Die Schlossansicht von einem erhöht liegenden Wanderweg wurde um 1910 von Wilhelm Tübbecke auf Leinwand gemalt. Zu sehen ist das ins beschauliche Schwarzatal eingebettete Schloss Schwarzburg, Stammsitz der Grafen und späteren Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt. Mit dem Aufstieg in den Reichsfürstenstand wurde das Schloss um 1710 außen und innen den gestiegenen Ansprüchen entsprechend ausgebaut. Dazu gehörte auch eine Schlosskirche mit eigener Begräbnisstätte für das Adelsgeschlecht, die die Altehrwürdigkeit der Dynastie mit mittelalterlichen Wurzeln unterstrich. Einen ganzen Flügel nahm die Schlosskirche ein, zu der auch ein Schlosskirchturm gehörte. Dessen Turmhaube überragt in Tübbeckes Gemälde das Hauptgebäude.
Turmhaube mit Fernwirkung
Das Kunstwerk zeigt die große Fernwirkung der Haube, die die Schlosssilhouette einst mitprägte. Bis 1980 blieb sie erhalten – keine Selbstverständlichkeit, da in den 1940er Jahren unter den Nationalsozialisten begonnen wurde, das Barockschloss zum Reichsgästehaus umzubauen. Als 1942 die umfangreichen Umbaumaßnahmen gestoppt wurden, waren bereits ganze Schlossflügel abgetragen, darunter auch der Kirchflügel. Erhalten blieb von der Schlosskirche allein der ehemalige Kirchturm samt Haube. Das war schon beim Abriss mit besonderem Aufwand verbunden, da der Turm in die Fassade des Kirchflügels eingebunden war. Durch Aufmauerungen musste der Turm deshalb sofort stabilisiert werden.
Der ehemalige Schlosskirchturm wurde mit großem denkmalpflegerischem Aufwand stabilisiert und saniert und dient seit 2021 als zweiter Rettungsweg für Veranstaltungsräume im Hauptgebäude. Dafür wurden Hauptgebäude und Turm durch eine Stahlbrücke miteinander verbunden und die Treppe im Inneren des ehemaligen Schlosskirchturms komplettiert.
Foto: IBA Thüringen, Thomas MüllerDie ehemalige Schlosskirche nahm einst beinahe einen ganzen Schlossflügel ein und schloss rechtwinklig an das Hauptgebäude an. Der Turm war in die Fassade eingebunden. Durch den Abriss des Kirchenflügels wurden dem Turm seine stützenden Flanken genommen. Außerdem bereitete ihm sein eigenes Mauerwerk große Schwierigkeiten. Beim Turmbau waren zahlreiche unterschiedliche Materialien von geringerer Qualität verwendet worden.
Foto: Thüringer Landesmuseum Heidecksburg RudolstadtBesondere Symbolkraft
In der Silvesternacht 1980 auf 1981 zerstörte ein Feuer die Turmhaube. Als Hoffnungsschimmer war die Turmhaube bis zu ihrem Verlust ein besonderes Symbol für das Fortbestehen des Schlosses und soll es wieder werden. Die Rückgewinnung der Turmhaube hat der Förderverein Schloss Schwarzburg – Denkort der Demokratie e. V. deshalb ins Zentrum seiner Vereinsarbeit gestellt. Nach der Sicherung des Turms im Zuge der Teilsanierung des Hauptgebäudes übergab der Verein 2021 eine großzügige Spende über 100.000 Euro an die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten für den Einstieg in das Vorhaben. Seit der gemeinsamen Präsentation der Planung 2022 sammelt der Förderverein Spenden für die Realisierung des Projekts, das einen höheren sechsstelligen Betrag erfordert.
Nach umfangreichen Sicherungen konnte die STSG den nördlichen Bereich des in den 1940er Jahren entkernten Hauptgebäudes bis 2021 sanieren und einen neuen nördlichen Gebäudeabschluss mit Treppenhaus errichten. Im Rahmen der IBA Thüringen wurden der Ahnensaal – der ehemalige Festsaal des Schlosses – und der neu entstandene Emporensaal nutzbar gemacht. Damit ist seit 2021 das Hauptgebäude von Schloss Schwarzburg nach über 80 Jahren in ruinösem Zustand wieder zugänglich.
Foto: IBA Thüringen, Thomas MüllerDas historische Erscheinungsbild der Turmhaube in Form einer Welschen Haube soll samt Turmaufsatz und Laterne wiederhergestellt werden. Das Original ist verloren, aber historische Quellen wie Bilder, Fotos und Pläne aus den 1940er Jahren, die den Zustand vor Beginn der Umbaumaßnahmen zeigen, gaben für die Planungen Aufschluss über Form und Proportion der verlorenen Haube. Die 15 Meter hohe Turmhaube, die aus einzelnen Holzsegmenten zusammengesetzt werden soll, soll zukünftig wieder den Schlosskirchturm bekrönen, wie auch Tübbecke ihn sah.
Anke Pennekamp