzende ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zwischen den romantischen Ruinen des ehemaligen Zisterzienserklosters Georgenthal zusammen – sie wollen mit anpacken.

Unter Anleitung der STSG-Restauratorin Gydha Metzner befreien an diesem Wochenende 26 Freiwillige die Säulenstümpfe, Basen, Postamente und Mauerfragmente der ehemaligen Klosterkirche Georgenthal unter dem vom Sommerwind bewegten Blätterdach alter Bäume von Moos und anderem Bewuchs.

Kloster Georgenthal am Nordrand des Thüringer Waldes war einst ein reiches Zisterzienserkloster, dessen Mönche aus dem französischen Mutterkloster Morimond in den Thüringer Wald kamen. Als Familienkloster der Grafen von Käfernburg und Schwarzburg im 12. Jahrhundert durch Graf Sizzo III. gegründet, erlebte das Kloster im 14. und 16. Jahrhundert Blütezeiten mit wachsenden Besitzungen. Die Klosterkirche maß rund 20 mal 70 Meter und war einst eine imposante dreischiffige Basilika, die der Klosterkirche Paulinzella ähnelte. An die Abteikirche schloss südlich der Kreuzgang an. Auch ein Kalefaktorium (eine beheizbare Wärmestube), ein Refektorium (der Speisesaal), ein Abtshaus und ein Laienbrüderhaus gehörten zur Klosteranlage, die allesamt mit der Zeit jedoch verloren gingen.

Kloster Georgenthal, Foto: STSG, Constantin Beyer

Im Zuge der Bauernkriege 1525 wurde das Kloster geplündert und zerstört. Die Mönche flohen und das Kloster wurde säkularisiert. Die Klostergüter und umliegenden Dörfer wurden in ein Amt des Herzogtums Sachsen-Gotha überführt. Die Klosterkirche und Klostergebäude konnten einem Schicksal als Steinbruch nicht entgehen. Letztlich fast vergessen, schlummerten die Grundmauern und Säulenstümpfe der Klosterkirche im Boden verborgen, bis sie 1852 durch Zufall wiederentdeckt wurden. Im 19. Und 20. Jahrhundert legten Ausgrabungen die Fragmente der Klosterkirche frei.

Die Ruine übt bis heute einen großen Reiz aus. Das freundlich zupackende Engagement vieler Helfer ohne viel Aufhebens an einem schönen Sommertag im August zeigt eine tiefe Verbundenheit mit den geschichtsträchtigen Ruinen eines geheimnisvollen und bedeutenden Ortes.

Anke Pennekamp