Restaurierung bewahrt Kunstschätze

Historischer Glanz dank moderner Wissenschaft

BaugeschehenDenkmalpflegeKulturgeschichteSonderinvestitionsprogramm I
Den Malschichten bis auf den Grund gehen, alten Rezepturen nachspüren, dem Mörtel auf den Körnungsgrad fühlen – die Restaurierungswissenschaft erhält Kulturgut und ist facettenreiche Detailarbeit, die besonderes handwerkliches Feingefühl bedarf und sich ständig weiterentwickelt.

Ein funkelndes Beispiel für restauratorische Pflegemaßnahmen spielt sich auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt ab, wenn im Festsaal die drei großen Kronleuchter für die Pflege und Wartung unter den wachen Augen der olympischen Götter herabgelassen werden müssen. Dabei ist Feinarbeit und Muskelkraft gefragt. Drei auf dem Dachboden verborgene historische Winden machen das Herunterlassen möglich. Am Boden angekommen, werden die geschliffenen Kristalltropfen, Zierketten, Glasperlen und – zapfen des Behangs abgenommen und von Hand vorsichtig gereinigt, bevor die zwischen 200 und 400 Kilogramm schweren Glaskunstwerke sich wieder langsam bis unter den gemalten Himmel zurück erheben. Da das Herablassen der Kronleuchter einen großen Kraftaufwand bedeutet, kommen alternativ auch Leitern und Gerüste bei der Pflege zum Einsatz.

Festsaal von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt,
Foto: STSG, Philipp Hort

Schwebende Hilfe erhielt 2020 auf Schloss Friedenstein in Gotha Iphigenie. Für zwei große Deckengemälde aus dem Audienzgemach der Herzogin stand damals eine Restaurierung im Liegen an. Was erstmal gemütlich klingt, wurde bei 400 Stunden auf dem Rollgerüst knapp über der Leinwandoberfläche für die Restauratorinnen zu einer ausgesprochen mühsamen Angelegenheit. Am Anfang des 20. Jahrhunderts hatten die beiden mehr als fünf Meter langen Ovale noch die Decke im Audienzgemach geschmückt. Später waren sie abgenommen und eingelagert worden. Sie zeigen unter anderem die Rettung der Iphigenie vor der Opferung im trojanischen Krieg durch die in letzter Sekunde heranschwebende Göttin Artemis. In aufwendiger Detailarbeit wurden alte Firnisschichten abgenommen, die die Farben verdunkelten. Lose Leinwandstücke wurden verklebt und angespannt, Knicke und Falten mussten behutsam befeuchtet und geglättet werden. Auf beiden Bildern waren großflächig Teile der Malschicht verloren gegangen. Hier lag die rotockerfarbene Grundierung, der sogenannte Bolusgrund, frei. Diese Flächen wurden farblich an die Grundstimmung der Gemälde angenähert, damit sie nicht aufgrund des starken Kontrasts die Wahrnehmung der eigentlichen Malerei überlagern. Zum Schluss erhielten die Bilder eine neue schützende Firnisschicht. Wenn die statischen Probleme des derzeit mit Abstützungen versehenen Raums behoben sind, sollen die restaurierten Gemälde wieder montiert werden.

Deckengemälde aus dem Audienzgemach der Herzogin nach der Restaurierung, Foto: Beatrix Kästner

Großflächig, wenn auch mit nicht weniger Feingespür, geht es auf den Burgruinen Bad Liebenstein und Ehrenstein bei der Steinrestaurierung zu. Im Sonderinvestitionsprogramm I werden auf den beiden Burgruinen seit letztem Jahr rund 1000 Quadratmeter Natursteinmauerwerk restauriert. Dabei kommt es nicht nur auf die richtige Optik, sondern auch auf die passende Chemie an, damit sich Alt und Neu gut vertragen. Der Mörtel spielt beim Mauerwerk dabei eine tragende Rolle. Durch Restauratoren und in Laboren werden die einzigartigen historischen Mörtel vor der Sanierung von historischem Mauerwerk genau unter die Lupe genommen. Unter dem Mikroskop und im Reagenzglas werden Zusammensetzung, Körnungsgrad und Farbigkeit analysiert. Möglichst nah versucht man an die historische Beschaffenheit heranzukommen, dabei aber auch Probleme wie Salz- oder Feuchtigkeitsbelastung am Denkmal nicht außer Acht zu lassen.

Steinrestauratorische Maßnahmen auf der Burgruine Ehrenstein im Sonderinvestitionsprogramm I, Foto: STSG, Philipp Hort

Im Vorzimmer der Herzogin auf Schloss Friedenstein in Gotha, gingen wiederum 2023 die Holzrestauratoren ans Werk. Am Parkett hatten Zeit und Nutzung gezehrt, die stark geschädigten Parketttafeln wurden ausgebaut und in der Restauratorenwerkstatt in die Kur genommen. Die Experten ersetzten beschädigte Teile, stabilisierten die Tafeln und mussten hier und da auch etwas ergänzen.

Einbau des restaurierten Parketts im Vorzimmer der Herzogin auf Schloss Friedenstein in Gotha, Foto: Roland Sommer

Das aus verschiedenfarbigen Holzarten zusammengefügte Parkett ist definitiv die Mühe wert, es konnten sogar noch Handwerkersignaturen aus dem 18. und 19. Jahrhundert nachgewiesen werden. Nach dem Einbau der quadratischen Tafeln bekam der Holzboden noch seinen letzten Schliff und eine schützende Beschichtung. Bei der Herausnahme der Tafeln hatte sich allerdings gezeigt, dass auch die darunterliegenden tragenden Balken zum Teil gebrochen und stark verformt waren. Erst nach der statischen Sicherung der Baukonstruktion konnte dann auch das Parkett wieder in das herzogliche Vorzimmer einziehen.

Ein kleines blaues Wunder kann man im Schallhaus auf Schloss Heidecksburg erleben, ursprünglich als Gartenhaus im Schlossgarten auf der Unteren Terrasse erbaut, wurde das Gebäude im 18. Jahrhundert durch einen Schallsaal aufgestockt. Mit Rillen und einen besonderen Putz versehen wird Musik in sphärischen Klängen aus der Kuppel mit Musikerempore bis in den Schlossgarten getragen. Seit der Restaurierung erstrahlt das Innere des Schallhauses wieder im alten Blau mit fein gemalten Ornamenten in grau.

Schallhaus im Schlossgarten von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt,
Foto: STSG, Constantin Beyer

Am Anfang der Sanierung, ermöglicht durch das Sonderinvestitionsprogramm I, steht das Torhaus von Burg Ranis. Wie beim Bauen gehen auch Restaurierungsprojekten in der Denkmalpflege umfangreiche Voruntersuchungen und eine detailreiche Planung voraus. Es wird recherchiert, historische Quellen, Bilder und Pläne ausgewertet und der Bestand genau untersucht. Auch im Torhaus geben kleine Befundfenster vom Keller bis zum Dach viel über Jahrhunderte und generationenübergreifende Baugeschichte preis – von Fragmenten illusionistischer Architekturrahmungen um Fenster und Türen bis zu feinen Strichen und Inschriften, die Riegel, Bänder und Streben des Fachwerks säumen. 

Torhaus der Burg Ranis, Foto: STSG, André Kranert

Am 20. Oktober 2024 ist Tag der Europäischen Restaurierung.


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