Regiebetriebe als Grundlage qualitätvoller Gartendenkmalpflege

„Erfahrungswissen, das man in keinem Plan festhalten kann“

AllgemeinDenkmalpflegeGartenkultur
Wer durch einen historischen Garten spaziert, bewegt sich durch ein Kunstwerk. Es zu pflegen, erfordert spezielles Wissen und Können. Einblicke in die Pflege imposanter Parkszenerien, schmucker Teppichbeete, exotischer Pflanzensammlungen und den nachhaltigen Erhalt lebendiger Gartenkunstwerke mit den Gartenreferenten der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten.

Die Pflege historischer Parks und Gärten funktioniert am besten mit Regiebertieben, also in spezialisierten Parkteams unter der Regie von denkmalpflegerisch arbeitenden Institutionen wie der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. Die Gartenreferenten Dietger Hagner und Jonathan Simon erklären im Interview, warum das so ist und worauf es bei den Regiebetrieben ankommt.

Gartenreferenten Dietger Hagner (li.) und Jonathan Simon

Dass ein Garten nicht ohne pflegende Hände auskommt, leuchtet jedem ein. Warum müssen es Regiebetriebe sein?

Hagner: Wir haben es mit Gartendenkmalen zu tun. Sie zu erhalten, erfordert eine andere Perspektive als zum Beispiel die Pflege des eigenen Gartens oder städtischer Grünflächen. In der Gartendenkmalpflege greifen wissenschaftliche Forschung und gärtnerische Praxis ineinander. Diese Besonderheit macht sich nicht bei jedem Löwenzahn bemerkbar, der aus dem Rasen gestochen wird, aber in den grundlegenden Entscheidungen und Arbeitsprozessen wird es deutlich.

Simon: Und es macht sich auch im Erscheinungsbild bezahlt. Es ist eine Frage der Qualität. Das bedeutet nicht, dass andere ihr Handwerk nicht verstehen. Den Unterschied macht die enge Anbindung an gartendenkmalpflegerische Konzepte und das Bewusstsein der Gärtner für die Eigenheit des Ortes und der auszuführenden Tätigkeit. Ein Regiebetrieb ist ein gartenfachlich gut ausgebildetes und technisch gut ausgestattetes Team unter der Leitung eines Parkverwalters, mit dem wir als Gartenreferenten gemeinsam die nahen und fernen Ziele sowie die aktuellen Aufgaben abstecken.

Dornburger Schlossgärten mit dem Rokokoschloss,
Foto: Schatzkammer Thüringe, Marcus Glahn

Lässt sich der Unterschied an einem konkreten Beispiel festmachen?

Simon: Jede gut ausgebildete Zierpflanzengärtnerin weiß, wie man eine Rose schneidet und so pflegt, dass sie im nächsten Jahr wieder prächtig blüht. Das ist auch im Gartendenkmal entscheidend. Ebenso wichtig sind hier aber auch die Auswahl der Sorten und die Festlegung von Standorten und die Beeinflussung der Wuchsform. Das ist der Teil, der sich aus den Forschungen zu einem Garten und seiner Geschichte ergibt. Und daraus leiten sich wiederum konkrete Anforderungen ab, die anders sein können als im Umgang mit modernen Rosensorten.

Hagner: Die historische Pflanzenverwendung ist ein entscheidender Punkt. Das betrifft natürlich nicht jedes Stiefmütterchen in der Frühlingsbepflanzung von Schmuckbeeten, aber der Einsatz historisch nachgewiesener Arten und Sorten ist ein zentrales Charakteristikum von Gartendenkmalen und Maßstab ihrer Qualität – und auch ein gutes Beispiel, wie Theorie und Praxis sich ergänzen. Welche Pflanzen vor 150 oder 200 Jahren häufig verwendet wurden, kann man anhand der damals schon umfangreichen Fachliteratur ermitteln. Was konkret in einem Park zum Einsatz kam, ist schon etwas schwerer herauszufinden. Das ist oft Detektivarbeit mit Plänen und Schriftzeugnissen in Archiven. Das ist ein wichtiger Teil der Forschung.

Simon: Dazu kommen naturwissenschaftliche Fragen wie zum Beispiel nach der Anfälligkeit für Krankheitserreger, nach Standortbedingungen und vielen anderen Aspekten. Gartendenkmale sind oft die einzigen Orte, wo bestimmte Sorten noch gehegt und erhalten werden, übrigens ein wichtiger Beitrag zur Artenvielfalt. All das ermitteln wir durch eigene Untersuchungen und im intensiven Austausch mit Fachkollegen innerhalb der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlösserverwaltungen.

Schloss und Park Altenstein, 2019,
Foto: Schatzkammer Thüringe, Marcus Glahn

Wie finden die Ergebnisse ihren Weg in den Garten?

Hagner: Dafür sind Regiebetriebe der Königsweg. Hier können wir mit den Gartenfachkräften vor Ort Strategien entwickeln und auf neue Erkenntnisse unmittelbar reagieren. Und Regiebetriebe sind der Garant für einen entscheidenden Faktor in der Gartendenkmalpflege – Kontinuität. Wo über lange Zeit Erfahrungswissen aufgebaut werden konnte, nehmen die Kolleginnen und Kollegen Veränderungen wahr und können reagieren.

Herzogliche Orangerie Gotha, 2020,
Foto: Schatzkammer Thüringe, Marcus Glahn

In welchem Bereich ist das besonders wichtig?

Hagner: Am sensibelsten geht es in der Orangerie zu, bei der Pflege der Kübelpflanzen, die eigentlich nicht für ein mitteleuropäisches Klima gemacht sind. Ein gutes Beispiel sind aber auch Bäume und Gehölze. Wer sich kontinuierlich um einen Baumbestand kümmert, baut eine Beziehung dazu auf und kennt die lokalen Faktoren, die darauf Einfluss haben. Das hat in den vergangenen Jahren enorm an Bedeutung gewonnen, seit sich die Folgen des Klimawandels gravierend auf die Gartendenkmalpflege auswirken. Wenn wir rechtzeitig feststellen, dass ein Baum verlustgefährdet ist, können wir genetisches Material sichern, um später Standort- und sortengetreu nachpflanzen zu können.

Simon: Durch den Klimawandel verändert sich auch das Tätigkeitsbild in den Parks und Gärten. In den letzten Jahren spielt der Umgang mit Totholz eine massiv zunehmende Rolle. Die Sicherungen und oft auch unvermeidbaren Fällungen können wir selbst mit einem Regiebetrieb nicht allein bewältigen. Das sind typische Aufträge an Fachfirmen, mit entsprechendem Finanzbedarf. Wir konzentrieren uns darauf, möglichst viele Bäume und Sträucher zu erhalten und resilient zu machen, etwa durch Wässern und Bodenverbesserung. Auch dazu gibt es Forschungsprojekte mit Fachkollegen in ganz Deutschland, die sich unmittelbar in unseren gartendenkmalpflegerischen Ansätzen und in der täglichen Arbeit im Garten niederschlagen.

„Gehst Du in den Garten, vergiss die Säge nicht!“, lautet ein geflügeltes Wort. Was macht ein Regiebetrieb mit der Säge anders?

Hagner: Historische Gärten sind Kunstwerke mit lebendem Material. Die ständige Veränderung ist also gewissermaßen konstitutiv – durch die Jahreszeiten, aber auch durch Wachstum und Alterung. Die Gartendenkmalpflege hat die Aufgabe, gartenkünstlerische Ideen zu erhalten und sichtbar zu machen. Die Säge kommt zum Beispiel zum Einsatz, um Sichtachsen freizuhalten. Und die muss man ebenso wie bewusst komponierte Gehölzränder und -höhen genau kennen, um sie der Idee entsprechend wirken zu lassen. Auch das ist Erfahrungswissen, das man in keinem Plan festhalten kann.

Simon: Ähnlich ist es bei den Rasen- und Wiesenflächen. Sie müssen in ihren Konturen erhalten werden und werden unterschiedlich gepflegt – manche werden als artenreiche Blühwiesen nur zweimal im Jahr gemäht oder beweidet, andere als fein modellierte Zierflächen sehr häufig gemäht. Auch dabei geht es nicht nach Kalender, sondern nach ästhetischem Anspruch und Notwendigkeit in Bezug auf die aktuelle Witterung. Ein Regiebetrieb schafft dabei die notwendige Flexibilität bei der Ausführung bestimmter Arbeiten. Ein weiteres Beispiel sind die Wege. Sie müssten intensiv gepflegt werden, sonst verändern sie ihre Form und manchmal sogar ihren Verlauf. Ihre Bearbeitung setzt das Verständnis ihrer Funktion im Gartenkunstwerk voraus.

Fürstlich Greizer Park, Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Welche Ausstattung braucht ein Regiebetrieb?

Simon: Die Anforderungen an einen Betriebshof bestimmt letztendlich das Gartendenkmal. Wo Pflanzen für den Wechselflor selbst gezogen werden, sind Gewächshäuser unverzichtbar, wo viele Bäume stehen, braucht man Traktoren, für schmale Wege wendige Fahrzeuge. Handgeführte Maschinen sind aus dem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken. Und natürlich werden Büro-, Aufenthalts- und Werkstatträume gebraucht.

Hagner: Als Trend zeichnet sich ab, dass Aufgaben weniger als bisher ausgelagert werden. Dafür müssen Platz und Ausstattung vorhanden sein. Das Vermehren und Ziehen von Pflanzen selbst zu erledigen, hat beispielsweise viele Vorteile, zumal die Zahl der regionalen Anbieter in den letzten Jahren geringer geworden ist. Vor Ort genetisch vermehrte Bäume haben bessere Überlebenschancen als von fernen Standorten eingekaufte. Kurz: Ein gut ausgestatteter Betriebshof ist das Rückgrat des Gartendenkmals. Denn wir erhalten nicht nur das Kunstwerk, sondern durch die tägliche Arbeit auch die damit verbundenen historischen Technologien und Fertigkeiten.

Interview: Franz Nagel


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