Tapetenkunst auf Schloss Altenstein

Mit dem Stechbeitel zum Prägemodel

BaugeschehenDenkmalpflegeSonderinvestitionsprogramm I
Auf der Werkbank setzt der Bildschnitzer den Beitel an. Langsam schälen sich Blätter und Blüten aus dem Holz. Eine Reliefplatte entsteht. Sie bildet den Anfang für ein besonderes Restaurierungsprojekt, das seine Wirkung an den Wänden des Festsaals von Schloss Altenstein entfalten wird.

Im richtigen Maß, nicht zu hoch, nicht zu tief muss das Relief stehen. Das Holz wurde gut durchgetrocknet, nichts darf sich später verziehen. Was der Bildschnitzer hier schafft, kann kein Druck- oder Fräsverfahren ersetzen, die individuelle Formensprache würde fehlen, die Kanten wären zu weich. Die kunstvolle Schnitzarbeit wird dann, wie noch ein paar weitere Reliefs, auf eine Holzplatte aufgebracht und dient als Holzmodell zum Abguss einer Positiv- und Negativplatte. Prägemodel werden so geschaffen. Mit ihnen werden wiederum in einem mehrstufigen Verfahren in einer anderen Werkstatt Tapetenbahnen geprägt. Sie sollen später die Wände des Festsaals und des Treppenhauses von Schloss Altenstein wieder zieren.

Das Sommerschloss auf dem Altenstein war Nebenresidenz der Herzöge von Sachsen-Meiningen. Herzog Georg II. ließ es Ende des 19. Jahrhunderts umfangreich umbauen und neu ausstatten. Was die restaurierten Schlossfassaden von außen heute nicht erahnen lassen: das Innere des Schlosses befindet sich im Rohbau. 1982 brannte die Sommerresidenz aus, nur wenige Stücke der Innenausstattung konnten den Flammen trotzen. Dank des von Bund und Land geförderten Sonderinvestitionsprogramms I kann die Innensanierung des Schlosses jetzt abgeschlossen werden.

Inspiriert wurde der historistische Schlossbau durch englische Einflüsse. Nicht nur die äußere Schlossgestalt mit den markanten bow windows und geschweiften Knickgiebeln ist von Landsitzen in der Nähe Londons wie Hatfield House und Knole beeinflusst. Auch die Innenausstattung lässt englische Bezüge erkennen. So wies das Treppenhaus mit detailreich geschmücktem Geländer, Balustern und musizierenden Figuren große Ähnlichkeit zu den Grand Staircase in Hatfield House auf. Belichtet wurde es durch ein mehrteiliges großes Bleiglasfenster. Die Wände wiederum waren von Tapeten mit filigranen floralen Motiven geschmückt. 

Auch der Festsaal des Schlosses, der über zwei Geschosse reichte, war von Tapeten geziert. Über den Wandvertäfelungen zogen sich die Bahnen mit großen goldenen floralen Motiven bis zur Kassettendecke hinauf. Wie restauratorische Untersuchungen zeigten, bestanden die Bahnen aus Leinwand und waren mit einer Papierlage hinterlegt. Zusammen wurden die beiden Schichten geprägt. Optisch imitierten sie Ledertapeten. Das Musterrelief entstand durch eine Walzenprägung. Die Blüten und Blätter wurden durch eine dünne Schicht Messing betont und hoben sich vor einem Grund in sattem Rot dadurch noch einmal mehr ab.  

Ein Fragment der Tapete des Festsaals hat sich auf dem Einband eines alten Fotoalbums erhalten, Foto: STSG, Gydha Metzner

Die Restauratoren gingen auch der Herkunft der Tapeten auf die Spur. Sie wurden einst in Schottland bei der Firma Scott Morton & Tynecastle Tapestries produziert. In den alten Musterbüchern des Unternehmens finden sich noch heute auch die Prägemuster vom Altenstein.

Im Zuge der Sanierung werden im Schloss Altenstein der Festsaal und Teile des Treppenhauses nach historischem Vorbild wiederhergestellt, dabei kehren auch die historischen Tapetenmuster an die Wände zurück. In der Restauratorenwerkstatt lebt dafür ein Stück alte Handwerkskunst wieder auf.  

Anke Pennekamp


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