Brunnenhaus im Schleusinger Schlossgarten

Quell der Inspiration

BaugeschehenDenkmalpflegeGartenkulturKulturgeschichte
Im Schleusinger Schlossgarten steht ein rares Kleinod, das wahrscheinlich mit sagenhafter Inspiration entstand. Mit neu gestaltetem Umfeld erstrahlt das restaurierte Brunnenhaus jetzt in alter Schönheit.

Nicht eine, gleich drei Quellen speisen die Brunnenstube im Schleusinger Schlossgarten, das fanden die Experten bei den Untersuchungen für die Sanierung des Brunnenhauses vor einigen Jahren heraus. Eine legendäre Entdeckung für all jene, die die Sage um die Gründung der Residenzstadt Schleusingen kennen: Die verzauberte Tochter einer Wassernixe, Hüterin der Quellen der Flüsse Erle, Nahe und Schleuse, soll dort von einem jagenden Grafen erlöst worden sein. Dabei soll dem jungen Grafen die Zauberformel „Sie liebe und siege“ geholfen haben. Nach den Anfangsbuchstaben der Zauberformel „SLUS“ soll besagter Graf dann später die von ihm in der Nähe der Quellgrotte gegründete Stadt Schleusingen benannt haben. Hier lebte er dann glücklich zusammen mit seiner Frau, der erretteten Nixentochter. Einen Bezug zwischen der Gründungslegende und den drei Quellen zu vermuten, die unter dem Brunnenhaus im Schleusinger Schlossgarten zusammenfließen, liegt also nicht ganz fern.

Brunnenhaus im Schleusinger Schlossgarten mit neuer Umfeldgestaltung, Foto: STSG, Franz Nagel

Sagenhaft muss auf jeden Fall der Ausblick aus dem Obergeschoss des Brunnenhauses in den Schlossgarten einst gewesen sein. Denn über den sechs Sandsteinpfeilern des offenen Erdgeschosses ruht ein überdachtes Obergeschoss mit einer gemütlichen Stube. Durch deren Fenster eröffnet sich der Blick in den Garten. Zugänglich war die Turmstube einst über eine Außentreppe. 

Brunnenhaus und Garten stehen seit Jahrhunderten in enger Verbindung zueinander. Das kleine Bauwerk entstand vor über 400 Jahren im Zusammenhang mit der Anlage des Schlossgartens. Der kleine architektonische Gartenschatz spielte eine zentrale Rolle in der damaligen Gartenanlage und diente dem komfortablen Aufenthalt an erhöhter Position mit Überblick über die kunstvoll kombinierten Blumenbeete und Nutzpflanzen.

Heute ist das Brunnenhaus von Schloss Bertholdsburg eine kleine Rarität. Es finden sich kaum Vergleichsbeispiele. Das ist nicht zuletzt dem Verlust vieler Gartenarchitekturen aus der Renaissance und dem Frühbarock in Europa geschuldet, die späteren Gartengestaltungen weichen mussten oder schlicht verfielen.

Dank einer großzügigen Förderung durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz konnte das Brunnenhaus in den letzten Jahren saniert und 2025 auch das Umfeld wiederhergestellt werden.

Zu Beginn der Sanierung stand zunächst die Statik im Vordergrund. Durch ein marodes Pfeilerfundament war es im Lauf der Zeit zum Schiefstand des Bauwerks gekommen. Durch eine Stützkonstruktion wurde das schadhafte Fundament stabilisiert. Gesichert werden musste auch das von den Pfeilern getragene Kreuzrippengewölbe über dem Brunnenbecken. Dazu wurden von oben Stahlstifte eingesetzt, mit einem Edelstahlgitter verspannt und mit einer Mörtelschicht bedeckt. Zusätzlich wurde ein von außen in die Fugen gelegter Ringanker verbaut.

2020 erfolgte die statische Sicherung des Brunnenhauses, Foto STSG, Carola Niklas

Im Obergeschoss wurde der marode hölzerne Bodenaufbau ersetzt, dann kehrten die Dielen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts wieder zurück. Auch die Deckenbalken mussten erneuert und der Dachstuhl aus dem Jahr 1620 repariert werden. Tischler kümmerten sich um die Fenster. In die Kur gingen auch die Sandsteinoberflächen der Fassaden. Steinrestauratoren reinigten sie und befreiten die Werksteinflächen von Krusten und Verschmutzungen. Loses Fugenmaterial ersetzten die Experten durch Mörtel in passender Rezeptur. 

Blick in die Turmstube 2021 mit noch verschlossenen Fensteröffnungen, Foto: STSG, Iris Palzer

Nach historischem Vorbild wurde dann auch das spitze Zeltdach neu eingedeckt. Die noch nachweisbaren besonders geformten Turmziegel wurden dafür in einer auf historische Ziegelformen spezialisierten Manufaktur eigens nachgefertigt. Die kleinen Biberschwanzziegel, die auch Turmbiber genannt werden, sind besonders für steile Dächer geeignet. Mit ihnen erhielt das Brunnenhausdach wieder seine feingliedrige Struktur zurück, die es bis ins frühe 20. Jahrhundert auszeichnete.

Brunnenhaus während der Sanierung mit neuer Dacheindeckung,
Foto: STSG, Franz Nagel

In diesem Jahr ermöglichte eine Anschlussförderung über die Deutsche Stiftung Denkmalschutz auch die Arbeiten am Umfeld. Um das Kleinod aus dem frühen 17. Jahrhundert wieder ganz zu zeigen, wurde das Bodenniveau abgesenkt und der Verlauf der benachbarten modernen Treppe korrigiert. In großem Umfang wurden alte Leitungen im Boden rund um das Brunnenhaus ersetzt. Die Flächen wurden als wassergebundene Wegedecken befestigt, teils auch mit Flusskieseln gepflastert. Abschließend wurden die angrenzenden Beete mit Stauden bepflanzt.

Während der Umfeldneugestaltung 2025, Foto STSG Franz Nagel

Das namengebende Brunnenbecken unter dem Gewölbe des Brunnenhauses wurde samt Zuleitungen instandgesetzt und erhielt eine neue Einfassung. Später soll das derzeit noch abgedeckte Becken ein Geländer erhalten, auch eine Treppe zum Obergeschoss des Brunnenhauses soll noch folgen.

Restauriertes Brunnenhaus mit neuer Umfeldgestaltung im Schleusinger Schlossgarten, Foto: STSG Franz, Nagel

Das geheimnisvolle Schleusinger Brunnenhaus mit sagenhafter Geschichte hat seinen alten Platz im Schlossgarten jetzt wieder zurückgewonnen.

Schloss Heidecksburg in Rudolstadt

Dachsanierung in den Startlöchern

BaugeschehenDenkmalpflegeSonderinvestitionsprogramm I
Auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt hat die Einrichtung der Baustelle für das erste von drei Sanierungsprojekten im Sonderinvestitionsprogramm I begonnen – die Dachsanierung am Westflügel. Das rund 65 Meter lange Dach geht in den kommenden drei Jahren in die Kur. Dafür laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren.

Unter den wachen Blicken von Zeus herrscht im ersten Obergeschoss des Westflügels von Schloss Heidecksburg geschäftiges Treiben. Die mobile Ausstattung wird beräumt, Kronleuchter werden bald zu Boden gelassen und eingehaust und im Festsaal steht der Aufbau eines Raumgerüsts bis unter die kunstvolle Decke mit den auf Wolken gebetteten Göttern an. Für die Dachsanierung bleiben die Wohn- und Festräume der Beletage des Westflügels in den kommenden drei Jahren geschlossen. Die wertvolle Innenausstattung mit Stuck und Malereien im ersten und zweiten Obergeschoss wird während der Arbeiten im Dach von den Restauratoren engmaschig überwacht. Zu sehen gibt es auf Schloss Heidecksburg für Besucherinnen und Besucher aber weiterhin viel, das Museum mit der Gemäldegalerie im Südflügel, der fantasievollen Ausstellung Rococo en miniature und dem Naturhistorischen Museum bleibt geöffnet und freut sich über Besuch.

Schloss Heidecksburg besitzt eine verschachtelte Dachlandschaft,
Foto STSG, André Kranert

Auch im Außenbereich kann sich die Baustelle nicht mehr verstecken. Vor dem Westflügel wird ein Kran aufgestellt und im Schlossumfeld die Baustelleneinrichtung mit Zuwegungen und Lagerflächen eingerichtet. Bald rücken auch die Sattelschlepper mit den ersten Gerüstbauteilen an. Rund drei bis vier Monate wird die Einrüstung des Westflügels samt Schlossturm dauern.

Um den Westflügel wird die Baustelleneinrichtung samt Kranstandort im Hof vorbereitet, Foto: STSG, Carolin Schart

Die Gerüstkonstruktion ist sehr komplex – die Windlasten auf dem Schlossberg sind groß, der Untergrund besteht aus zerklüftetem Dolomitgestein. Sowohl Statik als auch Aufbau wurden von den Experten genau berechnet und geplant. Rund 70 Meter wird das Gerüst bis zur Turmspitze hoch reichen.

Giebel des Westflügels, auch an den Traufgesimsen der Fassade sind die Schäden bereits sichtbar, Foto: STSG, André Kranert

Ab Frühjahr 2026 gehen dann die Dachdecker und Zimmerleute ans Werk. Das Dach am Westflügel ist stark geschädigt, insbesondere in den Traufbereichen. Hier hat sich die Feuchtigkeit gestaut, die durch die undichte Schieferdeckung lange eingedrungen ist. Aber nicht nur die hölzerne Dachkonstruktion hat Schäden. Die eingedrungene Feuchtigkeit macht sich auch an der kunstvollen Innenausstattung im ersten und zweiten Obergeschoss des Westflügels bereits bemerkbar.

Sich über zwei Geschosse erstreckend, ragt die Decke des Festsaals bis in den Dachstuhl des Westflügels hinein, Foto: STSG, André Kranert

Neben dem Olymp zeichnet sich an der Decke des Festsaals bereits ein Wasserfleck ab. Auch Versalzungen sind auf dem Stuckmarmor im Saal zu erkennen. Ins Auge fallen die Feuchteschäden besonders im zweiten Obergeschoss, direkt unter dem Dach. In der Galerie, die zuletzt als Museumsdepot diente, sind die dunklen Flecken an Decke und Wänden gut zu erkennen.

Galerie im zweiten Obergeschoss im Westflügel von Schloss Heidecksburg, Foto: STSG, Andrè Kranert

Die Dachsanierung am Westflügel war lange überfällig, durch die Mittel im Sonderinvestitionsprogramm I, finanziert durch Bund und Land, kann sie nun angegangen werden. Abschnittweise wird das Dach des im 18. Jahrhundert nach einem großen Schlossbrand neu errichteten Westflügels geöffnet und der darunter liegende historische Dachstuhl im Bestand saniert. Ist die Dachsanierung am Westflügel abgeschlossen, folgt ab 2028 die Sanierung des Nordflügeldachs als zweiter Projektbestandteil.

Auf Schloss Heidecksburg steht also Großes an, nicht nur denkmalpflegerisch, auch die Nutzungsbedingungen für das Thüringer Landesmuseum Heidecksburg werden mit der Dachsanierung deutlich verbessert. Das Bauen gehörte schon immer zum Residenzschloss, heute steht dabei aber nicht mehr die Repräsentation im Fokus, es geht um den Denkmalerhalt für die nächsten Generationen.

Anke Pennekamp

Renaissanceschloss Dornburg

Keine alten Schachteln

AllgemeinBaugeschehenDenkmalpflegeSonderinvestitionsprogramm I
Zugegeben, einige Jahrhunderte haben sie auf dem Buckel, die drei Majestäten, die an einer Hangkante über dem Saaletal in Dornburg thronen. Zu unterschiedlichen Zeiten unabhängig voneinander errichtet, wurden die drei Schlösser im 19. Jahrhundert unter den Großherzögen von Sachsen-Weimar-Eisenach zu einem Ensemble vereint und durch die Schlossgärten miteinander verbunden. Das Renaissanceschloss wird im Sonderinvestitionsprogramm I der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten gerade saniert. Der erste Meilenstein ist bereits erreicht, die historische Turmhaube über dem Treppenturm ist saniert. Dabei spielten auch drei Schachteln eine Rolle.

Die drei Dornburger Schlösser besitzen besondere Fernwirkung, die schon Johann Wolfgang von Goethe zu schätzen wusste. 1828 bezog er in Dornburg nach dem Tod seines Freundes und Mäzens Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach für mehrere Wochen Quartier. Nicht nur literarisch hinterließ Goethe in Dornburg Spuren und verfasste auch ein eigenes Gedicht über den Ort. In seinem Arbeitszimmer, der Bergstube, kritzelte er mit Bleistift beispielsweise auch einen Wetterbericht an den Fensterrahmen und vermerkte den Zeitraum seines Aufenthalts.

Renaissanceschloss Dornburg während der Sanierung,
Foto: STSG, Philipp Hort

Sowohl die Witterung, als auch das Alter und Umbauten im 20. Jahrhundert haben am Renaissanceschloss gezehrt. Konstruktive Verbindungen sind über die Zeit geschwunden. Ein Anbau aus der Zeit um 1800, in dem Goethe seinerzeit schon nach Ruhe und Inspiration suchte, driftet langsam ab. Seit Anfang des Jahres gehen jetzt Handwerker im beräumten Renaissanceschloss ein und aus. Auch sie dichten, aber im weniger literarischen Sinn. Die Arbeiten im Rahmen der Dachsanierung laufen auf Hochtouren. Aber auch die Fassaden und vor allem die Baukonstruktion stehen im Fokus der Sanierung.

Im Zuge der Bauarbeiten wird das Dach abschnittweise geöffnet und der darunterliegende historische Dachstuhl im Bestand saniert. Als erster Etappensieg konnte im September die Sanierung der Turmhaube über dem Treppenturm abgeschlossen werden. Rund 400 Jahre ist die Haubenkonstruktion alt.

Frei liegende Turmhaubenkonstruktion während der Sanierung,
Foto STSG, Philipp Hort

Vor der Sanierung wurde auch der Turmknopf samt Wetterfahne abgenommen und in der Metallwerkstatt restauriert. Zum Abschluss der Sanierung wurden beide wieder aufgesetzt und der Knopf mit drei Zeitkapseln befüllt, eine für jedes der drei Dornburger Schlösser. Trotz geringer Schachtelgröße bewahren die drei Zeitkapseln nun umfangreiches Wissen: die Sanierungsplanung für das Renaissanceschloss wurde in Mikrogröße auf kleine Karten gedruckt und in die Kapseln zusammen mit Fotos, Münzen und Pflanzensamen aus den Dornburger Schlossgärten eingelegt. Auch ein Schreiben der Urururenkelin des letzten privaten Besitzers des Renaissanceschlosses Johann Heinrich Bernhard Stohmann wird jetzt als Mikrodruck im Turmknopf verwahrt.

Die Ursprünge des Renaissanceschlosses gehen auf das Herrenhaus eines freien Ritterguts zurück. Anfang des 17. Jahrhunderts wurden die markanten Zwerchhäuser errichtet, die Innenräume mit geschnitzten Balkendecken ausgestattet und der Wendelstein an der Nordfassade um ein Turmgeschoss samt einer geschweiften Haube aufgestockt. Im Erdgeschoss des Schlosses lag die Hofstube, im ersten Obergeschoss ein Festsaal. 1790 erwarb die Familie Stohmann das Gut, 1824 wurde das Herrenhaus dann von Großherzog Carl-August erworben, der es zu seinem Wohnschloss umbauen ließ.

Um 1800 wurde westlich am Renaissanceschloss ein Anbau ergänzt. Er ist an den fehlenden horizontalen Gesimsen unterhalb der Fenster zu erkennen.
Foto: STSG, Philipp Hort

In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde eine Goethe-Gedenkstätte im Renaissanceschloss eingerichtet, Teile des Erdgeschosses wurden zur damaligen Zeit als Gäststätte genutzt und das Dachgeschoss wurde für eine Wohnraumnutzung ausgebaut.

Die Sanierungsmaßnahmen im Sonderinvestitionsprogramm I haben die Sicherung der jahrhundertealten Baukonstruktion zum Ziel. Auch die Objektsicherheit wird optimiert und durch den Einbau eines Aufzugs die barrierearme Erschließung verbessert. Nach der Sanierung wird das Renaissanceschloss wieder als Museum zu besuchen sein. Das (Ab)dichten obliegt dann wieder Goethe, der weiterhin eine Hauptrolle im Schloss spielen wird.

Anke Pennekamp

Gewässersanierung im Schlosspark Molsdorf abgeschlossen

Balanceakt im Gartenparadies

AllgemeinBaugeschehenDenkmalpflegeGartenkultur
Eine ihrer größten gartendenkmalpflegerischen Maßnahmen der letzten Jahre  konnte die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten jetzt im Schlosspark Molsdorf abschließen. Dabei ging es nicht nur um den Erhalt des Gartendenkmals, sondern auch das ökologische Gleichgewicht im Park. Denn die historische Parkanlage ist auch eine Schatzkammer der Artenvielfalt.

Ganz schöne Wellen geschlagen haben die gartendenkmalpflegerischen Maßnahmen, die im November 2024 im Schlosspark Molsdorf ihren sichtbaren Start nahmen – im symbolischen Sinne. Es geht um die Gewässersanierung. Im Schlosspark spielte das Wasser immer eine Hauptrolle. Im 18. Jahrhundert ließ der Diplomat Gustav Adolph Graf von Gotter einen Barockgarten anlegen. Wasserspiele hatten, wie damals üblich, darin ihren festen Platz. Zwei Kanäle flankierten das auf das Schloss ausgerichtete Rasenparterre, eine Wassertreppe, Brunnen und ein Wasserbecken am Schloss sorgten für spielerische Effekte. Nach Besitzerwechseln wurde der Barockgarten im 19. Jahrhundert dann unter den Herzögen von Sachsen-Gotha-Altenburg zum Landschaftsgarten umgestaltet. Dabei blieben einige Elemente der bacocken Gartengestaltung erhalten, wie die Stufenstruktur der Wassertreppe, ein Teil des Graben- und Kanalsystems und auch das Bassin am Schloss. Im Park neu angelegt wurde bei der landschaftlichen Umgestaltung der Sichelteich.

Schlosspark Molsdorf mit entschlammten Sichelteich,
Foto: STSG, Anke Pennekamp
Während am Parkpavillon die Sanierung läuft, ist der Schlossteich bereits entschlammt, Foto: STSG, Anke Pennekamp

Gartendenkmal und Ökosystem

Die Gewässer in historischen Park- und Gartenanlagen müssen alle paar Jahrzehnte entschlammt werden. Über die Zeit bilden sich in ihnen Ablagerungen durch organisches Material und Sediment. Werden diese nicht abgetragen, verschwinden die Seen, Teiche und Kanäle langsam, sie verlanden. Das abfallende Wasservolumen und die schlechter werdende Wasserqualität können das ökologische Gleichgewicht beeinträchtigen und zum Beispiel zu Blaualgenbefall oder auch zu Fischsterben führen.

Im Schlosspark Molsdorf war schon seit geraumer Zeit die Gewässersanierung ins Auge gefasst, nur fehlten die Mittel für die Umsetzung. Dank einer Förderung über 800.000 Euro durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur konnte der wichtige gartendenkmalpflegerische Meilenstein nun angegangen werden.

Gewässersanierung im Schlosspark Mosldorf, Foto: STSG, Jonathan Simon

Von der Entschlammung zur Uferbefestigung

Im November 2024 begann die Entschlammung mit dem langsamen Ablassen des Wassers aus dem Kanalsystem und den Teichen. Mit Baggern wurden rund 2.700 Tonnen Schlamm aus dem großen Sichelteich, dem Schlossteich, dem Hirschgraben und dem Kanal abgetragen. Nach dem Ausbaggern wurden die Ufer des Schlossteichs und des Kanals mit Robinienstaketen und Eichenplanken neu befestigt. Die traditionelle Bauweise, die bereits seit dem 19. Jahrhundert angewendet wird, ist leicht zu reparieren, langlebig und damit nachhaltig. Die Uferlinie des Sichelteichs wurde wiederhergestellt und dabei entsprechend ihres historischen Verlaufs wieder flach ins Wasser modelliert.

Nach dem Entschlammen wurden die Ufer des Kanals in traditioneller Bauweise neu befestigt, Foto: STSG, Jonathan Simon

Durch die Entschlammung haben die Gewässer im Schlosspark Molsdorf rund einen Meter an Tiefe zurückgewonnen. Das Wasservolumen konnte also deutlich erhöht werden. Damit ist auch der kühlende Effekt des Wassers im Sommer in der Parkanlage wieder größer, ein wichtiger Faktor auch bei der Anpassung an den Klimawandel. Aber auch gartenkünstlerisch besitzt das Wasser effektvolle Wirkung. Die Gewässer wurden einst bewusst geschaffen, mit Raffinesse in Form gebracht oder an einer bestimmten Stelle in der Gesamtkomposition des Parks positioniert. Sie schaffen Ausblicke und Sichtachsen mit überraschenden Anblicken und spiegeln ihre Umgebung – ein wohl durchdachter Kniff der Gartenkunst.

Verschwundene Parkwege wiederentdeckt

Eine unscheinbare, aber leitende Rolle spielen im Schlosspark Molsdorf auch die Wege – als Rundweg um den Sichelteich geschmiegt oder als Einladung zum idyllischen flanieren am Kanal entlanggeführt. Im Zuge der Gewässersanierung konnten auch zwei historische Wege zurückgewonnen werden. Durch historische Parkpläne und auf Fotografien waren der Weg am Kanal mit einem Rondell auf Höhe der Kaskade und der Weg am Sichelteich noch nachweisbar. Durch Suchschürfe konnten ihre historischen Verläufe und Wegebreiten nachverfolgt werden.

Auf neuen alten Pfaden führt der wiederhergestellte Parkweg am Kanal entlang, Foto: STSG, Jonathan Simon

Durch die Gewässersanierung und Wegewiederherstellung hat der Schlosspark Molsdorf einiges von seinem historischen Charm zurückerhalten. Die Gewässer sind nun wieder in der Balance.

Anke Pennekamp

Tag des offenen Denkmals 2025

Kurios, goldig und sagenhaft

AllgemeinBaugeschehenDenkmalpflegeKulturgeschichteSonderinvestitionsprogramm IVermittlung
Jeden zweiten Sonntag im September ist Tag des offenen Denkmals. Auch in Thüringens Schlössern und Burgen gibt es 2025 zum Aktionstag einige sonst verborgene Winkel und Geschichten zu entdecken und zu hören – von kreativen Schlossherren, märchenhaften Hausgästen, klangvollen Kellern, frostempfindlichen Exoten und rohen Barockschönheiten.

Kurios und innovativ zugleich geht es in Kloster und Schloss Mildenfurth zu. Matthes von Wallenrod ließ hier vor rund 500 Jahren ein Prämonstratenserkloster zum Schloss umbauen. Im Zuge der Reformation aufgelöst, wurde die romanische Klosterkirche in Teilen abgetragen und die Vierung zum Schloss mit aufgesetzten Türmen und Renaissancegiebeln ausgebaut. Ein Teil des Bauschmucks des Sakralbaus blieb beim Umbau in den neu eingezogenen Geschossen erhalten, so ragt noch so mancher Säulenschaft und imposantes Kapitell aus der Wand heraus. Zum Denkmaltag 2025 werden von 10 bis 16 Uhr halbstündlich Führungen angeboten.

Kloster Mildenfurth, Foto STSG, Constantin Beyer

Die Veste Heldburg wiederum wartet nicht nur mit Türmchen, Zinnen und märchenhafter Silhouette auf. Auch Fränkische Leuchte genannt, war die Veste einst wichtiger Grenzposten, von dem aus Feuersignale als Warnzeichen gesendet werden konnten. Im 19. Jahrhundert wandelte sich die Veste unter Herzog Georg II. endgültig zum romantischen Bergschloss. Aber nicht nur über Tage, auch unter der Veste gibt es klangvolle Geschichte zu entdecken. Zum Denkmaltag 2025 öffnen sich um 13 Uhr die Kellertüren der Veste Heldburg zur Führung. Neben den Resten einer mittelalterlichen Badestube findet sich hier auch eine Musikantenkammer. 

Veste Heldburg, Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Ebenfalls märchenhaft geht es gerade in einem Geheimtipp in der Weimarer Innenstadt zu, dem Kirms-Krackow-Haus. Im Garten und Wohnhaus der Brüder Kirms kam im 19. Jahrhundert das Who-is-Who der Weimarer Gesellschaft zusammen. Neben Goethe war auch der dänische Märchendichter Hans Christian Andersen zu Gast. Bei einer Sonderführung durch das Haus gibt es so manchen Winkel zu entdecken, den die Museumsgäste sonst nicht zu sehen bekommen. Tickets sind an der Museumskasse oder in der Tourist-Information Weimar zu ergattern.

Blick in den Hof des Kirms-Krackow-Hauses in Weimar,
Foto STSG, Constantin Beyer

Goldig wird es wiederum auf Schloss Sondershausen. Das Residenzschloss der Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen prunkt in den Alten Flügeln mit feinem Stuck auf. Während im Blauen Saal die Putti von der Decke lächeln und im Riesensaal die Götter wachen, ist an anderer Stelle im Schloss der Deckenstuck jedoch notgesichert. Im Sonderinvestitionsprogramm I stehen Sanierungsmaßnahmen in den Alten Flügeln an. Wenn es dabei auch in erster Linie um statische Sicherungen geht, spielt auch der Erhalt von Stuck und wertvollen Wandgestaltungen eine Rolle. Im Schlosshof wird es deshalb zum Denkmaltag 2025 praktisch. Große und kleine Besucherinnen und Besucher können hier im Rahmen eines Workshops um 10 Uhr, 11.30 Uhr und 13.30 Uhr das Vergolden von Stuck und das Arbeiten mit der Musterrolle erproben.

Im Jägerhaus von Schloss Sondershausen ein paar Meter weiter geht es wiederum auf Fährtensuche. Im 18. Jahrhundert errichtet, gaben sich hier einst Gärtner und das fürstliche Jagdpersonal die Klinke in die Hand. Zum Denkmaltag kann auf die Jagd nach den Verlustursachen im maroden Gebäude gegangen werden, das ebenfalls im Sonderinvestitionsprogramm I bald saniert wird. Infoschilder geben Auskunft zu den Bauschäden.

Schloss Sondershausen,
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Besondere Einblicke hinter sonst verschlossene Türen kann man auch in der Herzoglichen Orangerie Gotha erhaschen. Hier wird bis heute ein besonderer Schatz der ehemaligen herzoglichen Sammlungen von Schloss Friedenstein umsorgt, hunderte Lorbeer- und Zitruspflanzen. Wertvolle exotische Pflanzensammlungen spielten an den Höfen eine besondere Rolle, ihre aufwendige Pflege machte sie zu einem besonders wertvollen Gut. Auch Kamelien und Ananas sind heute wieder in der Gothaer Orangerie zu finden. Im Winter boten die Pflanzenhäuser der Orangerie den grünen Schätzen frostsicheres Winterquartier. Zum Denkmaltag sind die Pflanzenhäuser von 11 bis 17 Uhr geöffnet.

Herzogliche Orangerie Gotha, Foto STSG, Jens Scheffler

Die Ruine der Klosterkirche Paulinzella wurde im 19. Jahrhundert zum wertvollen Sehnsuchtsort. Vor rund 900 Jahren mit Hilfe von Mönchen aus dem Reformkloster Hirsau erbaut, lässt die Kirche noch heute deren Einflüsse erkennen. Zum Denkmaltag geht es um 14 Uhr und 15 Uhr auf Rundgang durch die Klostergeschichte, dabei wird es auch sagenhaft, denn nicht wenige Geschichten ranken sich um die Klosterkirche, einen der bedeutendsten hochmittelalterlichen Sakralbauten Mitteldeutschlands.

Klosterkirche Paulinzella, Foto STSG, Tino Trautmann

Besondere Klostergeschichte steht auch in Göllingen im Mittelpunkt zum Denkmaltag 2025. Das ehemalige Benediktinerkloster wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Konservenfabrik umgebaut. Um 11 Uhr und 14.30 Uhr geht es auf Rundgang durch 1000 Jahre unbezahlbare Klostergeschichte. Dabei wird es auch persönlich, eine Zeitzeugin berichtet aus ihren Erinnerungen vom Wandel der Anlage zur Konservenfabrik und dem bürgerschaftlichen Engagement zum Erhalt der Klosteranlage. Natürlich wird auch ein Blick in die neue Dauerausstellung in der ehemaligen Lagerhalle für die Edelkonserven geworfen.

Kloster Göllingen, Foto STSG, Philipp Hort

Um Ritter, Burggeschichte und eine besondere barocke Schönheit dreht es sich zum Denkmaltag 2025 auf der Wasserburg Kapellendorf. Um 12 Uhr und 14 Uhr wird zur Geschichte der Burganlage geführt. Um 16 Uhr steht der Prinzessinnenbau im Rahmen einer Führung im Mittelpunkt. Eigentlich als Witwensitz für Herzogin Eleonore Wilhelmine von Sachsen-Weimar errichtet, blieb das Gebäude im Barock nach dem Tod der Bauherrin als Rohbau zurück. Auch der Bauschmuck an der Fassade blieb unfertig behauen. Im Sonderinvestitionsprogramm I wird der Prinzessinnenbau saniert, die Führung gibt Einblicke in die geplanten Maßnahmen.

Prinzessinnenbau der Wasserburg Kapellendorf,
Foto: STSG, Alica Bergmann

Auch auf Schloss Heidecksburg, Schloss Schwarzburg, den Dornburger Schlössern, dem Oberschloss Kranichfeld, der Burg Weißensee, im Schlosspark Molsdorf und an vielen Orten mehr gibt es passend zum diesjährigen Denkmalstags-Motto „Wert-voll“ unbezahlbares zu entdecken. Das ganze Programm der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten zum Tag des offenen Denkmals gibt es hier zum erstöbern.

Graf von Gotter und sein Schloss Molsdorf

Ein Parvenue aus Gotha

AllgemeinGartenkulturKulturgeschichte
Gustav Adolf Graf von Gotter gilt als Lebemann und Parvenue. Ihm haben wir Schloss Molsdorf bei Erfurt zu verdanken. Ein Blick auf Gotter und sein Barockschloss.

Wer bei Gotter zu Tisch gebeten wurde, aß unter den Augen von Königen und Prinzen von Preußen, von Prinz Eugen von Savoyen, von Herzögen von Württemberg und Sachsen-Gotha, von Grafen und Fürsten. Ihre Porträts sind dicht an dicht in die Wandvertäfelung des Speisesaals von Schloss Molsdorf eingelassen. Es ist aber kein plumpes Namedropping, mit dem der Hausherr seine Gäste beeindrucken wollte, hinter jedem Bild steckt eine persönliche Beziehung.

Der 1692 geborene Gustav Adolf Graf von Gotter stammte aus bürgerlichem Haus in Gotha. Das Adelsprädikat des Reichsgrafen gehörte zu den letzten Stufen auf der Karriereleiter, die der Jurist nach seinem Studium zügig erklomm. Zunächst trat Gotter in den Dienst des Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg, dessen Interessen er in verschiedenen Funktionen am kaiserlichen Hof des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation in Wien vertrat.

Mit der Erhebung in den Reichsfreiherrenstand eröffnete sich ihm schnell eine andere Liga. Gotter zeigte sich hilfreich für Preußen und wurde bald auch von dort bestallt. Geheimer Staatsrat, Minister, Generaldirektor der preußischen Oper und schließlich Generalpostmeister sind nur einige der Ämter, die er in Preußen im Lauf der Jahre zum Teil parallel bekleidete. Mit der Aufnahme in den Reichsgrafenstand 1740 war der Aufstieg perfekt.
 

Schloss Molsdorf bei Erfurt, Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Dass nicht immer alles so reibungslos verlief, wie es die Ämterkarriere glauben machen könnte, zeigt Gotters Versuch, dem sozialen Erfolg entsprechend sesshaft zu werden. Anders als geborene Adelige verfügte Gotter nicht über einen dynastischen Stammsitz, der würdiges Alter und standesgemäße Pracht ausstrahlte. Zwar zahlten der preußische König Friedrich II. und die herzoglichen Auftraggeber gut, die Möglichkeit zum Erwerb eines Schlosses eröffneten aber erst zwei Lottogewinne.

1734 kaufte Gotter Schloss Molsdorf südlich von Erfurt aus dem Eigentum des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg. Schnell begann er mit dem Um- und Ausbau der früheren und schon durch einige gestaltende Hände gegangenen Wasserburg. Es sollte ein barockes Landschloss entstehen, dazu ein großer Garten nach französischem Muster. Jedoch war Gotter immer wieder knapp bei Kasse, nebenher forderte auch der aufwendige Lebenswandel seinen Tribut.

Neuer Schwung kam nach der Verleihung des Reichsgrafentitels in das Projekt. Die Notwendigkeit der Repräsentation wurde damit dringlicher. Als Garant dafür bot sich ein Baumeister an, der an den Höfen der Umgebung als Virtuose der aktuellen Bau- und Ausstattungskunst herumgereicht wurde – der Rokoko-Regionalmatador Gottfried Heinrich Krohne. Er tilgte den bis dahin erhaltenen Turm, der noch an die frühere Wasserburg erinnerte, und schuf eine Gartenfassade, die schmuck- und anspielungsreich auf die Antike und den Stand des Hausherrn bezugnahm. Im Mittelpunkt stehen die Göttin Flora und der Adler als gräfliches Statussymbol im Reichsgefüge.

Marmorsaal im Schloss Molsdorf, Foto: STSG, Constantin Beyer

 
Im Inneren des Schlosses entstand eine Raumfolge, die bewusst an die Ausstattung fürstlicher Schlösser anknüpfte. Der Marmorsaal beispielsweise entspricht in seiner Funktion dem Hauptsaal eines Schlosses. Dort präsentierte sich Gotter inmitten des teuren Stuckmarmors, vielleicht mit einem Augenzwinkern, im Porträt als lebensfroher Jäger, dem Lord Waldegrave gegenübersteht, der ihn zum Lottospiel animiert und vielleicht auch zu der auffälligen Glückssträhne von zwei Gewinnen verholfen hatte.

Supraportengemälde mit den Schlössern Molsdorf, Schwarzburg und Stedten deuten assoziativ auf die bei Dynastien übliche terrioriale Anspruchsdarstellung hin und schaffen so den fiktionalen Anklang an eine Residenz. An den Saal schließen sich Kabinette und ein Salon an – und der von zahllosen Porträts gezierte Bankettsaal. Immer wieder taucht das Motiv des Adlers auf, mit dem Gotter auf etwas verwies, auf das er besonders stolz sein konnte. 1731 hatte Friedrich der Große ihm den Schwarzen Adlerorden verliehen, den höchsten Orden des preußischen Königshauses.

Bankettsaal im Schloss Molsdorf, Foto: Bildarchiv Foto Marburg, Uwe Gaasch

Ähnlich wirksam wie der Adler ist allerdings Gotters Motto zu finden: „Vive la Joie“ – Es lebe die Freude. Dass damit – anders als oft vermutet – nicht die Aufforderung zum zügellosen Leben gemeint ist, zeigen viele andere bildliche und verbale Zitate im Schloss, an seinen Fassaden und im Garten. Wer diesen unzähligen intellektuellen Anspielungen folgt, findet sich in der antiken Gedankenwelt des Philosophen Epikur und des Dichters Horaz wieder. Ihnen kam es auf maßvolle Sorgenfreiheit statt auf die Maximierung von Genuss an. Ob Gotter darin einen Spiegel seines Lebens oder eine Mahnung an sich selbst sah? Zu beiden Annahmen gibt das schillernde Leben des Bürgersohns Anlass, der sich auf dem ständischen Parkett des Reichs behauptete. Sicher ist jedoch, dass er 14 Jahre vor seinem Tod das Schloss aus Liquiditätsgründen wieder verkaufen musste.

Franz Nagel

Lesetipp: Schloss und Garten Molsdorf. Graf Gotters Residenz der Aufklärung, Große Kunstführer der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, Band 4, Regensburg 2012.

Zeugnisse höfischer Theaterkultur in Thüringen

Bretter, die den Anfang machten

AllgemeinDenkmalpflegeKulturgeschichteVermittlung
Zu den kulturellen Pfunden Thüringens zählt die staunenswert hohe Dichte an Theatern und Orchestern. Sie sind Teil eines historischen Erbes, das Thüringen gegenüber anderen Regionen einzigartig macht. Die bis heute gepflegte Theaterkultur selbst in Städten, denen man ihrer Größe nach eigentlich kein Theater zutrauen würde, hat ihre Ursprünge in der Kultur der Residenzen – und davon gab es im vergleichsweise kleinen Thüringen so viele so dicht beieinander wie nirgendwo sonst.

Am Höhepunkt der Kleinstaaterei um 1700 regierten in Thüringen bis zu 30 Linien der Ernestiner, Reußen und Schwarzburger gleichzeitig, sie alle hatten ihre Residenzen. Für viele von ihnen gehörte dazu zumindest ein provisorisches Theater. Während im übrigen Deutschland nach 1806 die zahllosen Kleinstaaten zu größeren Territorien zusammengefasst wurden, blieb in Thüringen das Nebeneinander kleiner recht eigenständiger Staaten erhalten. Am Ende der Monarchie 1918 gab es immerhin noch neun davon, jeweils mit eigener Residenzstadt samt inzwischen fest etabliertem Theater. Daneben waren Theater höfischen Ursprungs aber auch in vorher nur zeitweise als Residenz genutzten Städten aktiv geblieben.

Foto, STSG, Constantin Beyer

Im Lauf des 19. Jahrhunderts hatten sich die Theater zunehmend aus dem unmittelbaren Zusammenhang der Höfe gelöst und waren bürgerlich geprägte Bildungs- und Gesellschaftsinstitutionen geworden, selbst wenn sie noch von den Höfen finanziert waren. Für die Fürstenfamilien gab es in den inzwischen stadtbildprägend errichteten Theatern besondere Plätze, aber eigentlich nahmen sie wie das bürgerliche Publikum an den Aufführungen professioneller Ensembles und Orchester teil. Das war aber nicht immer so.

Theater und höfische Festkultur

Lange Zeit war das Theater eng mit der höfischen Festkultur verknüpft, in der die Herrscher selbst eine tragende Rolle spielten. Ritterspiele, Triumphe, zur Schau abgehaltene Heerlager und thematisch ausgelegte Kostümfeste hatten im 17. und 18. Jahrhundert zum Teil theatralen Charakter, in denen auch das Handeln von Fürstinnen und Fürsten einer Regie folgte. Auch zu festlichen Anlässen wie Geburtstagen kam es häufig zu Theateraufführungen, und nicht selten wirkten dabei Mitglieder der herrschenden Familie ebenso mit wie adelige und bürgerliche Höflinge und Bedienstete. Professionelle Schauspieler waren bis weit ins 18. Jahrhundert in den deutschen Territorien ausschließlich als reisende Theatergesellschaften anzutreffen, die sich mal länger, mal kürzer in Städten und an Höfen aufhielten, um dort ihr Repertoire zu spielen oder bestellte Stücke aufzuführen.

Auch für viele thüringische Höfe ist ein reges Theaterinteresse belegt. Aus Archivalien geht hervor, welche Stücke zu bestimmten Gelegenheiten gespielt wurden und wer daran mitwirkte. Neben mobilen Schauspieltruppen waren an einigen Höfen vor allem der ernestinischen Linien seit dem späten 17. Jahrhundert talentierte Personen in wechselnden Besetzungen, aber auch in festen Gruppen aktiv. Als Dilettanten – ein damals noch positiv besetzter Begriff für ambitioniertes Laientum – wurden interessierte Bürger, Adelige und jugendliche Nachkommen der Regenten herangezogen. Wo es höhere Schulen gab, gehörte das Theaterspielen zum Bildungsprogramm. Dann standen moralisierende und biblische Inhalte im Vordergrund, während zu festlichen Anlässen mythologische Themen unterhaltsam dargeboten werden konnten.

Liebhabertheater im Schloss Sondershausen,
Foto Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

An vielen Höfen erlebte die Theaterkultur kurze Blütezeiten und längere Flauten, abhängig von der Aktivität einzelner Personen. Kontinuität hingegen entwickelte sich beispielsweise am Weimarer Hof des 18. Jahrhunderts unter Herzogin Anna Amalia. Das erste deutsche Hoftheater als Institution mit festem Ensemble entstand allerdings in Gotha. Dorthin war die damals für ihre Qualität hoch geschätzte Seylersche Schauspiel-Gesellschaft gegangen, nachdem ihre längere Zeit genutzte Spielstätte am Weimarer Hof 1774 abgebrannt war. Star dieses Ensembles war Conrad Ekhof, der nun die Qualität des Gothaer Hoftheaters maßgeblich bestimmte. Als er 1778 starb, wurde das Hoftheater wieder aufgelöst, und für Jahrzehnte waren nun wieder Dilettanten die Akteure.

Trendiges Theater mit frischem Wind

Inzwischen war das Liebhabertheater, wie man das Dilettantenschauspiel gern übersetzte, zu einem intellektuellen Trend geworden. Johann Wolfgang Goethe, seit 1775 in Weimar, schrieb Stücke für die Aufführung im Freien, an denen er selbst mitwirkte. Der Inhalt war dabei teils sogar für die Aufführungsplätze im Park an der Ilm und im Schlosspark Tiefurt geschrieben. Auf Schloss Kochberg baute Freiherr Carl von Stein ein freistehendes privates Theater, das er ab 1800 als Liebhabertheater betrieb und an dessen Tradition dort heute Aufführungen nach historischem Vorbild anknüpfen. Explizit für das Liebhabertheater entstand in den 1830er Jahren auch eine kleine Bühne im Nordflügel von Schloss Sondershausen – aber nicht als Ersatz für das Berufstheater, sondern als Ergänzung.

Parallel zum anspruchsvollen Dilettantismus schritt die Professionalisierung des Theaterwesens voran. Zu Goethes Aufgaben in Weimar gehörte ab 1791 die Leitung des Hoftheaters, für das Administrative war ihm ein Hofbeamter an die Seite gestellt. Für Kontinuität und gleichbleibende Qualität sorgte ein festes Ensemble von Berufsschauspielern. Diese Tendenz setzte sich im Lauf des 19. Jahrhunderts auch an den anderen thüringischen Höfen durch, ohne dass dadurch die Freude an Liebhaberaufführungen geschmälert worden wäre.

Lieberhabertheater Schloss Kochberg,
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Bühnen, Kulissen, Technik

Nicht nur das Theaterwesen professionalisierte sich und wurde gewissermaßen sesshaft, auch die Bühnen nahmen eine vergleichbare Entwicklung. Den Anfang machten vielerorts provisorisch aufgeschlagene Bühnen, von denen heute nur noch schriftliche Quellen zeugen. Für die Zeit um 1700 ist auf diese Weise belegt, dass etwa in den Sälen der Residenzschlösser in Sondershausen und Rudolstadt im Zusammenhang mit Festen Theateraufführungen auf Bühnen mit aufwendig gemalten Kulissen und Illuminationen stattfanden, bevor in benachbarten Räumen getafelt wurde. Auch Nebengebäude wie etwa die notwendigerweise großzügig gebauten Reithäuser oder Orangerien boten sich zum Aufbau temporärer Theater an – letztere freilich vorrangig in den Sommermonaten.

Schon früh gab es aber das Bedürfnis, feste Theater in Schlösser einzubauen. Prominentes Beispiel dafür ist das barocke Theater auf Schloss Friedenstein, das heute nach seinem bedeutendsten Akteur Ekhof-Theater genannt wird. Das in den Westturm integrierte Theater selbst ist allerdings fast 100 Jahre älter als die Gothaer Wirkungszeit Conrad Ekhofs. Schon 1682 fanden hier die ersten Aufführungen statt. Zuvor hatte Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg entschieden, in den ursprünglich als Ballhaus – also unter anderem für die namengebenden Ballspiele – eingerichteten, über zwei Geschosse reichenden Saal von stolzen 24 Metern Länge und 11 Metern Breite ein hölzernes Theater einbauen zu lassen.

Ekhof-Theater im Schloss Friedenstein Gotha,
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Das Ekhof-Theater war nicht das einzige fest in einen Schlosssaal eingebaute Theater. Aber es ist das einzige erhaltene. Überdauert hat nicht nur die Raumarchitektur mit der Bühne und dem später noch einmal veränderten Zuschauerraum, sondern auch eine besondere Rarität – die ursprüngliche Bühnenmaschinerie mit Kulissenwagen in der Unterbühne für den sekundenschnellen Szenenwechsel, einer versenkbaren Beleuchtungsanlage und der Oberbühne mit Schnürboden und einer Holztrommel für den schnellen Wechsel der den Bühnenraum nach hinten abschließenden Leinwandprospekte.

Barocktheater mit Special Effects

Zu den visuellen Spezialeffekten gesellten sich akustische wie Donner und Wind, die mit polternden Steinen in einem Holzkanal und mit Reibung auf einer leinenbespannten Trommel erzeugt wurden. Die Maschinerie ermöglichte überraschende Verwandlungen und staunenswerte Wendungen, die für die an den Festinszenierungen orientierte barocke Theaterwelt so wichtig waren wie der Inhalt der Stücke selbst. Hinzu kam ein abgetrennter Orchestergraben direkt vor der Bühne. Das so ausgestattete Theater bot beste Bedingungen für Oper und Schauspiel, und die Herzogsloge wurde so platziert, dass sie von leicht erhöhtem Standort die ideale Perspektive auf das Bühnengeschehen erlaubte.

Ekhof-Theater im Schloss Friedenstein Gotha,
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Feste Theater gab es in vielen anderen Schlössern, allerdings wurden sie später wieder entfernt. Nur anhand historischer Pläne und Schriftquellen lassen sich solche Einbau-Theater noch lokalisieren, zum Beispiel im Riesensaal von Schloss Sondershausen, im Erdgeschoss des Weimarer Residenzschlosses und im großen Saal über der Schlosskirche von Schloss Elisabethenburg in Meiningen. Prospekte, wandelbare Kulissen, ein fester Platz für das Orchester und Garderoben für die Schauspieler gehörten dabei offenbar zum Standard. Da die Räume ursprünglich nicht als Theatersäle gebaut worden waren, mussten für die speziellen Bedürfnisse manchmal originelle Lösungen gefunden werden – wie etwa Garderobenkabinette in den tiefen Fensternischen des Theatersaals von Schloss Elisabethenburg.

Loslösung der Schlosstheater

Im 19. Jahrhundert zogen die meisten Theater aus den Schlössern aus. Einer der Gründe war die Brandgefahr. Das Bühnengeschehen musste mit offenem Licht beleuchtet werden, bei schauspielerischer Aktivität und beweglichen Lichtquellen konnte das leicht schiefgehen. Anstelle der Theater in den Schlössern entstanden nun freistehende Theaterbauten. Damit verlagerten sich nicht nur die Räume, sondern auch das Theatergeschehen selbst vom Schlossbezirk in den Stadtraum, die Theater konnten von Räumen höfischer Kultur unter bürgerlicher Beteiligung zu Orten bürgerlicher Kultur unter höfischer Förderung werden.

Schloss Elisabethenburg Meiningen,
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Von den in thüringischen Residenzstädten errichteten Hoftheatern des 19. Jahrhunderts hat das in Meiningen 1831 eingeweihte und nach einem Brand 1908 neu errichtete Theater eine besondere Bedeutung erlangt. Allerdings nicht wegen des Gebäudes oder seiner Bühnentechnik, sondern wegen der dort praktizierten Schauspielkunst. Georg II. von Sachsen-Meiningen erwarb sich dabei den Beinamen „Theaterherzog“, denn er leitete das Theatergeschehen, etablierte nach eigenen Prinzipien das Regietheater und kümmerte sich bis ins Detail um Aufführungspraxis, Kostüme und Bühnenbilder. Seine Ausrichtung auf Werktreue, historische Genauigkeit in der Kostümierung und nicht zuletzt seine hohen künstlerischen Ansprüche machten das Hofheater so maßstabsetzend, dass das Ensemble als „Die Meininger“ mit seinen Aufführungen in ganz Europa gastieren konnte.

Was Georg II. als künstlerisch handelnder Herzog zum mustergültigen Kunstbetrieb entwickelte, ist ohne die in den vorausgehenden Jahrhunderten auf den zahllosen thüringischen Hofbühnen gepflegte Theaterkultur kaum denkbar. Und die wirkt bis in die Gegenwart weiter. Auf provisorisch aufgeschlagenen Bühnen, bei Aufführungen in Parkszenerien, in Dilettantentheatern, auf wandelbaren Barockbühnen und in prunkvollen Hoftheatern entstand im gegenseitigen Austausch und sicher dank einer gehörigen Portion Konkurrenz zwischen den Höfen das, was heute ein wichtiger Baustein des Thüringer Kulturerbes ist.

Franz Nagel

Vom 24. bis zum 26. Oktober 2025 wird zum Thema „Hoftheater – Theaterhöfe. Räume, Konzepte und Praxis des Theaters seit dem 18. Jahrhundert“ im Theatermuseum Meiningen getagt. Mehr zum Programm hier.

Pfeilersanierung auf Schloss Friedenstein

Ein Sanierungsvorhaben, dutzende Elefantendamen und eine Krake

AllgemeinBaugeschehenDenkmalpflege
Ein Pfeiler, 270 Tonnen Last und eine Krake mit hydraulischer Unterstützung – das alles kommt gerade bei einer Mustersanierung im Hof von Schloss Friedenstein in Gotha zusammen.

Vor wenigen Wochen hat an Thüringens größtem Barockschloss die Mustersanierung eines Pfeilers begonnen. Es ist die erste umfassende Maßnahme an den wichtigen Stützen des Schlosses seit mehr als 350 Jahren. In einem Rutsch wurde Schloss Friedenstein im 17. Jahrhundert errichtet, dazu gehörten auch 54 Arkadenpfeiler, die bis heute im Schlosshof ihre optische Wirkung entfalten. Ohne viel zierenden Schnickschnack, aber mit imposanter Tragkraft warten sie seitdem auf. Jeder Pfeiler trägt das Gewicht von rund 270 Tonnen, das kommt dem Gewicht von 100 Elefantendamen gleich. Eine Meisterleistung, die die Experten bei der Sanierung aber auch besonders fordert. Alle Arkadenpfeiler am Westflügel und weitere am Ostflügel müssen saniert werden, das hatten bauwerksdiagnostische Untersuchungen und statische Berechnungen Ende 2022 ergeben. Durch eine Korsettkonstruktion aus Keilhölzern und Spanngurten sind eine Vielzahl von Pfeilern bis zur Sanierung seither provisorisch gesichert.

Schloss Friedenstein in Gotha, Foto: STSG, Philipp Hort

Im Rahmen einer Mustersanierung wird jetzt das Verfahren erprobt. Mal ebenso den Pfeiler rückbauen, um den Kern zu stabilisieren, das geht nicht. Das statische Gefüge einer ganzen Schlossachse würde ins Wanken geraten. Wie nicht selten in der Denkmalpflege musste also eine besondere Lösung her. Bei der Suche kamen die Experten auf die Krake.

Arkadenpfeiler mit Abstützkonstruktion während der Musterpfeilersanierung 2025,
Foto: STSG, André Kranert

Eine eigens angefertigte Stahlkonstruktion mit vier Schrägstützen übernimmt während der Sanierung die Lasten, die sonst auf dem Pfeiler ruhen. Über die Stützen werden sie nach den Seiten auf Stahlbetonfundamente abgeleitet. Mehr noch, durch eine hydraulische Pumpe und vier Hydraulikpressen wurde die Schlossachse über dem Pfeiler um zwei Millimeter langsam angehoben. Das ermöglichte den Rückbau der Sandsteine, der für die Sicherung unumgänglich ist.    

Nachdem die rötliche Sandsteinschale abgebaut wurde, konnte der aus Kalkstein und Mörtel bestehende Pfeilerkern begutachtet werden. In den folgenden Schritten wird er stabilisiert. Auch das Pfeilerfundament muss verstärkt werden. Anschließend wird der Sandsteinmantel wiederaufgebaut. Mit der Mustersanierung des Pfeilers werden neue Techniken erprobt, die dann bei der Sanierung der weiteren Arkadenpfeiler Anwendung finden. Die Krake sowie die Fertigteilfundamente, auf denen diese stehen wird, sollen  dann im Schlosshof auf Wanderschaft gehen.

Pfeilersanierung im Schlosshof von Schloss Friedenstein, Foto: STSG, Sabine Jeschke

Die Sanierung der Arkadenpfeiler ist Teil des 110-Millionen-Euro-Sanierungprogramms für Schloss Friedenstein in Gotha, das jeweils zur Hälfte von Bund und Land finanziert wird. Ein wichtiger Schwerpunkt im Rahmen des umfassenden Sanierungsprojekts sind statische Maßnahmen, an vielen Stellen erstmals seit der Erbauung des Schlosses Mitte des 17. Jahrhunderts. Dabei spielen die freistehenden Arkadenpfeiler um den Schlosshof eine entscheidende Rolle.

Anke Pennekamp

Gewässersanierung mit Wegewiederherstellung im Schlosspark Molsdorf

Der Weg ist das Ziel

BaugeschehenDenkmalpflegeGartenkultur
Im 19. Jahrhundert wurde der Schlosspark Molsdorf von einem barocken Schlossgarten zum Landschaftspark überformt. Sowohl davor als auch danach spielten die Wege eine besondere Rolle. Sie leiten durch den Park, eröffnen besondere Ausblicke und strukturieren die Parkpartien mit. Wie alle Gestaltungselemente eines Gartenkunstwerks unterlagen auch sie der Mode der Zeit. Im Schlosspark Molsdorf wird im Zuge der Gewässersanierung jetzt auch der historische Weg am Sichelteich wiederhergestellt.

In charmanten Bahnen, aber auch mal auf der Schnurgeraden führen sie Flaneure seit Generationen durch das Gartenkunstwerk, die Wege im Schlosspark Molsdorf. Wie der ganze Schlossgarten spiegeln auch sie unterschiedliche Epochen wieder.

Schloss Molsdorf, Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Im 18. Jahrhundert erwarb der als Lebemann und Parvenu bekannte Gustav Adolph Graf von Gotter eine ehemalige Wasserburg nahe Erfurt. Zum Lustschloss umgebaut, ließ er auch einen barocken Schlossgarten anlegen, in dem natürlich Wasserspiele nicht fehlen durften. Lange nach Gotter wurde der Schlossgarten im 19. Jahrhundert dann unter Federführung des Schlossgärtners Johann Rudolph Eyserbeck zum Landschaftsgarten umgestaltet. Dabei wurde der Barockgarten überformt, einige Gestaltungselemente des Barock blieben allerdings erhalten. Darunter ein Teil des barocken Kanal- und Grabensystems, das die ehemaligen Wasserspiele speiste. Auch ein Teil der geraden Wege wurde übernommen, die einst den streng gegliederten Barockgarten durchzogen. Hinzu kamen aber auch geschwungene Wege, die ganz der neuen Mode des Landschaftsparks verschrieben, mehr natürlichen Schwung und überraschende Aussichten mit sich brachten.      

Suchschnitt für die Wegewiederherstellung im Schlosspark Molsdorf, Foto: STSG, Jonathan Simon

Mitte des 20. Jahrhunderts ging einer dieser Wege des Landschaftsparks in der Rasenfläche verloren. Er führte die Spaziergänger früher am Sichelteich entlang. Im Zuge der im letzten Jahr begonnenen Gewässersanierung im Schlosspark wird nun auch die wichtige Verbindungsachse mit gestalterischer Wirkung wiederhergestellt. Auf alten Fotografien und Plänen ist der Weg noch gut zu erkennen. Er hat auch greifbare Spuren hinterlassen, wie ein Suchschnitt mit Bagger in dieser Woche ans Licht brachte. Die Experten entdeckten, dass der Wegeunterbau noch vorhanden ist. Auch die Wegebreite und der historische Verlauf sind durch die Schürfe noch genau nachvollziehbar.

Während die Wegewiederherstellung gerade beginnt, sind die Teiche und der Kanal im Park bereits entschlammt. Im November 2024 war zunächst das Wasser abgelassen worden. Der Teich am Schloss und der Sichelteich im Park sowie der Kanal und ein angeschlossener Graben wurden im Anschluss ausgebaggert.  Nach dem Entschlammen begann die Ufersanierung, dabei kamen altbewährte Methoden zum Einsatz. In traditioneller Bauweise werden die Uferlinien durch Robinienstaketen und Eichenbohlen befestigt und zukünftig gegen das Ausspülen geschützt.

Entschlammung des Sichelteichs im Schlosspark Molsdorf,
Foto: STSG, Jonathan Simon

Neben dem Weg am Sichelteich wird auch die historische Wegeachse mit Rondell entlang des Kanals im Zuge der Gewässersanierung wiederhergestellt. In ein paar Monaten können die Besucher wieder die neuen alten Wege im Schlossgarten beschreiten, deren Entstehung man gerade mitverfolgen kann.

Anke Pennekamp

Neue Uferbefestigung im Schlosspark Molsdorf,
Foto: STSG, Jonathan Simon

Bauforschung am Refektorium von Kloster Veßra

Was Mauern erzählen

AllgemeinBaugeschehenDenkmalpflegeKulturgeschichte
Was Baufugen, Maueranschlüssen und Abbruchkanten alles preisgeben können, davon können die Bauforscher eine Geschichte erzählen.

„Eigentlich beginnt es im Büro“, sagt Klaus-Peter Wittwar. Die erste Beschäftigung mit der Südklausur von Kloster Veßra anhand der Forschungsliteratur hat bei dem erfahrenen Bauforscher der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten einige Fragen aufgeworfen. Und eine Bauforschung fängt meist mit einer intensiven Recherche am Schreibtisch, in der Bibliothek und auch in den Archiven an. „Es gab schon verschiedene Untersuchungen. Durch sie wussten wir, dass im Bau noch romanische Bausubstanz schlummert. Das wollten wir genauer wissen“, so Wittwar.

Kloster Veßra, links das Refektorium, Foto: Nils Eisfeld

Südlich der 1138 geweihten Klosterkirche gab es ursprünglich drei Klausurflügel um einen Kreuzgang. In diesem Bereich des Hausklosters der Grafen von Henneberg lebten zunächst Stiftsherren und -damen gemeinsam, bis 1177 durch einen Brand die Damen nach Trostadt zogen. Auch nachdem die Grafschaft Henneberg 1544 protestantisch geworden war, blieb das Stift zunächst bestehen. Etwa dreißig Jahre später wurde es in ein gräfliches Kammergut umgewandelt. Zu dieser Zeit wurde der Westflügel der Klausur als Vogteihaus genutzt und umgebaut. Während der Ostflügel verfiel, wohnten im West- und Südflügel später Tagelöhner. Der Ostflügel stürzte 1686 ein. Die Steine der Ruine wurden im 18. Jahrhundert für den Neubau eines Schweinestalls im Kreuzhof verwendet.

Südliches Klausurgebäude von Süden, Foto: STSG, Tino Trautmann

Eine komplexe Gebäudebiografie durch die der Bauforscher zu den mittelalterlichen Ursprüngen der Klausur vordringt. Hierzu musste Wittwar in den Mauern lesen. Bauforschende können anhand von Unregelmäßigkeiten und Auffälligkeiten wie Baufugen, Maueranschlüssen und Abbruchkanten Rückschlüsse auf die Baugeschichte ziehen. Bei der Südklausur in Kloster Veßra fand Wittwar eine solche Unregelmäßigkeit am heutigen östlichen Ende des Südflügels. Eine Baufuge im Mauerwerk der Nordwand ist stiller Zeuge einer Veränderung: „Wir haben es hier mit zwei romanischen Bauphasen zu tun“, erläutert der Bauforscher. „Man hat an der Ostwand angefangen zu bauen, dann gab es eine Planänderung – oder eine Katastrophe.“ Das bezeugen auch Spuren an der Innenseite der Ostwand. Dort finden sich unter der Holzbalkendecke Putzreste mit Bemalungen, der Rest der Mauer war bis vor etwa zwanzig Jahren unverputzt. Solche unverputzten Mauerbereiche sind für die Bauforschung sehr wertvoll. So können zwischen Steinen, Fugen und Mörtel Veränderungen abgelesen werden. Im untersuchten Bereich zeichnen sich zwei große Bögen im Mauerwerk ab, die sich über die Wandfläche ziehen. Die beiden Bögen sind Reste eines ehemaligen zweiteiligen Gewölbes, mit dessen Bau begonnen worden war. Doch an der zweiten romanischen Mauer, der Nordwand, sind entsprechende Gewölbeansätze nicht zu finden. Mitten im Bau entschied man sich also offenbar gegen ein Gewölbe und für eine Holzdecke. Ob der Grund im Finanziellen lag oder gar in einem Brand, ist ungewiss. So können die Mauern zwei unterschiedlichen romanischen Bauabschnitten zugeordnet werden.

Refektorium mit Gewölbeansätzen, 1997,
Foto: Hennebergisches Museum Kloster Veßra, Fotoarchiv, Dia 594

Im Erdgeschoss sind keine weiteren Stellen zu finden, an denen Mauern angesetzt haben. Wo lag also die Trennwand oder war der Raum vielleicht ein großes Refektorium, in dem am Anfang alle Stiftsherren und -damen zusammen gespeist haben? „Wir wissen es nicht“, erklärt Klaus-Peter Wittwar.

Bei einer Bauforschung sind nicht alle Erkenntnisse in Stein gemeißelt. Manches Ergebnis ist auch ernüchternd – in der Südklausur gibt es deutlich weniger romanische Bausubstanz als ursprünglich angenommen. Zwei Brände im 16. Jahrhundert zerstörten den Gebäudetrakt. Danach mussten die Südwand neu gebaut und Trennmauern im Refektorium und im Keller eingezogen werden. Die an das Refektorium anschließende Küche musste ebenfalls verändert werden. Besonders im Dach und im Obergeschoss zeigen sich die Auswirkungen der Brände. Hier ist gar keine romanische Bausubstanz erhalten. Die Außenwände wurden um 1500 neu errichtet und die ältesten der Innenwände stammen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Ein Inventar von 1633 bezeugt, dass sich hier die Abtsstube mit einem großen Erschließungssaal befunden hat.

Baufuge an der Außenfassade des Refektoriums, Foto: STSG, Klaus-Peter Wittwar

Die vielen verschiedenen Detailinformationen zur Baugeschichte eines Gebäudes mit all den Befunden und Thesen werden meist in einer kniffligen Phase nach den Untersuchungen vor Ort zusammengeführt. Dann werden Bauphasenpläne angefertigt und schriftlich die Zusammenhänge der Baugeschichte rekonstruiert. Klaus Peter Wittwar weiß aus Erfahrung: „Da stößt man immer wieder auf Stellen, über die man wieder und wieder nachdenken muss, manchmal muss man auch nochmal genauer untersuchen, bevor am Ende eine schlüssige These formuliert werden kann.“ So endet Bauforschung, wie sie begann – am Schreibtisch.

Kira Dobbe