Geschichten vom stillen Örtchen auf Burg und Schloss

Tief in die Schüssel geschaut

AllgemeinDenkmalpflegeKulturgeschichte
Sanitäranlagen und Toiletten in Porzellanschüsselform mit Abflussrohr und Spülung – geschweige denn ein ganzes Badezimmer – waren auch in Schlössern lange keine Selbstverständlichkeit. Die Notdurft gehörte aber auch auf Burg und Residenz, bei Grafen, Herzögen und Fürsten schon immer zum Tagesgeschäft. So wurden, bevor die ersten Porzellanklosetts in den Schlössern zu finden waren, noch Leibstühle und Nachttöpfe dezent versteckt, das Plumpsklo im Aborterker platziert und später die Neuerung das Badezimmers auch mal mit baulicher Pracht zelebriert.

Schon die alten Römer bauten Wasserklosetts, die erste Porzellanschüssel mit wassergespültem Abort zog in Deutschland allerdings wohl erst in einen Schlossbau mit Landgräfin Elizabeth von Hessen-Homburg nach 1820 in Schloss Homburg vor der Höhe ein. Während sich solche neuen Apparate, die aus England kamen, bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert im Großbürgertum durchsetzen konnten, führte der große bauliche Aufwand, die Schüssel mit Abwasserrohren, einem Kanalsystem oder überhaupt fließendem Wasser zu verbinden, dazu, dass man dort noch bis ins 20. Jahrhundert auf den Leib- und Nachtstuhl zur Erleichterung setzte.

Wasserburg Kapellendorf, Foto: STSG, Philipp Hort

Schon im Mittelalter gehörte der Aborterker zur Burg und später auch zum Schloss. Der ummauerte Austritt mit Öffnung nach unten, teils auch mit Rohren, Rutschen oder Schächten versehen, ist heute noch an einigen mittelalterlichen Burgen ablesbar. Auch die Kemenate der Wasserburg Kapellendorf besaß einen Abort zum Zwinger – einem Verteidigungsbereich zwischen den Burgmauern – hin. Dem Wohnkomfort dienend, fanden sich schon auf der Burg die Aborte zumeist in Nähe der Wohnräume, insbesondere den Kammern oder einem Saal. Auch die Veste Heldburg besaß einst mehrere Aborte am Französischen Bau, deren Türen heute jedoch ins Leere führen und vermauert sind. Wo einst schon die Herzöge das stille Örtchen direkt neben ihrer Schlafkammer aufsuchen konnten, waren die Abortschächte vermutlich in das Gefüge der zum Hang liegenden Schaufassade arrangiert. Später wurden sie der Ästhetik wegen abgetragen.

Veste Heldburg mit der Südfassade des Französischen Baus (rechts),
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Gut erreichbar wurde auch die tragbare und teilweise sogar gepolsterte Sitztoilette, der Leib- und Nachtstuhl, in der frühen Neuzeit gerne hinter unscheinbaren Türen und in kleinen Kabinetten in Schlafkammernähe versteckt. So musste sich Graf Gotter – Jurist, Lebemann und Parvenu – im 18. Jahrhundert nur aus der Bettnische schwingen, um auf kurzem Weg sein Nachtgeschäft zu verrichten. Versteckt hinter einer Tür neben dem Alkoven im grüngemusterten Schlafraum, blieb die Intimsphäre des Leibstuhls gewahrt. Und auch die Besucher von Schloss Friedenstein in Gotha schlendern heute vermutlich nichtsahnend an der dezent in die Wand eingefügten Tür im Herzoglichen Treppenhaus vorbei, hinter der sich seit 1712 ebenfalls ein Abort verbarg.

Weniger schick, aber praktikabel ging es im Marstall von Schloss Heidecksburg zu. Im Obergeschoss des fürstlichen Pferdestalls aus dem 19. Jahrhundert sind noch heute die früheren Knechtstuben und -kammern aus der Erbauungszeit in ihren Strukturen erhalten. Zwischen den Kammern durfte natürlich auch das Plumpsklo nicht fehlen. Dessen Schacht führte direkt auf den Misthaufen, der hinter zinnenbekrönten Mauern an der Rückseite des Marstalls versteckt lag.

Blick in das Dachgeschoss des Marstalls von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt, Foto: STSG, André Kranert

Platz für gleich zwei Personen direkt nebeneinander bot das Plumpsklo im Obergeschoss des Kirms-Krackow-Hauses in Weimar. Im 19. Jahrhundert konnte man nicht nur im Garten des Ackerbürgerhofs der Brüder Kirms gesellig zusammenkommen. Schon die Römer legten Latrinen mit mehreren Sitzplätzen nebeneinander an.

Einen modernen zweigeschossigen Klosettbau ließ Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen beim Umbau seiner Sommerresidenz auf dem Altenstein um 1888 anbauen. Gleich mehrere Spülklosets mit poliertem Sitz fanden in kleinen Kabinen an der Rückseite des Schlosses ihren Platz. Ausgestattet waren die „Waterclosets“ im Toilettenanbau sogar mit Jalousien an den Fenstern und Stuckmarmorverkleidungen an den Wänden. Schon 1889 wurde allerdings angeregt, bei den Jalousien im Obergeschoss noch nachzurüsten, da bei Licht nichts verborgen blieb. Ein eigenes herzogliches Bad wurde wiederum im Obergeschoss eingerichtet und mit einer eigens in London bestellten Ausstattung bestückt.

Schloss Altenstein in Bad Liebenstein, Foto: STSG, Tino Trautmann

Ein luxuriöses Badezimmer richtete die Gräfin von Gneisenau im Schloss Molsdorf um 1909 ein. Das Marmorbad mit Sofa, Marmorwanne, Waschnische und Toilette besaß seit Anfang des 20. Jahrhunderts nicht nur eine Heizung, sondern auch einen Wasseranschluss. Marmorverkleidungen, eine Kassettendecke und Golddetails schmücken das prachtvolle Jugendstilbad. Der Zugang zur Toilette liegt hinter einer Marmortür versteckt. Später verändert, baumelt heute noch hinter der Tür der Kettenzug eines Spülkastens von der Decke.

Marmorbad im Schloss Molsdorf, Foto: STSG, Constantin Beyer

Der Blick in die Geschichte soll auf das Anliegen des Welttoilettentages aufmerksam machen: Hygienische Toiletten stehen nach wie vor viel zu wenigen Menschen zur Verfügung.

Anke Pennekamp

Lesetipp zum kulturgeschichtlichen Thema Toilette und Hygiene im Schloss: „Das stille Örtchen. Tabu und Reinlichkeit bey Hofe“, Herausgegeben von den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden Württemberg, Altenburg 2011.

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