Pavillonsanierung im Schlosspark Molsdorf

Kleinod mit Pferdestärke

BaugeschehenDenkmalpflegeGartenkulturKulturgeschichteSonderinvestitionsprogramm I
Ein idyllischer Gartenschatz mit pragmatischem Hintergrund geht in diesem Jahr im Schlosspark Molsdorf in die Kur.

Der Pavillon am Hang oberhalb des Schlosses wurde 1828 über einer älteren Kelleranlage errichtet. Die Parkarchitektur diente als Unterstand und sollte die noch nutzbaren Keller – darunter ein bis heute gut erhaltener Eiskeller – vor Regen schützen. Zur damaligen Zeit befanden sich Schloss und Park im Besitz der Herzöge von Sachsen-Coburg und Gotha. Nicht nur aufgrund der aktuellen Gartenmode, sondern auch um Pflegekosten zu sparen, war der Schlossgarten nahe Erfurt kurz zuvor endgültig zum Landschaftspark überformt worden. Der Pavillon, idyllisch gelegen am Schlossteich, sollte ebenfalls der sparsamen Maxime entsprechend nicht zu pompös ausfallen. Es entstand ein luftiger dreischiffiger Bau mit offenen Tür- und Fensteröffnungen, die Sichtachsen in den Park boten.

Pavillon im Schlosspark Molsdorf im Juni 2024, Foto: STSG, Philipp Hort

Schon Mitte des 19. Jahrhunderts kam es zu ersten Reparaturen am Pavillon. Ende des 19. Jahrhunderts wurde noch einmal umfassender saniert. Das Fachwerk wurde mit Tuffstein ausgemauert und der Bau im Inneren verputzt. Anfang des 20. Jahrhunderts kam für den Pavillon dann eine ganz neue Nutzungsidee auf. Die damalige Schlossherrin Gräfin Maria Neidhardt von Gneisenau wollte das Sommerhaus als Automobilgarage nutzen. Mit der Planung für den Umbau beauftragte die Gräfin die erste deutsche freiberufliche Architektin Emilie Winkelmann. Winkelmann leitete zur damaligen Zeit ein Büro in Berlin mit 14 Angestellten. Gneisenau war Schriftstellerin und in Berlin aufgewachsen. Beide waren Mitglieder im Lyceum-Club Berlin, ein Frauenverband, der unter anderem Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen unterstützt und vernetzt. Winkelmann war für den Club auch als Architektin tätig und mit der Planung des Umbaus von Gneisenaus Berliner Elternhaus beauftragt.

Während sich das Äußere des Pavillons nicht veränderte, sollte im Inneren Platz für die Garage, ein Chauffeurzimmer und Geräteräume geschaffen werden. Vermutlich um 1930, wie die Bauforscher annehmen, wurden dafür der Boden im zentralen Raum angehoben, eine Treppe zur Überbrückung der Höhenunterschiede zum Vestibül eingebaut und auch der Türdurchgang vergrößert. An der Westfassade legte man zwei Tore an. Im Umfeld wurde durch Aufschüttungen eine Anfahrt geschaffen.

Zu Beginn der 1970er Jahre wurde der Pavillon dann als Café eröffnet. Auch hier war wieder eine Architektin am Werk. Käthe Menzel-Jordan rettete in den Nachkriegsjahrzehnten als beauftragte Architektin Schloss Molsdorf vor dem Verfall und sorgte für die sorgfältige Restaurierung. Auch der Ausbau des Pavillons als Café geht auf ihr Wirken zurück.

Seit 1990 ungenutzt, wird der Pavillon mit PS-starker Nutzungsgeschichte jetzt im von Bund und Land finanzierten Sonderinvestitionsprogramm I der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten saniert. Witterung und Feuchtigkeit haben über die Jahrzehnte am Kleinod gezehrt. Bei der Sanierung spielen auch Energie-Effizienz und die denkmalgerechte Anwendung erneuerbarer Energien eine wichtige Rolle.

Ende 2024 begannen die Bauarbeiten im Umfeld des Pavillons an der barocken Treppenanlage. Sie stammt noch aus dem frühen 18. Jahrhundert und war wichtiger Verbindungsweg zwischen Schloss und Kirche. Durch Unterspülungen stark geschädigt, ist sie seit einigen Jahren gesperrt. Ab Sommer 2025 soll auch am Pavillon selbst intensiv gebaut werden. Die Bausubstanz ist marode, das Dach notgesichert. Mit der Sanierung kann nicht nur das Kulturdenkmal mit gartenkünstlerischer Wirkung gerettet werden, es gehen auch neue Nutzungsperspektiven für den Parkpavillon damit einher. Zukünftig kann man in diesem dann wieder gesellig zusammenkommen.

Anke Pennekamp

Antik gewandete Kunst im Schloss Wilhelmsthal

„Den die nackenden paßen selten gut in einen Saal“

AllgemeinDenkmalpflegeKulturgeschichte
Der Kopf ist leicht gesenkt, das lange Gewand fällt in sanften Falten bis zu den Füßen hinab. Das Haar ist am Hinterkopf zu einem Knoten geschlungen. Die unter dem Gewand verborgenen Hände sind erwartungsvoll vor die Brust gehoben. In ihnen ruht eine Vase. In weißem Gips steht die junge Frau auf einem kleinen Sockel – sie stellt eine Vestalin aus dem antiken Rom da und hat jetzt dank einer großzügigen Spende an ihren alten Platz in den Telemannsaal von Schloss Wilhelmsthal zurückgefunden.

Um 1800 wurde der große Festsaal der Sommerresidenz der Herzöge von Sachsen-Weimar-Eisenach umgestaltet. Der später nach dem Komponisten Georg Philipp Telemann benannte Saal war bereits rund 80 Jahre zuvor entstanden, in einem eigens errichteten Saalbau direkt am großen Parksee am westlichen Ende des Schlossensembles.

Schloss und Park Wilhelmsthal bei Eisenach,
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Festsaal im neuen Gewand

Bei der Umgestaltung wurden Wände, Säulen und Nischen des Festsaals auf ovalem Grundriss mit Stucco lustro in weiß, „giallo antico“ (gelb) und „porphyr“ (rot) ausgestattet. Die Stuckdecke mit Rosette aus dem 18. Jahrhundert blieb erhalten. Die Baufortschritte in der Sommerresidenz wurden am Weimarer Hof natürlich im Auge behalten, Herzog Carl August reiste mehrmals nach Wilhelmsthal, um sich selbst ein Bild zu machen und traf als Bauherr selbst Entscheidungen zur Ausstattung. So entschied er unter anderem, dass anstelle eines „Orchesters“ für Musiker in die östliche Wand ein Kamin in eine Nische eingefügt werden sollte. Bei der neuen Gliederung des Saals kam es dem Herzog vor allem auf die Symmetrie an.
 

Bei der Ausstattung wurde der Bildhauer Friedrich Eugen Döll einbezogen. Döll leitete damals die herzogliche Zeichenakademie in Gotha. Er orderte beispielsweise einen Kamin aus Crottendorfer Marmor zur Ausstattung des Festsaals. Für die Nische über dem Kamin bot der Künstler ein besonderes Stück an, eine Antikenkopie, die eine Vestalin zeigt. Das Gefäß in ihren Händen könne mit Blumen oder Früchten bestückt werden und ihre Bekleidung sei vorteilhaft, „den die nackenden paßen selten gut in einen Saal“, führte Döll in einem Schreiben aus.

Von Rom in den Thüringer Wald

Vestalinnen waren junge Priesterinnen, die in der Antike das Feuer in den Tempeln der Göttin Vesta – der Beschützerin der Familie und des Herdfeuers – bewachten. Sie waren der Keuschheit verpflichtet und avancierten im 18. Jahrhundert zum beliebten Motiv. 1769 schuf der französische Bildhauer Jean-Antoine Houdon eine Kopie einer antiken Vestalinnenstatue aus den Kapitolinischen Museen für Herzog Ernst II. von Sachen-Gotha-Altenburg. Diese diente Döll als Vorlage, der mehrere Exemplare schuf. Für 17 Reichstaler wurde eine der Statuen um 1800 für den Festsaal von Schloss Wilhelmsthal angekauft.

Kaminnische mit Vestalin im Telemannsaal Ende April 2025,
Foto: STSG, Gydha Metzner

Vestalin für den Telemannsaal

Der Verbleib der Wilhelmsthaler Vestalin ist heute unbekannt. Eine großzügige Spende des Förderkreis Schlossanlage Wilhelmsthal e.V. ermöglichte jetzt die Rückkehr eines Gipsabgusses in den frisch sanierten Telemannsaal. Der Abguss wurde in einer Kunstformerei nahe Dresden gefertigt, die unter anderem auf besondere Abformtechniken spezialisiert ist.

Ende April machte sich die Vestalin aus der Werkstatt von Hans Effenberg auf den Weg in die Sommerresidenz Wilhelmsthal nahe Eisenach, Foto: STSG, Gydha Metzner

Wenn auch zeitweise dann doch noch ein „nackender“ mit Apoll in die Kaminnische im Telemannsaal Einzug hielt, hat jetzt wieder die gewandete Wächterin den zuletzt leeren Platz über der Feuerstelle in der Sommerresidenz zurückgewonnen. Ihrer Aufgabe als Kulturwächterin konnte die Vestalin gleich am ersten Tag nach dem Einzug nachkommen, als die ersten Wilhelmsthaler Schlossfestspiele unter ihrem wachen Blick begannen.

Anke Pennekamp

Mehr zum Förderkreis Schlossanlage Wilhelmsthal e.V. gibt es hier.

Frühlingserwachen im Gartendenkmal

Da blüht den Schlossparks was

AllgemeinDenkmalpflegeGartenkultur
Während rund 9.000 Blumen jetzt wieder die Schmuckbeete im Schlosspark Altenstein zieren, gab es in den letzten Monaten ein besonderes buntes Treiben im Kamelienhaus in Gotha zu bestaunen. Orangenbäumchen und Sukkulenten hingegen warten noch auf die Eisheiligen, bis es wieder ins Parterre hinausgeht. In Gotha drückt derweil der Greizer Lindennachwuchs die Schulbank.

Der Frühling klopft an die Tore der Thüringer Schlossparks. Zeit für ein buntes Spektakel, heißt das auch für die Parkteams der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, die historische Landschaftsparks, Schloss- und Terrassengärten pflegen und ab Ende März für den Beginn der Gartensaison herausputzen. Vorbereitung ist dabei alles, denn auch im Winter ruhen Parkverwalter, Gartenmeister und Gärtnerinnen und Gärtner nicht. In den Orangerien werden in den Kalt- und Warmhäusern die empfindlichen fürstlichen Zitruspflanzensammlungen gepflegt und der blühende Nachwuchs großgezogen. Auch Verkehrssicherheit, Grünflächen- und Wegepflege sind ganzjährig ein Thema – und den Baumbestand auf bis zu 160 Hektar Parkfläche im Auge zu behalten sowieso.

Kamelienblüte in der Herzoglichen Orangerie Gotha,
Foto: STSG, Jens Scheffler

Buntes Treiben in der Herzoglichen Orangerie Gotha

In Gotha beginnt das bunte Farbenspiel bereits ab Dezember. Dann setzt die Kamelienblüte im neuen Kamelienhaus hinter dem Treibhaus ein. Mitte März kann eine Fülle aus weißen, rosafarbenen und roten Blüten bewundert werden. Seit dem 18. Jahrhundert erfreute sich die Kamelie zunehmender Beliebtheit an den europäischen Höfen. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich eine Kamelienmode. Das Sammeln und Züchten einer großen Sortenvielfalt wurde zum Aushängeschild anspruchsvoller Gärten. Auch die Herzöge von Sachsen-Gotha hatten eine Vorliebe für die kälteempfindlichen ostasiatischen Teestrauchgewächse. In der Herzoglichen Orangerie gab es laut Inventar aus dem Jahr 1871 einen eindrucksvollen Bestand von 670 Kamelien.

Während sich im Kamelienhaus die Blütezeit schon dem Ende neigte, zog Anfang April im Gothaer Orangeriegarten die Frühjahrsbepflanzung ein. Das Gärtnerteam pflanzte über 8.000 Frühjahrsblumen in die Beete, vor allem Tausendschönchen, Vergissmeinnicht, Primeln und Stiefmütterchen. Schon im Herbst waren 6.000 Zwiebeln von Tulpen, Narzissen und Hyazinthen gesteckt worden, damit rechtzeitig zu Ostern ein bunter frühlingshafter Blütenflor die Gartensaison im barocken Gartendenkmal einläutet. Nach den Eisheiligen im Mai geht es schon an die Sommerbepflanzung. Auch die Kübelpflanzen, darunter Lorbeer- und Orangenbäumchen, werden aus dem Winterquartier geholt und stehen dann wieder draußen Spalier.

Frühjahrbepflanzung in der Herzoglichen Orangerie Gotha, Foto: STSG, Jens Scheffler

Frühjahrsblüten und Sommerblätter

Auch im Schlosspark Altenstein steht bereits die Frühjahrsbepflanzung wieder in den Schmuckbeeten am Schloss und am Hofmarschallamt. Bis Pfingsten schmücken die farbenprächtigen Stiefmütterchen, Hornveilchen und Gänseblümchen den Innenpark, darunter auch das berühmte Teppichbeet. Dann folgt die Sommerbepflanzung. Anders als im Frühjahr zeichnet die Sommerbepflanzung im Altensteiner Schlosspark der Verzicht auf Blütenpflanzen aus. Dafür treten tausende Blattgewächse allein im Teppichbeet neben dem Schloss ins Rampenlicht. Über den Sommer wachsen Echeverien, Iresinen, Alternantheren und Kleinia repens zu einem dichten Blätterteppich zusammen. Die kunstvollen Muster wechseln jährlich, allein die unterschiedlichen Blattfarben und -formen bilden dabei den bunten Flor.

Die Teppichbeetgärtnerei wurde schon unter Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen Ende des 19. Jahrhundert im Schlosspark Altenstein betrieben. Dank eigener Zierpflanzengärtnerin lebt diese besondere Handwerkskunst seit über 20 Jahren im Gartendenkmal auf dem Altenstein wieder auf. Und auch für die Sommerbepflanzung beginnt die Planung bereits im Vorjahr, die Motive orientieren sich an den historischen Mustern, die noch heute durch Fotografien aus dem 19. Jahrhundert für den Altenstein dokumentiert sind. Im Büro wird zunächst das Muster auf dem Reißbrett skizziert, die Pflanzenauswahl getroffen und der Bedarf berechnet.

Gleich drei Schlösser auf einem Fleck finden sich in Dornburg. In der ersten Hälfte des 19.  Jahrhunderts unter Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach zu einem Ensemble zusammengefasst, verbinden die Schlossgärten die Schlösser ganz unterschiedlicher Stile miteinander. Auch in den Dornburger Schlossgärten ist bereits die Frühjahrsbepflanzung eingekehrt, hier schmücken rund 3.800 Pflanzen darunter Vergissmeinnicht, Tausendschön sowie weiße und schwarze Veilchen jetzt wieder die Schmuckbeete. Hinzu kommen 1.200 Blumenzwiebeln, die das Gartenteam bereits im Dezember gesteckt hat.

Frühjahrsbepflanzung in den Dornburger Schlossgärten,
Foto: STSG, Fanny Rödenbeck

Lindennachwuchs mit Zukunftsperspektive

Noch eine Weile in der Baumschule umsorgt, werden hingegen in Gotha Greizer Linden-Setzlinge. Gehegt und gepflegt, sollen sie ab Ende des Jahres in der Seufzerallee im Fürstlich Greizer Park in große Fußstapfen treten und dabei 30 Lücken in der historischen Allee am großen Parksee schließen. Ein besonderes Projekt im Rahmen der vom Bund geförderten Revitalisierung des rund acht Hektar großen Parksees. Auch die historischen Schlossgärten und Landschaftsparks in Thüringen leiden stark unter den Folgen des Klimawandels, die Baumverluste sind dreimal so hoch wie noch vor einigen Jahren. Die langen Trockenperioden und der ausbleibende Niederschlag zehren an den teils über 200 Jahre alten Bäumen. Trockenschäden wie Astausbrüche oder der Verlust ganzer Baumgruppen gehören zu den Folgen. Verstärkt müssen Baumkontrollen durchgeführt werden. Kosten und Pflegeaufwand für die Verkehrssicherung in den Gartendenkmälern haben sich mehr als verdoppelt.

Linden-Setzlinge in der Baumschule in Gotha, Foto: Baumschule Pomona

Die Greizer Linden wurden aus genetischem Material der Seufzerallee gezogen. Dazu wurden Reiser der Altbäume auf Lindensämlinge veredelt. Die historischen Parkbilder leben von authentischen Pflanzenkombinationen, die so erhalten werden können. Ende des Jahres werden die jungen Pflanzen in der Allee ausgepflanzt. Von klein auf am Standort großgezogen, können sich Jungpflanzen dem Park und den veränderten Klimabedingungen besser anpassen. Das Modellprojekt mit Verwendung von Genmaterial vom gleichen Standort ist eines von zahlreichen Vorhaben, mit denen sich die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten an einem gemeinsamen Forschungsprojekt der Deutschen Schlösserverwaltungen auf der Suche nach Strategien zur Anpassung historischer Gärten an den Klimawandel beteiligt. Mehr zum Forschungsprojekt und den Lösungsansätzen gibt es hier.

Neue Dauerausstellung für Kloster St. Wigbert in Göllingen

Geschichte am laufenden Band

BaugeschehenDenkmalpflegeKulturgeschichteVermittlung
Im Kloster Göllingen geht es 2025 ans Eingemachte. Eine neue Dauerausstellung und ein neues Besucherzentrum sind im Entstehen und sollen im August 2025 eröffnen. In der neuen Ausstellung „Zwischen Kloster und Konserve“ geht es um Geschichte und Geschichten, bürgerschaftliches Engagement und neue Blickwinkel auf ein besonderes Denkmal mit ungewöhnlicher Umnutzungsgeschichte.

Vom Ort der Einkehr zum regionalen Zentrum wirtschaftlicher Betriebsamkeit – viele Klosteranlagen in Thüringen haben nach der Reformation diesen Wandel durchlaufen. Eine der ältesten von ihnen, mit Ursprüngen im 10. Jahrhundert, wurde sogar bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wirtschaftlich genutzt. Auf dem Gelände des ehemaligen Klosters St. Wigbert im nordthüringischen Dorf Göllingen stehen noch heute die Gebäude einer Konservenfabrik, die bis vor wenigen Jahrzehnten zu den wichtigsten Arbeitgebern vor Ort zählte. Inmitten des 500jährigen Trubels rund um Getreide, Obst und Gemüse hat sich ein architekturhistorisches Juwel erhalten – der Westturm der romanischen Klosterkirche.

Kloster Göllingen, 2023, Foto: STSG, Ralf Nicolai

Göllingen lag um das Jahr 1000 in der Kernlandschaft des ottonischen Königtums. Der älteste Teil der Anlage geht auf einen kleinen Kirchenbau aus dem 11. Jahrhundert zurück. Kräftig gebaut wurde dann im 12. Jahrhundert. Es entstand eine große Saalkirche mit zwei Querhäusern und zwei Chören, einer Apsis im Osten und einem monumentalen Westturm. Überdauert haben von diesem Kirchenbau nur die Abschlüsse. Während sich die Apsis ein wenig in einem später hinzugefügten Wirtschaftsbau versteckt, blieb der Westturm erstaunlich unbehelligt stehen. Zu seinen Besonderheiten zählen die hohe Qualität in der ornamentalen und architektonischen Ausführung und vor allem seine Krypta.

Im 13. Jahrhundert vollendete man die Bauarbeiten am Westturm. Sein Mauerwerk ist sehr sorgfältig gearbeitet und durch die unterschiedliche Farbigkeit der Steine kontrastreich gestaltet. Halbsäulen und Ecklisenen, die in gleichmäßige Rundbogenfriese übergehen, gliedern die Wandfelder. Im Untergeschoss des Turms befindet sich die Krypta. Sie zählt mit der skulpturalen Finesse ihrer Bauplastik zu den schönsten romanischen Raumschöpfungen Thüringens.

Turm der ehemaligen Klosterkirche, Foto: STSG, Tino Trautmann

Bis ins 16. Jahrhundert hatte das Kloster Bestand, fiel aber während der Bauernkriege Plünderungen zum Opfer und wurde außerdem in Teilen zerstört. Zur endgültigen Säkularisierung kam es erst 1606 unter den Landgrafen von Hessen-Kassel. Seitdem diente das Kloster als Domäne der wirtschaftlichen Prosperität weltlicher Herrschaft und wurde nach 1918 als Staatsdomäne des Landes Thüringen weiterbetrieben. Ab den 1930ern wurden in den Domänengebäuden eine Konservenfabrik eingerichtet, was zu einer weiteren Überformung der gesamten Anlage beitrug.

Als Teil der Domäne geriet die architekturhistorische Bedeutung des Westturms in Vergessenheit. Erst im 19. Jahrhundert, wurde das bedeutende Kleinod romanischer Baukunst wiederentdeckt. Allerdings verhinderte die landwirtschaftliche Nutzung eine umfängliche Restaurierung. Nicht zuletzt wurde durch die Konservenfabrik auch der Turm stark in Mitleidenschaft gezogen und sogar als Lagerfläche verwendet. Zu dessen Rettung, Schutz und Instandhaltung gründete sich deshalb 1978 eine Interessengesellschaft Denkmalpflege. Die Mitglieder bemühten sich um eine denkmalgerechte Nutzung und touristische Erschließung. Verstetigt wurden diese Bestrebungen durch die Gründung der Gesellschaft der Freunde der Klosterruine St. Wigbert Göllingen e.V. am Anfang der 1990er Jahre und die Übertragung der Anlage an die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten 1995. Bis heute betreut und belebt der Verein das ehemalige Klostergelände an der Seite der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG).

Dank des Engagements und der Unterstützung vieler Ehrenamtlicher konnten in den 1980er Jahren der Turm mit Chorpodium und Krypta sowie Mauerreste der Ostapsis vor dem Verfall gerettet werden. Das Ausmaß der ehemals großen und bedeutenden Klosterkirche ist seit 2007 durch Gabionenmauern sichtbar gemacht. In den 1990er Jahren als störend empfunden, sind die Gebäude der Konservenfabrik mit ihren Betonschalendächern inzwischen selbst zu kulturgeschichtlichen Zeugnissen geworden – sie erzählen von der jüngeren Geschichte der Klosteranlage.

Die neue multimediale Ausstellung für Kloster Göllingen soll im August 2025 zusammen mit einem neuen Besucherzentrum eröffnen, das in einem Pavillonneubau am Zugang zur Klosteranlage entsteht.

Ermöglicht wird das neue Vermittlungsprojekt für Kloster Göllingen durch das von Land und Bund geförderte Vermittlungs- und Digitalisierungsprogramm SchlösserWelt Digital & Original der STSG. Bis zur Eröffnung im August geht es für alle Projektbeteiligten jetzt nochmal ans Eingemachte.

Iris Palzer

Turmhaubensanierung auf der Burg Weißensee

Goldiger Abschluss

BaugeschehenDenkmalpflegeKulturgeschichteSonderinvestitionsprogramm I
Es ist ein kalter aber sonniger Tag Anfang März 2025. Im Hof herrscht reges Treiben. Es geht um Millionen, Goldmünzen, eine große goldene Kugel, generationenübergreifende Baugeschichte und auch Nina Hagen ist mit von der Partie. Aber die eigentliche Musik spielt 20 Meter über dem Burghof und das nicht nur heute, sondern schon seit rund einem Jahr.

Erst wird gerollt, dann gelötet – vor den Augen der Anwesenden, die lange auf diesen Moment gewartet haben, werden zwei prall gefüllte Kupferhülsen verschlossen. Auf ihnen ist sogar das Datum eingraviert. In die eine Hülse kehren die Millionen in den bereits auf einer Bank stehenden Turmknopf der Burghaube zurück. Gut in Luftpolsterfolie eingewickelt ist er frisch restauriert und gerade aus der Werkstatt zurück. Er wartet geduldig, während die neuen und alten Dokumente, die heute als Zeitzeugnisse in den Knopf für die nächsten Generationen zurückkehren, vorsichtig zusammengerollt und eingelegt werden. Vor rund acht Monaten war der Turmknopf im Rahmen der Sanierung der Turmhaube des Palas abgenommen worden. In einer Hülse in seinem Inneren tauchten Dokumente von 1868 bis 1982 auf, darunter Inflationsmillionen, Chroniken, Prospekte und auch eine Silbermedaille, geprägt anlässlich der 750-Jahr-Feier der Stadt Weißensee 1962. Während der Turmknopf restauriert wurde, wurden die Dokumente gesichtet und digitalisiert.

Auf der weinroten Samtdecke im Burghof liegen an diesem Tag auch ein paar neue Zeitzeugnisse bereit, darunter eine Zeitung, die an diesem Tag das Konterfei von Nina Hagen ziert. Auch eine fortgeschriebene Chronik darf nicht fehlen, hinzu kommen noch ein Schnitt der Haubenkonstruktion und zwei Fotos aus der Sanierungszeit. Und auch ein Schreiben der Stadt Weißensee, das der Bürgermeister höchstpersönlich mitgebracht hat, wird mit eingelegt. Burg und Stadtgeschichte sind untrennbar miteinander verbunden. Viele sind gekommen, um den Sanierungserfolg zu feiern, die Turmhaubensanierung ist ein wichtiger Schritt zum Erhalt der Anlage, die vielen am Herzen liegt. Eine besondere Überraschung haben die Münzfreunde Weißensee in Petto. Sie haben einen Satz Goldmünzen dabei, darunter eine Sonderprägung mit der neuen Turmhaube.

Gut gefüllt und fest verlötet, werden die Dokumentenhülsen wieder in den Turmknopf eingelegt. Dann kehrt der Knopf an den höchsten Punkt der Burg zurück und nimmt seinen Platz auf dem Kaiserstiel wieder ein. Dafür war das Schutzdach über dem rund 30 Meter hohen Baugerüst am Palasturm rückgebaut worden.

Rund ein Jahr lang wurde die Turmhaube saniert. Dabei war das Ziel, so viel Substanz wie möglich von der historischen Holzkonstruktion zu erhalten, die noch aus dem 16. Jahrhundert stammt. Nur schadhafte Teile wurden ausgetauscht. Dabei kamen auch historische Handwerkstechniken zum Einsatz. Nach der Sanierung des Dachstuhls folgte die Neueindeckung. Bei Wind und Wetter arbeiteten sich die Dachdecker dabei an dem 200 Quadratmeter großen geschwungenen Dach von unten nach oben vor und verarbeiteten dabei rund acht Tonnen Schiefer. Gearbeitet wurde nach dem Prinzip der Altdeutschen Deckung.

Zum Abschluss der Sanierung wurde die Haube neu gedeckt,
Foto: STSG, Tino Trautmann

Mit der Haubensanierung ist ein lang ersehntes Ziel erreicht. Der Turmschaft ist bereits seit einigen Jahren saniert, für die Haubensanierung reichten damals die finanziellen Mittel allerdings nicht mehr. Eine Noteindeckung aus Dachpappe und Planen schützte seither die historische Haubenkonstruktion und den Schaft vor eindringender Feuchtigkeit. Das von Bund und Land finanzierte Sonderinvestitionsprogramm I der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten machte die Sanierung der Haube nun möglich. Rund eine Millionen Euro kostete das Baugeschehen in luftiger Höhe.

Blick in den historischen Dachstuhl der Turmhaube während der Sanierung, Foto: STSG, Thomas Müller

Mit dem Aufsetzen des Turmknopfs samt Wetterfahne ist die Haubensanierung nun abgeschlossen und die Freude groß. Aber die Bauarbeiten im SIP I auf der Burg Weißensee gehen noch weiter. Im Inneren des Palasturms wird noch eine Treppe bis direkt unter die Haube ergänzt, die Vorbereitungen dafür haben im letzten Jahr begonnen. In einem weiteren SIP-I-Projekt wird in der Burganlage ein rund 50 Meter langer Abschnitt der Ringmauer saniert. Dabei entsteht an der Stelle einer historischen Maueröffnung zudem ein zweiter Fluchtweg für die Burganlage. Auch dafür laufen die Bauarbeiten bereits seit letztem Jahr.

Hoch über der Burg dreht sich jetzt wieder die Wetterfahne im Wind. Regen und Witterung können Haube und Turm nun vorerst nichts mehr anhaben.

Anke Pennekamp

Dekorationsmotive auf Schloss Friedenstein

Außen nüchtern, innen blumig

AllgemeinDenkmalpflegeKulturgeschichte
Blumen, Früchte und Girlanden, Bouquets und reich gefüllte Füllhörner – das sind Assoziationen, die dem Besucher von Schloss Friedenstein beim Anblick des eher nüchternen Gebäudes nicht als Erstes einfallen. Doch der äußere Eindruck der Strenge trügt.

Steigt man tiefer in die Schlossgeschichte ein, schaut in die Räume, in alte Inventare und Beschreibungen oder in die heutigen Depots, dann spiegelt sich über alle Jahrhunderte hinweg der Wunsch der jeweiligen Schlossbewohner, sich die Schönheiten der Natur auf die eine oder andere Weise ins Schloss zu holen. Dabei ändern sich natürlich ganz nach Zeitgeschmack und persönlichen Vorlieben die Formen, verfeinern und vervielfältigen sich.

Schloss Friedenstein in Gotha, Foto: STSG, Philipp Hort

Girlanden mit vielfältigen Blumen und Zweigen, verbunden mit Füllhörnern, reich gefüllt mit Früchten und Weintrauben sind die frühesten blumigen Zeugnisse, die wir im Friedenstein an den Stuckdecken im Nordflügel finden. Sie dienten nicht nur als Folie für die allegorischen Themen der Decke, sondern veranschaulichten auch symbolisch den Reichtum des Herzogstums. „Blumenwerck, Früchte und Guirlanden“ rahmten die Szenen der fast 40 Gobelins ein, die in den Haupträumen des Schlosses in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hingen.

Um 1712 kamen dann lunettenförmige Medaillons an der Decke des Schlafgemachs im ehemaligen Erbprinzenappartement, den heutigen Kunstkammer-Räumen im Nordflügel, hinzu. Die Medaillons, die das zentrale Deckenbild flankieren, füllte der italienische Maler Giovanni Francesco Marchini mit üppigen Blumenarrangements aus Astern, Rosen, Wicken und weiteren Sommerblumen in geflochtenen Körben, die von kleinen Putti präsentiert werden. Sehr phantasievoll wurde auch die Natur imitiert: Im Textildepot des Schlosses hat sich ein Paar „vergüldete holtzerne Eicheln“ erhalten, die um 1714/20 als Schmuck an der Bettstatt in eben diesem Schlafzimmer dienten.

Deckendetail im Geografiesaal von Schloss Friedenstein in Gotha,
Foto: Corpus Barocke Deckengemälde, Uwe Gaasch

Auch in den Räumen des Ostflügels, den ehemaligen Steingemächern, finden sich Blumenarrangements an der Decke des heute so genannten Geografiesaals, eine reiche Ausführung von sechs Lunetten mit Blumenstilleben, die sich hier mit Feldern kunstvoll verschlungener Initialen des Herzogs abwechseln.

Mitte des 17. Jahrhunderts, in der Zeit des übervollen Rokokos, lösten sich die floralen Stuckelemente aus dem Stuck heraus: In der Neufassung der vier Räume der Herzogin Luise Dorothea wächst jetzt der vegetabile Stuck über die Rahmen der Deckenbilder hinweg und überwuchert buchstäblich die Bildränder. Exotische kleine Bäumchen entwickeln sich und kleine geflügelte Drachen beleben die Decke.

Doch zurück zu den Blumen und Füllhörnern, die auch im 19. Jahrhundert immer wieder in den Räumen von Schloss Friedenstein ausgeführt wurden. Im Westflügel zog mit der Neugestaltung des Erbprinzenappartements der Klassizismus ein: Zarte, symmetrisch gestaltete Blumenarabesken wurden jetzt auf textile Tapeten gemalt, die sich gegenüber den Raumgestaltungen der vorangegangenen Jahrhunderte durch eine ungemeine Leichtigkeit auszeichnen. Man spiegelte die Natur buchstäblich ins Haus – ein ganzer Raum des Erbprinzen wurde als Laube gestaltet: Vielfältig rankende Zweige der blau-weiß blühenden Passionsblume prägen die Wände. Ursprünglich nur zurückhaltend entlang eines gemalten Gesimses ausgeführt, überdeckten sie später im üppigen Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts die gesamten Wände des Raumes.

Auch die gemalten Tapeten im Fliederzimmer im Westflügel wuchsen weiter zu: Aus den anfänglich zarten gelben und lachsfarbenen gefüllten Rosenbouquets, aus denen zarte Fliederranken emporstiegen, wurden Ende des 19. Jahrhunderts undurchdringliche Rosenbüsche – ein anderer Zeitgeschmack hatte Einzug gehalten, der auf Üppigkeit setzte und mit einem gewissen horror vacui leere Flächen zu füllen trachtete.

Tapetendetail im Fliederzimmer von Schloss Friedenstein in Gotha,
Foto: Irene Haberland

Blumenstillleben finden sich ebenfalls im Blauen Zimmer im Westflügel, wo sie als Aquarelle die 14 Bilderleisten bekrönen. Die weibliche Konnotation des Raumes spiegelt sich jetzt in den Arrangements der Stillleben: Frische Blumen bedecken einen Nähtisch oder fallen aus einem modischen blauen Schutenhut heraus, kleine Kästchen, eine Leier oder auch ein einfacher Spankorb dienen als Folie für zahlreiche Sommerblumen. In einem weiteren Raum findet sich ein rundes Regal mit drei Etagen, das um 1797 speziell für die Präsentation von Pflanzen entwickelt wurde – es stand in der Mitte des Raums oder in einer Fensternische und erlaubte eine reiche Präsentation von Zimmerpflanzen.

Auch die Möbel wurden mit Blumenmotiven geschmückt – im Depot von Schloss Friedenstein finden sich zahlreiche Beispiele von zierlich ausgeführten Stickereien, die die Natur ins Zimmer holten: Blumenmuster, Rosensträuße, Girlanden – es gab unendlich viele Motive, die hier als Vorbild dienten und in wundervoller Perfektion ausgeführt wurden.  

Irene Haberland

Neue Burgbrücke für das Oberschloss Kranichfeld

Brückenschlag mit Geschichte

AllgemeinBaugeschehenDenkmalpflege
Im Burggraben ragt ein Kran empor. Stück für Stück werden die tonnenschweren Teile der neuen Burgbrücke auf dem Oberschloss Kranichfeld an ihren Platz gehievt. Der Brückenbau ist Schwerstarbeit mit filigranen Seiten und wichtige Voraussetzung für das neue Burgerlebnis ab Sommer 2025 mit einer neuen Dauerausstellung.

Auf dem Oberschloss Kranichfeld ist noch heute viel alte Bausubstanz zu finden, sie reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück. Im 16. Jahrhundert wandelte sich die Burg zum Schloss, wenn auch der erste Eindruck von Westen her anderes vermuten lässt. Dort empfängt das Torhaus die Besucherinnen und Besucher. Sein Bruchsteinmauerwerk ist unverputzt, der Tordurchgang rund. Er wird von Schießscharten flankiert, über dem Tor ragt eine Pechnase hervor – ein kleiner Erker mit Öffnungen nach unten, der an Burgen die Verteidigung von oben ermöglichte. Rundum mittelalterlich mutet der kleine Anbau an, allerdings entstand er erst im 20. Jahrhundert.   

Torhaus und Burgbrücke auf dem Oberschloss Kranichfeld, Historische Porstkarte, Bildarchiv STSG

Auch eine kleine Burgbrücke, die den Graben von der Vorburg zur Kernburg überspannt, trägt zur mittelalterlichen Anmutung des Torhauses bei. Wie der Bau selbst, entstand sie 1906 und geht auf die Feder des auf den Burgenhistorismus spezialisierten Architekten Bodo Ebhardt zurück. Er legte die Brücke zweiteilig an, der größere Teil war aus Holz und feststehend, der kleinere Teil war wie eine Zugbrücke mit Ketten und Fallgatter gestaltet. Ab den 1960er Jahren wurde die Brücke mehrfach erneuert. Seit dem vergangenen Jahr hält sie die Fachleute wieder auf Trab. Da die letzte Brückenkonstruktion marode war, muss sie ersetzt werden.

Einbau der neuen Burgbrücke nach historischem Vorbild 2025,
Foto: STSG, Anke Pennekamp

Die neue Brücke folgt in der Gestaltung der Brückenidee von Ebhardt, als technisches Bauwerk muss sie sich aber auch heutigen DIN-Normen stellen. „Das Vorbild von 1906 mit den modernen Anforderungen an eine Brücke, den heutigen Richtlinien und Vorschriften auf einen Nenner zu bringen, gehörte zu den Herausforderungen bei diesem Projekt“, erklärt STSG-Baureferentin Carolin Schart.

Zwei sieben Meter lange Holzträger geben der neuen Holzbrückenkonstruktion ihren Halt. Der kleinere an das Torhaus anschließende Zugbrückenteil wird in Stahl mit Schutzgittern und Stahlketten nachgebildet, bleibt aber feststehend. „An sich sieht die Brücke recht unspektakulär aus, aber der Teufel steckt im Detail. Wir haben vor allem die Zugbrücke so filigran wie möglich gestaltet, durften dabei aber natürlich auch die Tragfähigkeit nicht aus den Augen verlieren.“ erklärt Schart.

In Einzelteilen wurde die neue Brückenkonstruktion in der Werkstatt vorgefertigt. Um ein späteres Verwinden des Holzes zu verhindern, wurden die Eichenträger in der Trockenkammer gut durchgetrocknet.

Mitte Februar 2025 war es dann so weit, an einem kalten Wintertag rollten zehn Meter Brücke vor dem Tor des Oberschlosses an. Per Kran wurde die Brücke eingehoben. Zusätzliche Verstrebungen mit Auflagern an den Brückenpfeilern im Burggraben geben der Konstruktion zusätzlichen Halt. 

Das Oberschloss Kranichfeld besitzt eine bewegte Geschichte. Von der Burg zum Renaissanceschloss im Laufe der Zeit gewandelt, brannte das Schloss 1934 zu einer Ruine aus. In der Folge sollte unter den Nationalsozialisten eine SS-Führerschule dort eingerichtet werden, für die Bauarbeiten wurden Zwangsarbeiter aus dem nahe gelegenen Konzentrationslager Buchenwald eingesetzt. Später wurden die Umbauarbeiten eingestellt. In den 1980er Jahren gründete sich eine Interessengemeinschaft aus ehrenamtlich Engagierten, die sich für den Erhalt der Anlage einsetzte.

Eine neue Dauerausstellung ab Sommer 2025 nimmt die Burg- und Schlossgeschichte in den Blick. Dann können die Besucherinnen und Besucher auch über die neue Brücke schreiten, bis zur Ausstellungseröffnung bleibt das Oberschloss noch geschlossen.

Anke Pennekamp

Tapetenkunst auf Schloss Altenstein

Mit dem Stechbeitel zum Prägemodel

BaugeschehenDenkmalpflegeSonderinvestitionsprogramm I
Auf der Werkbank setzt der Bildschnitzer den Beitel an. Langsam schälen sich Blätter und Blüten aus dem Holz. Eine Reliefplatte entsteht. Sie bildet den Anfang für ein besonderes Restaurierungsprojekt, das seine Wirkung an den Wänden des Festsaals von Schloss Altenstein entfalten wird.

Im richtigen Maß, nicht zu hoch, nicht zu tief muss das Relief stehen. Das Holz wurde gut durchgetrocknet, nichts darf sich später verziehen. Was der Bildschnitzer hier schafft, kann kein Druck- oder Fräsverfahren ersetzen, die individuelle Formensprache würde fehlen, die Kanten wären zu weich. Die kunstvolle Schnitzarbeit wird dann, wie noch ein paar weitere Reliefs, auf eine Holzplatte aufgebracht und dient als Holzmodell zum Abguss einer Positiv- und Negativplatte. Prägemodel werden so geschaffen. Mit ihnen werden wiederum in einem mehrstufigen Verfahren in einer anderen Werkstatt Tapetenbahnen geprägt. Sie sollen später die Wände des Festsaals und des Treppenhauses von Schloss Altenstein wieder zieren.

Das Sommerschloss auf dem Altenstein war Nebenresidenz der Herzöge von Sachsen-Meiningen. Herzog Georg II. ließ es Ende des 19. Jahrhunderts umfangreich umbauen und neu ausstatten. Was die restaurierten Schlossfassaden von außen heute nicht erahnen lassen: das Innere des Schlosses befindet sich im Rohbau. 1982 brannte die Sommerresidenz aus, nur wenige Stücke der Innenausstattung konnten den Flammen trotzen. Dank des von Bund und Land geförderten Sonderinvestitionsprogramms I kann die Innensanierung des Schlosses jetzt abgeschlossen werden.

Inspiriert wurde der historistische Schlossbau durch englische Einflüsse. Nicht nur die äußere Schlossgestalt mit den markanten bow windows und geschweiften Knickgiebeln ist von Landsitzen in der Nähe Londons wie Hatfield House und Knole beeinflusst. Auch die Innenausstattung lässt englische Bezüge erkennen. So wies das Treppenhaus mit detailreich geschmücktem Geländer, Balustern und musizierenden Figuren große Ähnlichkeit zu den Grand Staircase in Hatfield House auf. Belichtet wurde es durch ein mehrteiliges großes Bleiglasfenster. Die Wände wiederum waren von Tapeten mit filigranen floralen Motiven geschmückt. 

Auch der Festsaal des Schlosses, der über zwei Geschosse reichte, war von Tapeten geziert. Über den Wandvertäfelungen zogen sich die Bahnen mit großen goldenen floralen Motiven bis zur Kassettendecke hinauf. Wie restauratorische Untersuchungen zeigten, bestanden die Bahnen aus Leinwand und waren mit einer Papierlage hinterlegt. Zusammen wurden die beiden Schichten geprägt. Optisch imitierten sie Ledertapeten. Das Musterrelief entstand durch eine Walzenprägung. Die Blüten und Blätter wurden durch eine dünne Schicht Messing betont und hoben sich vor einem Grund in sattem Rot dadurch noch einmal mehr ab.  

Ein Fragment der Tapete des Festsaals hat sich auf dem Einband eines alten Fotoalbums erhalten, Foto: STSG, Gydha Metzner

Die Restauratoren gingen auch der Herkunft der Tapeten auf die Spur. Sie wurden einst in Schottland bei der Firma Scott Morton & Tynecastle Tapestries produziert. In den alten Musterbüchern des Unternehmens finden sich noch heute auch die Prägemuster vom Altenstein.

Im Zuge der Sanierung werden im Schloss Altenstein der Festsaal und Teile des Treppenhauses nach historischem Vorbild wiederhergestellt, dabei kehren auch die historischen Tapetenmuster an die Wände zurück. In der Restauratorenwerkstatt lebt dafür ein Stück alte Handwerkskunst wieder auf.  

Anke Pennekamp

Untersuchungen für die Sanierungsplanung auf Schloss Sondershausen

Vom Suchschnitt bis zum Georadar

BaugeschehenDenkmalpflegeSonderinvestitionsprogramm I
Schloss Sondershausen ist ein Schwergewicht und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Das macht sich auch beim Bauen bemerkbar. An über 100 Stellen mussten Experten nachschauen, um dem Bauwerk und seinen Schäden auf die Schliche zu kommen.

Rund 700 Jahre gewachsene Schlossgeschichte stecken im Sondershäuser Residenzbau. Allein der Ostflügel besitzt acht Stockwerke vom Keller bis zum Dach. Rund 7500 Quadratmeter Geschossfläche ballen sich allein in den alten Flügeln. Hinzu kommen hunderte Fenster und ein rund 40 Meter hoher Schlossturm, die das Schloss unter einem Dach vereint. 

Schloss Sondershausen, Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Groß ist auch das Vorhaben, das die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten auf Schloss Sondershausen vorbereitet, wie könnte es anders sein. Gemeint sind statische Sicherungsmaßnahmen an den ältesten Flügeln. Am Alten Nordflügel mit dem Schlossturm und dem Ost- und Südflügel muss die Konstruktion gesichert und verstärkt werden, außerdem ist ein erster Sanierungsabschnitt am Dach geplant. Ein nicht nur aufgrund der Schlossdimensionen großes Unterfangen – komplexe Schäden am ineinander verschachtelten Bau, die miteinander in Wechselwirkungen stehen, machen es schon in der Planung zu einem Großprojekt.

Umbauten über die Jahrhunderte, Aufstockungen, neue Nutzungen mit neuen Lasten und natürlich das Alter haben an konstruktiven Verbindungen, Balken, Sparren, Mauern und wertvollen Raumfassungen gezehrt. Hinzu kommen starke Setzungen im Boden durch den früheren Bergbau in der Region. Seit dem 19. Jahrhundert werden in Sondershausen Kalisalze abgebaut. Alles zusammen hat zu Verschiebungen im Baugefüge des Schlosses geführt. Mit den Sanierungsmaßnahmen im Sonderinvestitionsprogramm I (SIP I) sollen die Alten Flügel wieder auf feste Füße gestellt werden.

Vom Aufmaß bis zur Lastflussberechnung

Ein durch die STSG zusammengestelltes Planungsteam mit verschiedenen Experten von Architekten über Statiker bis zu Bauforschern und Restauratoren bereitet derzeit das Konzept für die Sanierung vor. Aufgrund der schwierigen Baugrundverhältnisse sind auch Geologen mit von der Partie.

In den letzten zwei Jahren fanden dafür vom Keller bis zum Dach umfangreiche Untersuchungen statt – Aufmaße, dendrochronologische Holzuntersuchungen, Georadarmessungen und vieles mehr. Jeder Sparren im Sanierungsbereich wurde vermessen, die Schäden im statisch-konstruktiven System wurden analysiert und genau kartiert und Spezialisten vollzogen den Lastfluss vom First bis zum Kellergewölbe nach, spürten sogar Hohlräumen mit Radar im dicksten Pfeiler nach.

Das Planungsteam bei der Beratung in einem der Kellergewölbe und den alten Flügeln von Schloss Sondershausen, Foto: STSG, Jana Lorenz

Expertenblick durchs Schlüsselloch

Unerlässlich sind für die Experten auch Gucklöcher in die Baugeschichte – Bauteilöffnungen. Um Deckenaufbauten zu untersuchen und Zustände von konstruktiven Knotenpunkten stichprobenartig zu prüfen, ist der Blick unter Parkett und hinter Raumschmuck wichtiges Hilfsmittel. Über 100 Bauteilfreilegungen ermöglichten den Fachplanern auf Schloss Sondershausen, ein genaueres Bild über die komplexen Schäden und die vielschichtige Umnutzungs- und Baugeschichte zu gewinnen. Einige weitere Bauteilfreilegungen werden noch folgen. Denn auch für die Planung der statischen Sicherungen sind Sondierungen wichtig, um unter anderem Anbindepunkte und Auflager zu prüfen und auch nutzbare Hohlräume in der historischen Baukonstruktion aufzuspüren. Die Erkenntnisse sind für die Planung der zukünftigen Verstärkungen und vor den Augen verborgene Ertüchtigungen des Tragwerks unerlässlich.    

Bauteilöffnung im Sanierungsbereich auf Schloss Sondershausen, Foto: STSG, Anke Pennekamp

2026 sollen die Bauarbeiten im Rahmen der Sanierungsmaßnahmen an den alten Flügeln des Residenzschlosses starten. Gerade arbeitet das Planungsteam an den Konstruktionsdetails.  

Anke Pennekamp

Schloss Schwarzburg

Schlossgeschichte neu erschlossen

BaugeschehenDenkmalpflegeSonderinvestitionsprogramm IVermittlung
Kein Olymp mit auf Wolken gebetteten Göttern, keine vergoldeten Putti Hand in Hand und auch keine ornamentreichen Seidenbespannungen an den Wänden. Schloss Schwarzburg ist die Stammburg der Grafen und Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt und wurde im 18. Jahrhundert umfangreich ausgebaut. Beim Besuch des Hauptgebäudes wird jedoch schnell klar: das Sommerschloss im Schwarzatal ist kein gewöhnliches Barockschloss.

 

In den 1940er Jahren wurde unter den Nationalsozialisten mit dem Umbau von Schloss Schwarzburg zum Reichsgästehaus begonnen. Das Hauptgebäude wurde entkernt, Wandmalereien und Stuckdecken wurden zerstört, Wände herausgerissen und ganze Schlossflügel abgetragen. Kleine Teile der ehemaligen Pracht sind noch erhalten, denn die Umbauarbeiten wurden 1942 eingestellt. Das Schloss blieb als Bauruine zurück.

Schloss Schwarzburg, Hauptgebäude, Foto: STSG, André Kranert

Die Nationalsozialisten wollten eigentlich weiterbauen, dazu kam es allerdings nie. Die Spuren der bewegten Schlossgeschichte blieben erhalten. Nach knapp 80 Jahren als Bauruine ist das Hauptgebäude heute teilsaniert. Im Zuge der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen konnten zwischen 2019 und 2021 die ersten beiden Räume im Inneren wieder nutzbar und zugänglich gemacht werden.

Im Sonderinvestitionsprogramm I (SIP I) stehen jetzt zwei weitere wichtige Ausbauschritte im Hauptgebäude an. Im 2019 neu errichteten nördlichen Gebäudeabschluss mit Treppenhaus wird ein Fahrstuhl eingebaut, damit die Schlossgeschichte für alle erschlossen werden kann. Im Erdgeschoss entsteht zudem ein neuer Empfangsbereich mit Garderobe und Sanitäranlagen.

Wenn sie auch auf den ersten Blick unscheinbar wirken, werden mit den Baumaßnahmen im SIP I zwei wichtige Schritte für die Nutzung von Schloss Schwarzburg getan. Denn auch in Sachen Vermittlung tut sich dort einiges. 2024 gaben sich im Hauptgebäude rund 350 Schülerinnen und Schüler die Klinke in die Hand und konnten im Rahmen von Führungen, Workshops, Ferienfreizeiten und mit einer digitalen Schnitzeljagd, einem Actionbound, die Geschichte des  Schlosses entdecken oder an Demokratiebildungsangeboten teilnehmen.

Im Kontext des Vermittlungs- und Digitalisierungsprojekts SchlösserWelt Digital&Original wird das Hauptgebäude seit 2022 durch die STSG zum außerschulischen Lernort entwickelt. Durch das Testen und Evaluieren der Lernangebote können die Schülerinnen und Schüler auch selbst an der Weiterentwicklung des Lernortes mitwirken. Darüber hinaus organisiert der Lernort Weiterbildungen für Lehrkräfte durch ausgewiesene Expertinnen und Experten, in denen Themen der deutschen Geschichte in ihren regionalgeschichtlichen Auswirkungen dargestellt und diskutiert werden.

Die neuen Vermittlungs- und baulichen Erschließungsprojekte werden durch Mittel von Bund und Land ermöglicht. Die große Resonanz bereits in den vergangenen Jahren zeigt beispielhaft, dass Bauwerke vielschichtige und anregende Zeitzeugnisse und besondere historische Quellen für den außerschulischen Unterricht sein können.

Anke Pennekamp

Der außerschulische Lernort Schloss Schwarzburg bleibt auch 2025 zugänglich, trotz Bauarbeiten

Kontakt für Schulen und Interessierte: lernort@thueringeschloesser.de