Als Goethe im Spätsommer 1828 nach Dornburg kam, nachdem sein Freund und Mäzen Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach gestorben war, bezog er für mehrere Wochen ein kleines Appartement im ersten Obergeschoss. Das attraktivste der drei Zimmer war die Bergstube, mit Fenstern an zwei Seiten und dem besten Blick ins Saaletal. Der Raum, den er nun als Arbeitszimmer nutzte, befindet sich in einem Anbau, der erst einige Jahrzehnte zuvor angefügt worden war – in leichterer Bauweise als der massive deutlich ältere Ursprungsbau. Aber der neue Gebäudetrakt mit dem heute durch Goethes Aufenthalt wichtigsten Raum des Schlosses ist nicht nur weniger solide, sondern auch nur recht nachlässig mit dem Hauptbau verbunden. Die Wände wurden einfach angesetzt, und auch das Dach steht konstruktiv eher neben dem Hauptdach als dass es fest mit ihm verknüpft wäre. Hinzu kommt, dass der Anbau – wie das Schloss insgesamt – an der Hangkante zum Saaletal steht.


In der Bergstube bezog einst Goethe Quartier, am Fensterrahmen hinterließ er sogar ein paar Zeilen. Später gerahmt, bleiben die Bleistiftnotizen von Dichterhand natürlich auch während der Sanierung ein gut gehüteter Schatz. Sekretär, Gemälde und Möbel sind bereits vor einiger Zeit ausgezogen und werden während der Bauarbeiten sicher verwahrt.
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus GlahnDie Hanglage, die für eine imposante Fernwirkung sorgt, trug ihren Teil dazu bei, dass der Anbau abdriftet. Wohl schon bald nach der Errichtung tat sich ein Spalt auf, der äußerlich immer wieder gekittet wurde. Auch im Kerngebäude haben sich im Lauf der Jahrhunderte schwere Schäden an Dach und Statik eingestellt. Nun bietet das Sonderinvestitionsprogramm I (SIP I) der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG) die Gelegenheit, das gesamte Bauwerk wieder auf solide Füße zu stellen. Dazu haben die Experten der STSG und beauftragte Spezialisten inzwischen vom Keller bis zum Dach alles genau untersucht. Der Befund der Statiker: Der Anbau ist nur ein Teil des Problems, der gesamte Dachstuhl ist nicht funktionsfähig, und auch im Gebäudeinneren werden Lasten zum Teil nicht richtig abgefangen.

Foto: STSG, Philipp Hort
Im Dachstuhl gibt es Verbindungen, denen sogar Laien auf den ersten Blick ansehen, dass sie nicht funktionieren. Mal stoßen Sparren und Verstrebungen stumpf aufeinander, mal zerbröseln Balkenköpfe bei einfacher Berührung. Hinzu kommen Überlastungen durch Umbauten im 20. Jahrhundert, für die das Gebälk nicht gerüstet war, das angesetzte Dach des Anbaus und ein kleines Dach an der Fassade, das sogar nur gegen den Treppenturm gelehnt ist.

Foto: STSG, Philipp Hort

Lose Knotenpunkte und ins Leere laufende statische Verbindungen erhalten bei der Sanierung ihre alte Kraftschlüssigkeit – so nennen die Fachleute eine funktionierende Konstruktion – zurück.
Foto: STSG, Philipp HortUm alles sicht- und vermessbar zu machen, mussten im Dachgeschoss erst jüngere Verkleidungen abgenommen werden. Auch den Zustand der Decken und Wände darunter konnten die Fachleute nur mit gezielten Öffnungen von Putz und Holzverkleidungen einschätzen. Die Vermutung bestätigte sich, dass auch hier vieles im Argen ist. Im ersten Obergeschoss wurde eine Wand eingebaut, die im Erdgeschoss kein Pendant hat, das ihr Gewicht aufnehmen würde. Nach und nach haben die Untersuchungen Licht ins Dunkel gebracht und für alle Schäden eine Ursache gefunden. Auf dieser Grundlage wurde die detaillierte Planung der nötigen Eingriffe geplant. 2025 sollen die Bauarbeiten vor Ort beginnen.

Foto: STSG, Philipp Hort
Die Statik ist aber nicht die einzige Aufgabe, die bei der Sanierung zu lösen ist. Die Dachdeckung muss vollständig erneuert werden, und auch die Fassade steht auf dem Plan für die Handwerker. Im Inneren wird in einem Bereich, der bereits in den 1960er Jahren stark verändert wurde, ein neues Treppenhaus mit Aufzug eingebaut. Die Treppe dient als notwendiger zweiter Fluchtweg, der Aufzug dem Abbau von Barrieren für die Gäste. Goethe hätte die damit verbundene Bequemlichkeit sicher auch geschätzt – ebenso wie Großherzog Carl August, der sich vis-à-vis der kurzzeitigen Dichterwohnung einige Jahre vor seinem Tod ein kleines Sommerappartement hatte einrichten lassen.
Franz Nagel