Unvollendeter Bauschmuck am Prinzessinnenbau auf der Wasserburg Kapellendorf

Baustopp im Barock

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Im frühen 18. Jahrhundert bekam die Wasserburg Kapellendorf Zuwachs. Ein kleines Schlösschen wurde zwischen die älteren, entlang des äußeren Rings der Burg errichteten Bauten eingefügt.

Anders als der für das neue jüngste Bauwerk der Anlage geläufige Name „Prinzessinnenbau“ vielleicht vermuten lässt, war es nicht für eine künftige Regentin bestimmt, sondern sollte als Witwensitz dienen. Eleonore Wilhelmine, gebürtige Prinzessin von Anhalt-Dessau, sollte hier im Fall des früheren Ablebens ihres Mannes Herzog Ernst von Sachsen-Weimar ihren standesgemäßen Wohnsitz einrichten können.

Prinzessinnenbau der Wasserburg Kapellendorf,
Foto: STSG, Philipp Hort

Der Bauplatz war mit Bedacht gewählt. 200 Jahre zuvor hatte die ernestinische Linie der Wettiner die im 12. Jahrhundert begonnene und im späten Mittelalter durch die Stadt Erfurt als Vorposten ausgebaute Burg übernommen. Nach ihrer Niederlage im Schmalkaldischen Krieg hatten sie ihre Hauptresidenz Torgau verloren und hatten seither im nahen Weimar ihr wichtigstes Herrschaftszentrum. Dort residierte nach Erbteilungen die Stammlinie Sachsen-Weimar. Die Wasserburg Kapellendorf diente dem Herzogshaus als Sitz eines von zahlreichen Ämtern, war also vor allem ein Wirtschafts- und Verwaltungszentrum für die unmittelbare Umgebung. Als Standort für einen Witwensitz eignete sich die Anlage aufgrund ihrer bereits vorhandenen herrschaftlichen Infrastruktur. Sie bot aber auch die notwendige Sicherheit.

Wasserburg Kapellendorf

1723 war Grundsteinlegung für den Neubau, für den zum Teil Abbruchmaterial vom mittelalterlichen Bergfried zum Einsatz kam. Die Rohbauarbeiten gingen gut voran, 1726 war das Gebäude unter Dach. Doch bevor der Ausbau begann, verstarb Eleonore Wilhelmine. Damit war der Anlass für das Projekt passé, und der Bau kam zum Erliegen. Das abrupte Ende lässt sich nicht nur am fehlenden Ausbau der Innenräume ablesen – hier wurde Jahre später ein Getreidelager für die Aufgaben der Amtsverwaltung eingerichtet –, sondern auch an der Hoffassade.

Walmdach, Putzfassade, regelmäßig angeordnete Fenster mit flachen Bögen, ein niedriges Mezzaningeschoss über dem herrschaftlichen ersten Obergeschoss, in der Mitte ein Portal mit Segmentbogen darüber – alles wirkt wie ein schlichter, aber repräsentativer Barockbau. Erst der genauere Blick macht stutzig. Die Sandsteinbögen über den Fenstern sind nur grob behauen, so als hätten die Steinmetze von einem Tag auf den anderen ihre Arbeit beendet.

Ostfassade des Prinzessinnenbaus, Foto: STSG, Philipp Hort

In der Tat war es damals üblich, den Bauschmuck vor dem Einbau der herausgehobenen Elemente nur grob vorzufertigen, die feine Ausarbeitung folgte dann an Ort und stelle vom Gerüst aus. Auf diese Wiese konnte beim Bauen Zeit gespart werden und die aufwendigeren Ornamente fügten sich im Detail perfekt in die fertige Fassade. So legten auch in Kapellendorf die Bildhauer die Formen nur in ihren ungefähren Volumina an, der Baustopp verhinderte den Abschluss. Was dem Architekten sicher ein Dorn im Auge war, ist heute ein seltener Schatz. Ist doch sonst nur selten eine barocke Baustelle als work in progress gewissermaßen eingefroren worden. Mit dem Prinzessinnenbau ist auf diese Weise – wenn auch unbeabsichtigt – ein Zeugnis barocker Baukultur überliefert.

Franz Nagel

Im von Bund und Land geförderten Sonderinvestitionsprogramm I der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten werden Dach und Fassaden des Prinzessinnenbaus der Wasserburg Kapellendorf saniert. Seine rohe Bauschmuck-Schönheit bleibt dabei erhalten.


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