Sogar entspannte Stunden waren beim Theaterherzog inszeniert. Im Hof der Veste Heldburg schuf sich Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen Ende des 19. Jahrhunderts ein besonders lauschiges Plätzchen.
Ganz der Ideenwelt des kunstverständigen Landesherrn entsprechend, kam bei der Gestaltung des Rückzugsorts an frischer Luft auch die Theatralik nicht zu kurz. Unter einer monumentalen Szene, die den Heiligen Georg im Kampf mit dessen Erzfeind – dem Drachen – zeigt, entstand am Kommandantenbau eine kleine Laube.
Seit dem 19. Jahrhundert wird der Kommandantenbau von einer monumentalen Wandmalerei geschmückt, die den Heiligen Georg mit dem Drachen zeigt. Auftraggeber war Herzog Georg II., eine wahrscheinlich nicht ganz zufällige Namensparallele.
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn
Die Holzkonstruktion der überdachten Veranda mit Brüstung wird von verzierten Säulen und Kleeblattbögen geschmückt. Vermutlich entstand sie ungefähr gleichzeitig mit der darüberliegenden imposanten Wandmalerei vom Bremer Maler Arthur Fitger. Die Malerei zeigt den Heiligen Georg in voller Rüstung sitzend auf einem Pferd, in der Hand den langen Speer, mit dem er gerade den am Boden liegenden Drachen ersticht. Das Dach der Laube setzt im gemalten Felsen unterhalb des Drachens an. Der Namensbezug des dargestellten Heiligen zum Auftraggeber war sicher kein Zufall. Auch in der Laube verwiesen an der rot hervorgehobenen Rückwand gemalte Initialen auf Herzog Georg II. Das Erscheinungsbild der Veranda hat sich im Laufe der Zeit allerdings gewandelt. Die rote Rückwand war zeitweise übermalt, damit ging auch der Verlust des herzoglichen Monogramms einher.
Veste Heldburg, Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn
1826 war die Veste Heldburg in den Besitz der Herzöge von Sachsen-Meiningen gekommen. Georg II. ließ ab 1875 die Fränkische Leuchte – die jahrhundertelang zuvor wichtige Bedeutung als Grenzposten mit der Möglichkeit zu Feuersignalen hatte – zum romantischen Bergschloss im Geschmack des Historismus umwandeln. Mauern wurden mit Zinnen und Türme mit neuen Hauben versehen. Im Französischen Bau und im Kommandantenbau entstanden Räume mit Formen aus Gotik und Renaissance. Im Rahmen dieses historistischen Projekts ließ der Herzog auch die Ostfassade des Kommandantenbaus mit Wandmalerei und neuer Laube ausgestalten. Schon zuvor hatte es hier eine schlichtere Laube gegeben.
Die Geschichte der Veste Heldburg reicht bis in das Mittelalter zurück. Über die Zeit wandelte sie sich von einer mittelalterlichen Verteidigungsanlage zum Bergschloss. Zuletzt war sie Nebenresidenz der Herzöge von Sachsen-Meiningen. Seit 1994 gehört die Veste zum Bestand der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. Heute hat das Deutsche Burgenmuseum hier seinen Sitz.
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn
Heute sind es die Restauratoren, die ein wachsames Auge auf die Inszenierung haben. In den 1990er Jahren wurde die monumentale Fassadenmalerei in den Grundfarben wiederhergestellt und die Laube samt Neueindeckung des Dachs instandgesetzt. Zuletzt haben die Experten 2021 Hand angelegt. So bleibt die über wenige Stufen erreichbare Veranda ein feines Plätzchen für eine herzogliche Verschnaufpause an der frischen Luft im Burghof der Veste.
Anke Pennekamp
11. September 2024
Läutprobe im Turm von Schloss Heidecksburg
Dynamische Untersuchungen
BaugeschehenDenkmalpflegeKulturgeschichteSonderinvestitionsprogramm I
Ob zu besonderen Anlässen der alte Schwung in den Schlossturm zurückkehren kann, dazu wurden jetzt besonders klangvolle Untersuchungen auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt angestellt.
An einem warmen Spätsommertag Anfang September erklimmen um viertel vor neun sieben Glöckner, zwei Statiker und weitere Bauexperten, den Turm von Schloss Heidecksburg. Ein dynamisches Gutachten soll die Auswirkungen der Schwingung der drei historischen Schlossglocken auf die Statik des Schlossturms untersuchen. Ein besonderer Moment – Jahrzehnte standen die Glocken zuvor still. Im Sonderinvestitionsprogramm I soll im Rahmen der Dachsanierung am West- und Nordflügel von Schloss Heidecksburg auch der Turm saniert werden. Ob nach der Sanierung zu besonderen Anlässen die Glocken wieder geläutet werden könnten, sollen die Untersuchungen zeigen.
Glockenstuhl im Schlossturm von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt, Foto: STSG, Uta Kolano
Der 44 Meter hohe Schlossturm von Schloss Heidecksburg stammt aus dem 18. Jahrhundert. Nach einem großen Schlossbrand 1735 bei dem Nord- und Westflügel zu großen Teilen zerstört wurden, war er neu errichtet worden. Der Entwurf und die Konstruktion der Turmhaube stammen aus der Feder des damaligen Stararchitekten Gottfried Heinrich Krohne, der auch mit der Innenausstattung des Westflügels betraut worden war. Im Turmschaft sind noch heute drei historische Glocken zu finden, die 1770 in der Residenzstadt Rudolstadt gegossen wurden. Auch der Glockenstuhl stammt noch aus dem 18. Jahrhundert.
Schlossturm von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt
Bei den vorbereitenden Untersuchungen im Rahmen der Dachsanierung am West- und Nordflügel im Sonderinvestitionsprogramm I wurden auch am Turm Schäden festgestellt. Durch Höhenarbeiter am Kletterseil wurden Ende 2023 im Rahmen von Notsicherungen bereits lose Gesteins- und Mörtelteile abgenommen. Abschließend wurde der Turmschaft mit Netzen umspannt. Nach der Turmsanierung werden die Netze wieder entfernt. Für das Sanierungskonzept wird der Turm nun genau unter die Lupe genommen, dazu gehörte auch die Läutprobe.
Foto: STSG, Carolin Schart
Nach den letzten Metern über knarzige Holzstufen erreicht das Expertenteam das Glockengeschoss des Turms. Um Punkt neun Uhr wird die erste kleinere Glocke mit Muskelkraft per Seil in Schwingung versetzt. Die große Glocke und das kleinere Pendant folgen. Parallel gehen die Statiker ans Werk. Im Inneren des Turms messen sie die Auswirkungen der Glockenschwingungen auf das Mauerwerk. Die Messergebnisse werden in einem dynamischen Gutachten zusammengeführt. Rund 10 Minuten lassen die sieben Männer die Glocken erklingen. Durch die Schallluken des Turms ist das Geläut aus dem 18. Jahrhundert früher wie heute an diesem Tag bis in der Stadt zu hören.
Wie damals werden die drei Glocken im Turm von Schloss Heidecksburg noch heute über Muskelkraft in Gang gesetzt. Dafür gab es Trittstufen und Seile.
Foto: STSG, Uta Kolano
Wann und wie einst geläutet wurde, hielt die Läutordnung fest. Neben den Glocken ist noch heute die gerahmte „Nachricht Wie das Läuten bey hof zuverrichten“ im Glockenstuhl nachzulesen. Auch in welcher Reihenfolge welche Glocke zu läuten waren, hält diese fest – ob nur eine, die große oder die kleine, alle drei oder nur die kleinen. Sonntags und Festtags, „bey wochen Kirchen“ und weiteren Gelegenheiten wurden die Glocken einst geläutet.
Anke Pennekamp
Läutordnung im Turm von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt, Foto: STSG, Carolin Schart
Das Läuten übernahm der Türmer mit eigener Stube über dem Glockengeschoss. Auch nach Bränden hielt er Ausschau.
Foto: STSG, Anke Pennekamp
02. September 2024
Kloster Georgenthal
Famo(o)ses Engagement
AllgemeinDenkmalpflegeKulturgeschichte
Anfang Juli flattert eine E-Mail bei der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt ins elektronische Postfach ein - darin ein so ungewöhnlicher wie famoser Vorschlag. Wenige Wochen später kommen an einem sonnigen Samstag am vorletzten Augustwochenende dutzende ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zwischen den romantischen Ruinen des ehemaligen Zisterzienserklosters Georgenthal zusammen – sie wollen mit anpacken.
Unter Anleitung der STSG-Restauratorin Gydha Metzner befreien an diesem Wochenende 26 Freiwillige die Säulenstümpfe, Basen, Postamente und Mauerfragmente der ehemaligen Klosterkirche Georgenthal unter dem vom Sommerwind bewegten Blätterdach alter Bäume von Moos und anderem Bewuchs.
Horst Jaeckel, ehemaliger Bürgermeister von Georgenthal, hatte sich mit tatkräftiger Initiative an die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten gewandt und viele Freiwillige zusammengetrommelt. Mit dabei waren Mitglieder des Partnerschaftsvereins Georgenthal-Confolens e.V., der Wählergemeinschaft Bürger für die Landgemeinde Georgenthal und des Georgenthaler Wandervereins, weitere Georgenthaler und Georgenthalerinnen sowie der Bürgermeister der Landgemeinde Georgenthal und der Ortschaftsbürgermeister von Georgenthal. Und auch Mitarbeiter des gemeindlichen Bauhofes unterstützten.
Reinigungsaktion unter restauratoischer Anleitung in der Klosterkirchenruine Georgenthal, Foto: STSG, Gydha Metzner
Kloster Georgenthal am Nordrand des Thüringer Waldes war einst ein reiches Zisterzienserkloster, dessen Mönche aus dem französischen Mutterkloster Morimond in den Thüringer Wald kamen. Als Familienkloster der Grafen von Käfernburg und Schwarzburg im 12. Jahrhundert durch Graf Sizzo III. gegründet, erlebte das Kloster im 14. und 16. Jahrhundert Blütezeiten mit wachsenden Besitzungen. Die Klosterkirche maß rund 20 mal 70 Meter und war einst eine imposante dreischiffige Basilika, die der Klosterkirche Paulinzella ähnelte. An die Abteikirche schloss südlich der Kreuzgang an. Auch ein Kalefaktorium (eine beheizbare Wärmestube), ein Refektorium (der Speisesaal), ein Abtshaus und ein Laienbrüderhaus gehörten zur Klosteranlage, die allesamt mit der Zeit jedoch verloren gingen.
Kloster Georgenthal, Foto: STSG, Constantin Beyer
Das markante Kornhaus mit einem Steinrosettenfenster geht vermutlich auf das ehemalige Spital zurück, das später zum Speicher umgebaut wurde.
Foto: STSG, Constantin Beyer
Im Zuge der Bauernkriege 1525 wurde das Kloster geplündert und zerstört. Die Mönche flohen und das Kloster wurde säkularisiert. Die Klostergüter und umliegenden Dörfer wurden in ein Amt des Herzogtums Sachsen-Gotha überführt. Die Klosterkirche und Klostergebäude konnten einem Schicksal als Steinbruch nicht entgehen. Letztlich fast vergessen, schlummerten die Grundmauern und Säulenstümpfe der Klosterkirche im Boden verborgen, bis sie 1852 durch Zufall wiederentdeckt wurden. Im 19. Und 20. Jahrhundert legten Ausgrabungen die Fragmente der Klosterkirche frei.
Die Ruine übt bis heute einen großen Reiz aus. Das freundlich zupackende Engagement vieler Helfer ohne viel Aufhebens an einem schönen Sommertag im August zeigt eine tiefe Verbundenheit mit den geschichtsträchtigen Ruinen eines geheimnisvollen und bedeutenden Ortes.
Während die Sphinx aufmerksam am Kanal wacht und Götterbote Hermes lässig am Baumstamm lehnt, hebt einige Meter entfernt ein Adler mit angewinkelten Schwingen vom Boden ab. Der Schlosspark Molsdorf wartet mit einem reichen Schatz mythologisch aufgeladenen Skulpturenschmucks auf. Beim Flanieren durch den Park können Besucherinnen und Besucher viele von ihnen entdecken, andere warten im Verborgenen auf ihre Restaurierung – wie der Adler, der aus Platzgründen jetzt in ein anderes Übergangsdepot umgezogen ist.
An einem sonnigen Tag Anfang August 2024 ist es so weit, 700 Kilogramm Adler schweben in der Luft. Zwei Adler, zwei Putti mit Widder und ein paar Postamente ziehen um, eine Spezialfirma ist extra mit Kran angerückt, denn die Sandsteinfiguren und Sockel wiegen bis zu einer Tonne. Gut verwahrt, werden die Barockskulpturen am neuen Standort auf ihre Restaurierung warten.
Schlosspark Molsdorf mit Skulpturenaussattung, Foto: STSG, Gydha Metzner
Gartenschätze aus dem 18. Jahrhundert
Dutzende von Sandsteinfiguren von der rätselvollen Sphinx, halb Löwe halb Frau, über Wassernixen am Wegesrand bis zur überlebensgroßen Götterfigur schmückten einst den Schlosspark Molsdorf. Im 18. Jahrhundert prägte der Diplomat und Jurist Gustav Adolf Graf von Gotter die Gestalt des Barockschlosses samt Gartenanlage. Rund 15 Jahre befand sich das Ensemble in seinem Besitz. Wie zur damaligen Zeit üblich, ließ Gotter den Schlossgarten auf das Schloss ausrichten. Der Barockgarten wurde von geraden Achsen und Wasserspielen – darunter Brunnen, ein System aus Kanälen und eine Kaskade – geprägt. Über 100 Skulpturen zierten die Gartenanlage einst, wie ein Inventar von 1765 belegt.
Im 18. Jahrhundert wandelte sich die frühere Wasserburg in Molsdorf zum Barockschloss samt Schlossgarten. Schloss und Garten standen in enger Beziehung zueinander, was auch in der Schlossausstattung unter Graf Gotter seinen Ausdruck fand. So wurde die Hauptfassade auf den Garten ausgerichtet, im Erdgeschoss des Schlosses entstanden Gartensäle und auch in den Deckengemälden im Schloss begegnet dem aufmerksamen Flaneur immer wieder die Göttin Flora.
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn
In einem Lapidarium östlich des Schlosses tummeln sich seit einigen Jahren Putti, kunstvolle Steinvasen auf Postamenten und Löwen. Sie gehören zur ehemaligen Ausstattung des Barockgartens.
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn
Gartenkunstwerk im Wandel
Im 19. Jahrhundert wurde der Schlossgarten landschaftlich überformt. Die Wege waren nicht mehr schnurgerade, sondern geschwungen. Auch der große Parksee wurde zu dieser Zeit angelegt und neue Gehölze wurden gepflanzt. Viele der Skulpturen gingen nach und nach verloren oder wurden zerstört. Dass noch heute Elemente des Barockgartens am Landschaftspark ablesbar sind, gehört zu den Besonderheiten des Schlossparks Molsdorf. Die symmetrische Rasenfläche in der Hauptachse geht auf das barocke Parterre zurück. Und auch der abgestufte Verlauf der Kaskade – eine Wassertreppe am Westhang – ist noch erkennbar. Auch einige der Gartenskulpturen schmücken noch den Schlosspark. Die beiden Adler, die jetzt umgezogen sind, zierten einst die Pfeiler des Westtores zum Park, auch Adlertor genannt.
Flussgott im Schlosspark Molsdorf vor der restauratorischen Pflege, Foto: Dipl. Rest. Andrea Neid
Jährlich werden die im Schlosspark Wind und Wetter ausgesetzten Parkskulpturen gepflegt und dabei Laub, grober Schmutz und mikrobielle Beläge entfernt. Im Winter werden die Parkskulpturen zum Schutz vor der Witterung in Holzkästen eingehaust.
Flussgott nach restauratorischen Pflegemaßnahmen, Foto: Dipl. Rest. Andrea Neid
15. August 2024
Ringmauersanierung auf der Burg Weißensee
Archäologie an der Ringmauer
AllgemeinBaugeschehenDenkmalpflegeSonderinvestitionsprogramm I
Fünf unscheinbare Balkenlöcher und ein Maueransatz mit archäologischer Bedeutung.
Schützend umschließt sie die Burg Weißensee, bis zu sieben Meter hoch und zwei Meter dick ist das Mauerwerk der Ringmauer. Als Umfassungsmauer umgibt sie die Burganlage, die unter den Landgrafen von Thüringen im 12. Jahrhundert errichtet wurde, um Belagerungen und Angriffen zu trotzen und dem Burgplateau den notwendigen Halt zu geben. Eines ihrer Geheimnisse hat die Ringmauer jetzt bei den Bauarbeiten im Sonderinvestitionsprogramm I (SIP I) der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG) preisgegeben.
Burg Weißensee, Foto: STSG, Ralf Nikolai
Der Witterung ungeschützt ausgesetzt, haben Lasten, Wind und Wetter an der Ringmauer gezehrt. Die wehrhafte Burgmauer bedarf dringend einer statischen Kur, die Neigung und Wölbung der Mauer ist deutlich erkennbar. In zwei früheren Bauabschnitten konnten bereits große Teile der Umfassungsmauern im nordöstlichen Bereich gesichert werden. Im SIP I wird nun die Sanierung mit einem nordwestlichen Teilabschnitt fortgeführt. Ganze 600 Quadratmeter Mauerwerk werden dabei von innen und außen saniert. Im Juni 2024 begannen die Natursteinarbeiten – die jetzt auch die Archäologen auf den Plan riefen.
Die Mauerwerkssanierung auf der Burg Weißensee ist in vollem Gang.
Foto: STSG, Anke Pennekamp
Bei der Ringmauersanierung auf der Burg Weißensee traten bei Schachtungen spannende historische Bauzeugnisse ans Licht.
Foto: STSG, Tino Trautmann
Im Rahmen der Sanierung wird auch ein zweiter Flucht- und Rettungsweg geschaffen. Dafür wird eine baufällige Treppenanlage aus dem 19. Jahrhundert mit Ausgang zum Burggraben erneuert. Bei den Schachtungen dafür kamen Spuren eines ehemals an die Ringmauer angebauten Gebäudes zum Vorschein. Das war Anlass für genauere Untersuchungen. Beim Freilegen der Innenseite des betreffenden Bereichs wurden auffällige Öffnungen an der Mauer entdeckt. Die hinzugezogenen Archäologen des Thüringischen Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie dokumentierten daraufhin Werksteine mit Ritzfugen, Balkenlöcher und einen zusätzlichen Maueransatz.
Weiter östlich wurde außerdem in der Ringmauer noch ein neuzeitlicher Schacht aus dem 19. Jahrhundert entdeckt, der später verfüllt wurde. Unter dem Füllmaterial wurde auch ein Gewändestein mit Rundbogenprofil entdeckt.
Die Spuren deuten auf ein Gebäude der für die Burg Weißensee üblichen Randhausbebauung hin. Die erkennbaren Merkmale – Öffnungen für sehr mächtige Balken, dicke steinerne Mauern – deuten auf einen durchaus bedeutenden Zweck des früher an dieser Stelle stehenden Gebäudes hin. Welchem Zweck er auch immer diente, um einen einfachen an die Mauer gelehnten Schuppen handelte es sich auf jeden Fall nicht.
Anke Pennekamp
Umbauten, Modernisierung, neue Moden – auch in historischen Burganlagen treten immer wieder die Spuren ihrer Bauherren und veränderter Zeitgeschmäcker ans Licht. Manchmal schlummern sie im Boden verborgen, ein anderes Mal in der Wand versteckt. Ein eindrückliches Beispiel dafür ist die schon vor längerer Zeit in einer Wand im ehemaligen Wohnbau der Burg entdeckte Astsäule, die zum romanischen Bauschmuck der Burg gehörte.
Astsäule auf der Burg Weißensee, Foto: STSG, Constantin Beyer
Schlössergeschichte im 20. Jahrhundert in den Blick zu nehmen, das hat sich die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlösserverwaltungen (AGDS) vorgenommen. Eine Tagung auf Schloss Schwarzburg ist der Auftakt einer ganzen Tagungsreihe der AGDS. Das Schloss mit seinen Zerstörungsspuren ist ein besonders anschauliches Beispiel für den Umgang mit Schlössern im Nationalsozialismus.
Getagt wird im Emporensaal im Hauptgebäude von Schloss Schwarzburg, mittendrin in einem Stück Schlossgeschichte aus den 1940er Jahren. Das Schloss ist Tagungsort, gleichzeitig aber auch einer der Ausgangspunkte für einige Aspekte der Tagung, die eine Bestandsaufnahme zur Geschichte von Schlössern im Nationalsozialismus mit internationaler Perspektive anhand von konkreten Beispielen zum Ziel hat.
Schloss Schwarzburg, 2022, Foto: IBA Thüringen, Thomas Müller
Anhand von Beispielen, die eine große Bandbreite des Umgangs mit Burgen und Schlössern repräsentieren, fragt die Tagung nach dem ideologischen und praktischen Zugriff auf Schlösser. Dabei geht es auch um die Rolle einzelner Personen, um bauliche Veränderungen, die Vereinnahmung für die NS-Repräsentation und nicht zuletzt um höfische Kulturdenkmale als Projektionsflächen für die Konstruktion von Geschichtsbildern.
Foto: IBA Thüringen, Thomas Müller
Schlossgeschichte mit Brüchen
Die Geschichte von Schloss Schwarzburg reicht bis ins Hochmittelalter zurück. In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts werden in einer Urkunde die Schwarzburg und ein Sizzo als Graf von Schwarzburg erwähnt. Aus der Stammburg wurde ein Schloss, das auch nach der Verlegung der Residenz nach Rudolstadt große Bedeutung behielt. Rund 800 Jahre nach der Ersterwähnung dankte mit dem Ende der Monarchie in Deutschland 1918 der letzte Schwarzburger Fürst, Günther Victor von Schwarzburg-Rudolstadt, ab. Teile des fürstlichen Vermögens samt Residenzschloss in Rudolstadt gingen an den Fiskus und an die neu gegründete Günther-Stiftung über, an Schloss Schwarzburg erhielt das abgedankte Fürstenpaar Nießbrauchrecht. Das Schloss, das über Jahrhunderte nur Nebenresidenz war, wurde zu ihrem Hauptwohnsitz. Das lebenslange Wohnrecht endete 1940. Günthers Witwe Anna Luise musste das Schloss innerhalb weniger Tage gegen eine finanzielle Entschädigung räumen. Die Nationalsozialisten planten, auf Schloss Schwarzburg den belgischen König zu internieren, wenig später ändern sich die Pläne. Das Schloss sollte zum Reichsgästehaus umgebaut werden. Anna Luise verließ am 13. Juni 1940 Schloss Schwarzburg und ging nach Sondershausen, Schloss Schwarzburg sollte sie nie wieder betreten.
Schloss Schwarzburg war Stammburg der Grafen von Schwarzburg. Später wurde die Burg zur Landesfestung und nach Schlossbränden sowie vor dem Hintergrund der Erhebung der Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt in den Reichsfürstenstand zum repräsentativen Barockschloss ausgebaut. Nach der Abdankung des letzten Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt unterzeichnete Reichspräsident Friedrich Ebert 1919 im gleichnamigen Ort, in Sichtweite zum Schloss, die Weimarer Verfassung. In den 1940er Jahren begann unter den Nationalsozialisten ein Schlossumbau zum Reichsgästehaus, der 1942 abrupt beendet wurde.
Foto: IBA Thüringen, Thomas Müller
1940 begannen die Bauarbeiten für den Umbau zum Reichsgästehaus. Die Bauleitung übernahm der Architekt Hermann Giesler. Das Torhaus und ganze Schlossflügel wurden abgerissen, das Hauptgebäude entkernt. Wände und Zwischenwände wurden herausgebrochen. Auch barocke Stuckdecken und wandfeste Innenausstattung mussten weichen. Selbst die Schlosskirche mit dem Erbbegräbnis der Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt wurde abgetragen und die Särge wurden fortgeschafft. Das Zeughaus mit der fürstlichen Schauwaffensammlung wurde beräumt und sollte zur Garage umfunktioniert werden. 1942 mussten die Bauarbeiten dann kriegsbedingt eingestellt werden, nach Notsicherungen blieb die Baustelle verlassen zurück. Die Nationalsozialisten planten, den Umbau fortzusetzen, dazu sollte es aber nie kommen. Das Hauptgebäude blieb knapp 80 Jahre lang eine Bauruine.
Seit 1994 gehört Schloss Schwarzburg zum Bestand der Stiftung Thüringer Schlösser Gärten. Zum Erhalt der Schlossanlage stieg die STSG in umfangreiche Sicherungsarbeiten ein. Zunächst mussten hunderte Meter Stützmauern saniert werden, die die Schlossanlage auf dem Bergsporn halten. 2009 bis 2018 konnte, unterstützt durch bürgerschaftliches Engagement und Fördermittel von Land und Bund, das Zeughaus saniert und wiedereröffnet werden. Seit 2018 präsentiert das Thüringer Landesmuseum Heideckbsurg im Zeughaus wieder die erhaltene fürstliche Schauwaffensammlung am originalen Ausstellungsort. Auch das in den 1940er Jahren für die Baufahrzeuge zuerst abgerissene Torhaus wurde bis 2018 wiedererrichtet. Am Hauptgebäude wird seit 2010 umfangreich gesichert. 2019 konnte ein neuer nördlicher Gebäudeabschluss mit Treppenhaus hergestellt werden. Seit 2021 sind die ersten Bereiche im Hauptgebäude wieder zugänglich.
Schloss Schwarzburg 2002, Foto: STSG, Ralf Kruse und Thomas Seidel
Das Schloss als Zeitzeugin
Lässt man den Blick durch den Emporensaal im Hauptgebäude von Schloss Schwarzburg streifen, ist noch deutlich zu erkennen, wo einst Zwischenwände und Decken anschlossen. Wie Striemen ziehen sich die Stellen mit frei liegenden Backsteinen und Schieferplatten über die beiden Geschosse des Saals. Sein heutiges Raumvolumen erlangte der Emporensaal durch die Entkernung in den 1940er Jahren. Acht Schlossräume auf zwei Etagen lagen hier einst. Die namengebende Empore kam beim Teilausbau des Hauptgebäudes im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Thüringen erst vor wenigen Jahren hinzu, gleich einem Ringanker schnürt sie Außenwand und Innenwände heute wieder zusammen. An der Decke des Emporensaals sind noch die Fragmente einer barocken Stuckdecke erhalten, ein paar Meter entfernt sind große Holzträger in die Wände gebrochen. Sie wurden in den 1940er Jahren als Notsicherungen eingebracht. Das Schloss als Zeitzeugin, die die Spuren der Zeit von der Burg bis zum 20. Jahrhundert bewahrt – dieses denkmalpflegerische Konzept steht hinter dem Teilausbau des Hauptgebäudes, das die STSG derzeit auch zum außerschulischen Lernort weiterentwickelt.
Emporensaal im Schloss-Hauptgebäude, Foto: IBA Thüringen, Thomas MüllerAhnensaal im Schloss-Hauptgebäude, Foto: IBA Thüringen, Thomas Müller
Von fürstlichen Glanzzeiten zeugt noch heute der Ahnensaal, der ehemalige Hauptsaal des Schlosses, in der Beletage. Auch in ihm sind die Brüche der Zeit neben der repräsentativen Schlossausstattung eines Grafenhauses, das 1710 in den Fürstenstand aufgestiegen war – mit einer Bandelwerkdecke aus dem frühen 18. Jahrhundert nach französischer Vorlage und den Stuckrahmungen um die früher hier präsentierten großformatigen Ahnenporträts der Schwarzburger – noch deutlich ablesbar.
Heute soll der Denkort der Demokratie, wie der jüngst teilsanierte Bereich des Hauptgebäudes bezeichnet wird, mit seinen Spuren von der Frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert zum Nachdenken über Geschichte, Demokratie und Gesellschaft anregen. Dazu gehört auch die Geschichte der Schlösser im Nationalsozialismus.
Anke Pennekamp
Tagung
Schlösser im Nationalsozialismus
13.-14. September 2024 Schloss Schwarzburg Internationale Tagung, veranstaltet von der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und dem Deutschen Nationalkomitee von ICOMOS e.V.
Mehr zum Programm und zur Anmeldung finden Sie hier.
01. August 2024
Nachwuchs für die Seufzerallee im Fürstlich Greizer Park
Eingeschult
AllgemeinGartenkulturKulturgeschichte
Starkregen, Hitzewellen und große Trockenperioden – die Folgen des Klimawandels zehren auch an den historischen Parkanlagen in Thüringen mit ihren teils jahrhundertealten Baumbeständen. Dass die damit einhergehenden Altbaumverluste nicht so einfach auszugleichen sind und wieviel sorgfältige Vorplanung und Pflege Nachpflanzungen brauchen, zeigt ein vom Bund gefördertes Revitalisierungsprojekt im Fürstlich Greizer Park.
In Gotha wurden im Mai 2024 rund 70 ganz besondere Greizer Linden eingeschult, Ende nächsten Jahres sollen sie in große Fußstapfen treten. Die jungen Linden werden Lücken in der Seufzerallee im Fürstlich Greizer Park schließen. Dazu wurden Reiser von alten Bäumen der Allee in einer Gothaer Baumschule auf Lindensämlinge veredelt. Die Sämlinge stammen aus der Region und wurden bei einer Forstbaumschule des Staatsbetriebs Sachsenforst bezogen.
Seufzerallee im Fürstlich Greizer Park, Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn
Familienbande
Durch die Veredelung kann das genetische Material der Seufzerallee erhalten werden. In der Gartendenkmalpflege ist es bei besonderen Baumexemplaren üblich, bei Nachpflanzungen mit vorhandenem Genmaterial vom gleichen Standort zu arbeiten. Die Experten setzen dabei auf junge Pflanzen, die sich, von klein auf am Standort großgezogen, dem Park und veränderten Klimabedingungen besser anpassen können. Einfach auf andere Baumarten auszuweichen, ist in den historischen Garten- und Parkanlagen nicht so einfach möglich. Die historischen Parkbilder gehören zu den prägenden Gestaltungselementen der lebendigen Gartenkunstwerke. Sie leben von authentischen Pflanzenkombinationen. Wenn sie auch natürlich gewachsen wirken, so wurden die Parkbilder bewusst komponiert. Stammwuchs, Kronenformen und Laubfarben wurden einst mit Bedacht ausgewählt. Durch die Anordnung der Bäume, ob als Solitär oder Gruppen, wurden Vorder- und Hintergründe, Proportionen und Tiefenwirkung in die Natur gemalt.
Junge Linden in der Baumschule in Gotha, Foto: STSG, Dietger Hagner
Seite an Seite prägt Tilia cordata Mill., die Winter-Linde, seit rund zwei Jahrhunderten die Seufzerallee im Fürstlich Greizer Park. „Als Alleebäume sind sie ganz besonders bevorzugt“, schrieb schon der Gärtner und Gartengelehrte Hermann Jäger 1865 über die Winter-Linde in seinem Werk „Die Ziergehölze der Gärten und Parkanlagen“. Als sogenannte „bedeckte Allee“ war das Kronendach der Bäume über dem Weg einst dicht geschlossen.
Heranwachsende Linden in der Baumschule Pomona in Gotha, Foto: Baumschule Pomona, Gotha
Bereits 2005 und 2015 folgten auf Untersuchungen der über 200 Jahre alten Linden der Seufzerallee umfangreiche Baumpflegemaßnahmen, mit denen aus Gründen der Verkehrssicherung auch Kronenrückschnitte notwendig wurden. Die Ende 2025 anstehenden Nachpflanzungen werden durch das Programm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen ermöglicht und stehen im Kontext des Projekts „Revitalisierung des Greizer Parksees“. Die jungen Linden, die gerade in der Baumschule in Gotha heranwachsen und gehegt und gepflegt werden, werden rund 30 Lücken in der Seufzerallee schließen.
Im Zuge des vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung geförderten Projekts „Revitalisierung des Greizer Parksees“ wird der 8,2 Hektar große Parksee entschlammt. Dafür wird der See mit Saugvorrichtungen von Ablagerungen befreit, die sich in den vergangenen 150 Jahre aufgebaut haben. Im Herbst 2024 wird der See dann abgelassen und damit die Voraussetzung für die Sanierung wesentlicher Uferbereiche in 2025 geschaffen. Das Projekt ermöglicht zugleich die ökologische und gartenkünstlerische Wiederherstellung des Parksees.
Amphibienfahrzeug mit Saugrüssel auf dem Greizer Parksee, Foto: STSG, Mario Männel
Ein Stück frühe Parkgeschichte
Die Seufzerallee ist rund 500 Meter lang. Sie liegt mitten in der historischen Parkanlage und säumt einen Abschnitt des Wegs zwischen der Weißen Elster und dem großen Parksee. Die Lindenallee entstand Ende des 18. Jahrhunderts, als die vorher barocke Gartenanlage zum weitläufigen Landschaftspark umgestaltet wurde. Eine Besonderheit ist ihr leicht geschwungener Verlauf: In der Übergangzeit vom Barock- zum Landschaftsgarten wurde darin manchmal eine Möglichkeit gesehen die streng formalen Alleen dem neuen „natürlichen“ Gartenideal anzupassen. Die Seufzerallee zählt damit zu den frühesten Gestaltungselementen des Landschaftsparks in Greiz, dessen heutiges Erscheinungsbild im 19. Jahrhundert durch die Gartenkünstler Carl Eduard Petzold und Rudolph Reinecken geprägt wurde.
Der Fürstlich Greizer Park gehört zum Sommerpalais der Fürsten Reuß Älterer Linie, das um 1770 unterhalb ihrer Residenz nach französischen Vorbildern im Stil des Klassizismus entstand.
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn
Die jüngst eingeschulten Linden werden zukünftig Seite an Seite mit ihren teils über 200 Jahre alten Lindenverwandten stehen und über die Jahrzehnte in ein seltenes Zeugnis europäischer Gartengestaltung vom Ende des 18. Jahrhunderts hineinwachsen.
Anke Pennekamp
22. Juli 2024
110-Millionen-Euro-Sanierungsprogramm
Mammutprojekt Schloss Friedenstein
AllgemeinBaugeschehenDenkmalpflege
110 Millionen Euro stehen für die Sanierung von Schloss Friedenstein in Gotha mit einem Förder- und Finanzierungszeitraum bis 2031 zur Verfügung. Die Mittel werden je zur Hälfte von Bund und Land bereitgestellt.
Mit dem Millionenprogramm kann die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG) große Sanierungsschritte an einem der bedeutendsten Kulturdenkmale Thüringens erreichen. Das Residenzschloss in Gotha ist das größte Barockschloss in Thüringen, allein 21.000 Quadratmeter Geschossfläche und rund 1.000 Fenster umfasst die Dreiflügelanlage. Erbaut wurde das Schloss im 17. Jahrhundert unter Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha.
Im Mittelpunkt vieler Maßnahmen im Rahmen des Großsanierungsprojekts steht die Gebäudestatik – dringend notwendig und erstmals seit der Erbauung des Schlosses vor gut 350 Jahren in der Gesamtheit in den Blick genommen. Die Sanierungsmaßnahmen knüpfen an umfangreiche Investitionen der STSG seit Übernahme der Liegenschaft 2004 an – gut 30 Millionen Euro wurden seither in Schloss Friedenstein investiert.
Foto: STSG, Constantin Beyer
Die Sanierung von Schloss Friedenstein umfasst mehrere Schwerpunktbereiche: den Westflügel mit Teilen des Westturms, den Ostturm und Teile des Ostflügels, statische Notsicherungen im Nordflügel und die Erneuerung von Haus- und Sicherheitstechnik. Im Zusammenhang mit den Planungen wurden bereits 700 Räume inventarisiert und untersucht, davon rund 90 hochkarätige Raumkunstwerke. Bereits saniert sind auch die 2.100 Quadratmeter des Westflügeldachs zu dem allein 2.000 laufende Meter Dachbalken gehören.
Aktuell stehen besonders der Westflügel und der Westturm im Fokus der Sanierungsexperten. Er bildet einen besonderen Schwerpunkt im umfangreichen Sanierungsvorhaben. Die Dachsanierung konnte bereits 2021 abgeschlossen werden, aktuell wird das neue Treppenhaus mit Aufzug, Toiletten und Betriebsräumen ausgebaut.
Neues Treppenhaus im Westflügel im Juli 2024, Foto: STSG, Uta KolanoRückbauarbeiten in der Hirschgalerie im Westflügel von Schloss Friedenstein, Zustand im April 2024, Foto: STSG, Sabine Jeschke
In Vorbereitung ist die Sanierung und Restaurierung der Innenräume des Westflügels. Dort sollen künftig das erste Obergeschoss und Teile des Erdgeschosses zusätzlich für die museale Nutzung durch die Friedenstein Stiftung Gotha zur Verfügung stehen. Zuvor sind nicht nur Arbeiten an den Raumschalen notwendig, sondern vor allem tiefe Eingriffe in die Statik. Eine wichtige Voraussetzung dafür hat die STSG seit Herbst 2023 mit dem Entfernen jüngerer Einbauten und dem Einlagern wertvoller Ausstattungen geschaffen. Die Freilegungen ermöglichen nun die detaillierte Untersuchung und Planung an Decken und Wänden.
„Wir haben es auf Schloss Friedenstein mit einer Mammutaufgabe zu tun“, sagt STSG-Direktorin Dr. Doris Fischer. „Das wussten wir von Anfang an, und die Freilegungen und Untersuchungen machen es für jeden sichtbar. Wir haben die Aufgabe und zugleich die Chance, die erste grundlegende Sanierung in der Geschichte des Schlosses umzusetzen und es wieder für lange Zeit fit zu machen. Das braucht Zeit und ist mit Einschränkungen verbunden, aber es lohnt sich, hier mit langem Atem und Energie am Ball zu bleiben. Dann steht am Ende ein Ergebnis, von dem noch viele Generationen profitieren. Wie nachhaltig dieses Vorgehen für das Gebäude und unsere Nutzer ist, zeigt das seit 2004 bereits Geschaffte – für immerhin bereits 30 Millionen Euro.“
Abbildung: Sabine Jeschke, Silvia Wagner und Dr. Doris Fischer (v.l.n.r.) von der STSG Erläutern die Baumaßnahmen auf Schloss Friedenstein, Foto: STSG, Anke Pennekamp
„Auf Schloss Friedenstein geht es wirklich um die Substanz“, ergänzt Architektin Silvia Wagner, Leiterin der Bauabteilung der STSG. „Die Schäden an der Konstruktion von Schloss Friedenstein sind immens. Die Ursachen sind Überlastungen und fehlerhafte Umbauten zum Teil seit dem 17. Jahrhundert, aber auch die Folgen von Schwamm und Schädlingsbefall. Schadensschwerpunkte sind die hölzernen Decken und Innenwände, aber auch Pfeiler und Gewölbe. Die Sanierung im Bestand unter Bewahrung von möglichst viel Originalsubstanz auch in der Konstruktion ist an sich schon eine Herausforderung. Im Interesse unserer Nutzer machen wir das ganze bei laufendem Betrieb und versuchen immer, die Einschränkungen zu minimieren. Wesentliche Teile des Schlosses sind während der Bauarbeiten immer nutzbar und geöffnet.“
Abbildung: Notsicherung über dem Eckhof-Theater Ende Mai 2024, Foto: STSG, Sabine Jeschke
Neue Baustellen-Ausstellung in der Alten Münze, Foto: STSG, Franz Nagel
Baustellen-Ausstellung
Die komplexen Zusammenhänge macht die neue Baustellen-Ausstellung „Elefant Friedenstein“ anschaulich erlebbar. Den Rahmen bietet die Alte Münze im Erdgeschoss des Westflügels. Mittendrin im Baugeschehen erfahren die Besucherinnen und Besucher dort vieles zur Baugeschichte des Schlosses, zur Sanierung und zu den wichtigen Akteuren rund um Schloss Friedenstein. Auch der virtuelle Rundgang der Friedenstein Stiftung Gotha durch die Prunkräume des Westflügels kann hier genutzt werden. Die Ausstellung ist täglich von 10 bis 17 Uhr ohne Eintritt zugänglich (Änderungen aufgrund des Baustellen- und Veranstaltungsbetriebs vorbehalten).
17. Juli 2024
Kachelkamin von Schloss Altenstein
Dem Herzog wird eingeheizt
AllgemeinDenkmalpflegeKulturgeschichte
Leuchtende Farben lassen den mineralischen Ton erstrahlen. Nach und nach taucht der Pinsel Köpfe und Flügel kleiner Putti, Voluten, Bandornamente und Figuren in Grün-, Braun- und Rotnuancen.
In der Werkstatt einer auf besondere keramische Erzeugnisse spezialisierten Firma in Velten wird angemischt, experimentiert und ausprobiert. Die Glasuren und Farbmischungen sollen perfekt sitzen, um die Kaminkacheln später wieder wie im 19. Jahrhundert zum Strahlen zu bringen. Dafür sind Feingefühl und die richtige Rezeptur gefragt. Der Kamin, dessen Kacheln in der Werkstatt neu entstehen sollen, wurde ursprünglich 1888/89 im Schloss Altenstein errichtet. Wie das Schloss war er dem Historismus, genauer gesagt der Neo-Renaissance verpflichtet. Im Vestibül der Sommerresidenz auf dem Altenstein in Bad Liebenstein empfing er die Gäste der Herzöge von Sachsen-Meiningen. Vermutlich in den 1940er Jahren wurde er abgerissen und als Bauschutt unter anderem zur Verfüllung der Zisterne hinter dem Schloss verwendet.
Schloss Altenstein war Sommerresidenz der Herzöge von Sachsen-Meiningen. Im 19. Jahrhundert lies Herzog Georg II. das Schloss nach dem Vorbild englischer Herrenhäuser umbauen. Das Sommerschloss im Stil der Neorenaissance und der umliegende 160 Hektar große Landschaftspark mit vielen kleinen Sehenswürdigkeiten auf spitzen Felsvorsprüngen stehen in enger Beziehung zueinander.
Foto: STSG, Tino Trautmann
Historische Fotografie mit dem Kachelkamin im Schloss Altenstein, Foto: Archiv Schloss- und Parkverwaltung Altenstein
Jetzt wird er unterstützt durch bürgerschaftliches Engagement und Spenden wiederhergestellt. Denn mit der Innensanierung des Schlosses, die derzeit im Rahmen des Sonderinvestitionsprogramms I (SIP I) der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG) vorbereitet wird, soll der über zwei Meter hohe Kamin an seinen angestammten Platz zurückkehren. Unser heutiges Wissen über den Prunkkamin verdanken wir dem Engagement und der Recherche der Professoren Renate und Kurt Hoffmann. Die beiden spürten seit den 1990er Jahren über 450 Bruchstücke der Kaminkacheln in Schutthaufen um die Zisterne und auf der oberen Terrasse auf und setzten sie wieder zusammen. Und auch der Geschichte des Kamins spürten sie nach. Dessen ursprüngliches Aussehen kann gut nachvollzogen werden, wie die Recherchen zeigten, denn schon Herzog Georg II. bestellte gern auch mal im Katalog, wie zur damaligen Zeit auch in Herzogshäusern üblich. Ein Musterblatt der Kunsttöpferei & Ofenfabrik Hausleiter & Eisenbeis aus Frankfurt am Main zeigt den Kamin. Seine Kacheln werden von Reliefs mit floralen und ornamentalen Motiven geziert: Karyatiden und Atlanten flankieren die Feuerstelle. Unter dem Kamintisch halten Putti Muschelnornamente. Weitere Putti, Karyatiden, Ornamentbänder und Porträts zieren den Aufsatz.
Für die Wiederherstellung des Kamins wurden in der Werkstatt zuerst Modelle der unterschiedlich gestalteten Kacheln geformt. Anhand dieser konnten dann die Keramik-Rohlinge, die sogenannte Schrühware, hergestellt werden. Die Schrühware soll nun glasiert und gebrannt werden. Für die Anbringung der Kacheln wird auch der Corpus des Kamins neu aufgebaut.
Foto: Veiko Minge
Glasurprobe, Foto: STSG, Susanne Rakowski
Die Rückgewinnung des Kamins hat vor dem Hintergrund des Schlossbrandes auf Schloss Altenstein besondere Bedeutung. 1982 brannte das Schloss aus, nur wenige Stücke der Innenausstattung konnten damals geborgen werden. In den letzten Jahren konnten bereits die Restaurierung der Fassaden und die Instandsetzung der Schlossterrassen abgeschlossen werden. Dank des von Bund und Land geförderten SIP I ist es der STSG nun möglich, auch die Innensanierung des Schlosses abzuschließen und zudem den historischen Küchenbau hinter dem Schloss zu sanieren. Nach Abschluss der Sanierung soll der Kachelkamin den Besuchern des Altensteins wieder einheizen, wie es einst auch Herzog Georg II. genoss.
Anke Pennekamp
11. Juli 2024
Das NaturHistorische Museum Schloss Bertholdsburg feiert Geburtstag
Naturkunde und Geschichte seit 90 Jahren
AllgemeinKulturgeschichteVermittlung
Mitten im Herzen Schleusingens, am Südrand des Thüringer Waldes, liegt ein malerisches Residenzschloss. Das Schloss beherbergt ein Museum mit bemerkenswertem Profil: Das NaturHistorische Museum besitzt sowohl historische als auch naturkundliche Sammlungen. In den letzten drei Jahrzehnten ist es dem Museum gelungen, sich durch innovative Ausstellungen und vielseitige Veranstaltungen als beliebte Destination zu etablieren. Nun wird es 90 Jahre alt.
Dabei fing die Museumsgeschichte denkbar bescheiden an. 1932 starb Prof. Dr. Hermann Franke (1847–1932), ein ehemaliger Schleusinger Gymnasiallehrer und Sammler von mineralogischen und geologischen Funden. Einem guten Bekannten Frankes, Paul Georgi (1891–1979), gelang das ambitionierte Projekt einer Museumsgründung. Am 25. März 1934 wurde das „Franke-Museum“ feierlich eröffnet. Die preußische Regierung in Erfurt hatte dazu zwei Räume auf Schloss Bertholdsburg herrichten lassen. Durch Spenden wuchsen die Sammlungen und damit das Museum stetig.
Schloss Bertholdsburg in Schleusingen, Foto: STSG, Robert Fehringer (keineckMedia)
Blick in das „Franke-Museum“ von 1934.
Foto: NaturHistorisches Museum Schleusingen, Museumsarchiv
Die Ursprünge
Noch früher als das Franke-Museum stellte der Schleusinger Geschichtsverein in einem alten Stadtmauerturm Sachzeugnisse aus der Geschichte der Region aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Sammlungen in ein Heimatmuseum auf Schloss Bertholdsburg überführt. Dank ehrenamtlicher Tätigkeit konnte 1953 das aus vier Räumen bestehende „Hennebergische Heimatmuseum“ seine Pforten öffnen. Der Schwerpunkt des Museums lag auf der örtlichen Handwerks- und Schulgeschichte.
Bis in die frühen 1980er Jahre hinein teilte sich das Heimatmuseum die Bertholdsburg mit verschiedenen Behörden und dem „Franke-Museum“. Die Schließung des geologischen Museums des Hermann Franke und der Auszug zahlreicher Ämter aus dem Schleusinger Schloss machte den Weg frei, die regionalgeschichtliche Dauerausstellung zum 350-jährigen Stadtjubiläum 1982 wesentlich zu erweitern. Ein Teil der freien Fläche war bereits elf Jahre zuvor mit Spielzeug aus dem Sonneberger Spielzeugmuseum belegt. Aufgrund der Grenznähe Sonnebergs wurden 1971 Bereiche der Spielzeugausstellung auf Schloss Bertholdsburg umgesetzt. Bis 1991 besaß das Spielzeugmuseum Sonneberg in Schleusingen ein Ausstellungszentrum.
Transport eines Haimodells für die Sonderausstellung zum 90. Museumsjubiläum, Foto: Janis Witowski
Gründung des Naturhistorischen Museums
Im Hinblick auf die Schleusinger Museumsgeschichte läutete der 29. Februar 1984 die Moderne ein: Auf Beschluss des Kreises Suhl-Land wurde das Naturhistorische Museum ins Leben gerufen. Seine Kernaufgabe bestand in der Zusammenführung sowie in der konservatorischen und wissenschaftlichen Betreuung aller naturkundlichen Sammlungen Südthüringens. Über drei Jahre hinweg wurden die im Bezirk Suhl vorhandenen biologischen, mineralogischen und geologischen Sammlungen nach Schleusingen überführt.
Mit der Gründung des Naturhistorischen Museums 1984 verschob sich der Schwerpunkt weg von der Geschichte hin zur Naturkunde. Es galt, im Wesentlichen den Naturraum des Bezirkes Suhl zu untersuchen und für die Öffentlichkeit abzubilden. Die Erforschung und Ausstellung der Regionalgeschichte blieb dennoch ein fester Bestandteil des Museumsbetriebes. Wegen seiner großzügigen personellen Ausstattung und auch dank des Amphibien-Vivariums (1988–1993) im heutigen Sonderausstellungsbereich avancierte das Schleusinger Naturkundemuseum zum Forschungszentrum und Publikumsmagneten.
Kinderfest 2022 auf Schloss Bertholdsburg in Schleusingen, Foto: Janis Witowski
Andrée Amelang, freier Mitarbeiter des NaturHistorischen Museums, beim Bergen von Saurierfunden 2010 .
Foto: NaturHistorisches Museum Schleusingen, Museumsarchiv
Die Ausstattung des Naturhistorischen Museums ist in den 1990er Jahren drastisch reduziert worden; zeitweilig stand sogar die Weiterexistenz in Frage. Auch diese Zeiten gingen vorüber. Das Museum auf Schloss Bertholdsburg ist im Landkreis Hildburghausen fest etabliert und bereichert mit Ausstellungen, Vorträgen, Konzerten und Festen für Jung und Alt das kulturelle Angebot in der Region. Im Bewusstsein seiner Rolle als Mehrspartenhaus hat das Naturhistorische Museum im November 2023 eine Namensänderung vollzogen: Es heißt nun „NaturHistorisches Museum“ und vereint damit das Naturhistorische und das Historische Museum Schleusingen unter einem Dach. Gemeinsam mit der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten wird das NaturHistorische Museum in den kommenden Jahren weitere Schritte zu seiner Modernisierung unternehmen: Die Realisierung eines zeitgemäßen Museumsdepots in Kloster Veßra und die Neugestaltung der regionalgeschichtlichen Dauerausstellung.
Gastbeitrag von Dr. Janis Witowski, stellv. Direktor des NaturHistorischen Museums Schloss Bertholdsburg Schleusingen