Restaurierung bewahrt Kunstschätze

Historischer Glanz dank moderner Wissenschaft

BaugeschehenDenkmalpflegeKulturgeschichteSonderinvestitionsprogramm I
Den Malschichten bis auf den Grund gehen, alten Rezepturen nachspüren, dem Mörtel auf den Körnungsgrad fühlen – die Restaurierungswissenschaft erhält Kulturgut und ist facettenreiche Detailarbeit, die besonderes handwerkliches Feingefühl bedarf und sich ständig weiterentwickelt.

Ein funkelndes Beispiel für restauratorische Pflegemaßnahmen spielt sich etwa alle drei Jahre auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt ab. Wenn im Festsaal die Kronleuchter gepflegt werden ist Feinarbeit und Muskelkraft gefragt. Unter den wachen Augen der olympischen Götter schweben die drei großen Kornleuchter dann langsam gen Fußboden hinab. Drei auf dem Dachboden verborgene historische Winden machen es mittels Muskelkraft möglich. Am Boden angekommen, werden die geschliffenen Kristalltropfen, Zierketten, Glasperlen und – zapfen des Behangs abgenommen und von Hand vorsichtig gereinigt, bevor die zwischen 200 und 400 Kilogramm schweren Glaskunstwerke sich wieder langsam bis unter den gemalten Himmel zurück erheben.

Festsaal von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt,
Foto: STSG, Philipp Hort

Schwebende Hilfe erhielt 2020 auf Schloss Friedenstein in Gotha Iphigenie. Für zwei große Deckengemälde aus dem Audienzgemach der Herzogin stand damals eine Restaurierung im Liegen an. Was erstmal gemütlich klingt, wurde bei 400 Stunden auf dem Rollgerüst knapp über der Leinwandoberfläche für die Restauratorinnen zu einer ausgesprochen mühsamen Angelegenheit. Am Anfang des 20. Jahrhunderts hatten die beiden mehr als fünf Meter langen Ovale noch die Decke im Audienzgemach geschmückt. Später waren sie abgenommen und eingelagert worden. Sie zeigen unter anderem die Rettung der Iphigenie vor der Opferung im trojanischen Krieg durch die in letzter Sekunde heranschwebende Göttin Artemis. In aufwendiger Detailarbeit wurden alte Firnisschichten abgenommen, die die Farben verdunkelten. Lose Leinwandstücke wurden verklebt und angespannt, Knicke und Falten mussten behutsam befeuchtet und geglättet werden. Auf beiden Bildern waren großflächig Teile der Malschicht verloren gegangen. Hier lag die rotockerfarbene Grundierung, der sogenannte Bolusgrund, frei. Diese Flächen wurden farblich an die Grundstimmung der Gemälde angenähert, damit sie nicht aufgrund des starken Kontrasts die Wahrnehmung der eigentlichen Malerei überlagern. Zum Schluss erhielten die Bilder eine neue schützende Firnisschicht. Wenn die statischen Probleme des derzeit mit Abstützungen versehenen Raums behoben sind, sollen die restaurierten Gemälde wieder montiert werden.

Deckengemälde aus dem Audienzgemach der Herzogin nach der Restaurierung, Foto: Beatrix Kästner

Großflächig, wenn auch mit nicht weniger Feingespür, geht es auf den Burgruinen Bad Liebenstein und Ehrenstein bei der Steinrestaurierung zu. Im Sonderinvestitionsprogramm I werden auf den beiden Burgruinen seit letztem Jahr rund 1000 Quadratmeter Natursteinmauerwerk restauriert. Dabei kommt es nicht nur auf die richtige Optik, sondern auch auf die passende Chemie an, damit sich Alt und Neu gut vertragen. Der Mörtel spielt beim Mauerwerk dabei eine tragende Rolle. Durch Restauratoren und in Laboren werden die einzigartigen historischen Mörtel vor der Sanierung von historischem Mauerwerk genau unter die Lupe genommen. Unter dem Mikroskop und im Reagenzglas werden Zusammensetzung, Körnungsgrad und Farbigkeit analysiert. Möglichst nah versucht man an die historische Beschaffenheit heranzukommen, dabei aber auch Probleme wie Salz- oder Feuchtigkeitsbelastung am Denkmal nicht außer Acht zu lassen.

Steinrestauratorische Maßnahmen auf der Burgruine Ehrenstein im Sonderinvestitionsprogramm I, Foto: STSG, Philipp Hort

Im Vorzimmer der Herzogin auf Schloss Friedenstein in Gotha, gingen wiederum 2023 die Holzrestauratoren ans Werk. Am Parkett hatten Zeit und Nutzung gezehrt, die stark geschädigten Parketttafeln wurden ausgebaut und in der Restauratorenwerkstatt in die Kur genommen. Die Experten ersetzten beschädigte Teile, stabilisierten die Tafeln und mussten hier und da auch etwas ergänzen.

Einbau des restaurierten Parketts im Vorzimmer der Herzogin auf Schloss Friedenstein in Gotha, Foto: Roland Sommer

Das aus verschiedenfarbigen Holzarten zusammengefügte Parkett ist definitiv die Mühe wert, es konnten sogar noch Handwerkersignaturen aus dem 18. und 19. Jahrhundert nachgewiesen werden. Nach dem Einbau der quadratischen Tafeln bekam der Holzboden noch seinen letzten Schliff und eine schützende Beschichtung. Bei der Herausnahme der Tafeln hatte sich allerdings gezeigt, dass auch die darunterliegenden tragenden Balken zum Teil gebrochen und stark verformt waren. Erst nach der statischen Sicherung der Baukonstruktion konnte dann auch das Parkett wieder in das herzogliche Vorzimmer einziehen.

Ein kleines blaues Wunder kann man im Schallhaus auf Schloss Heidecksburg erleben, ursprünglich als Gartenhaus im Schlossgarten auf der Unteren Terrasse erbaut, wurde das Gebäude im 18. Jahrhundert durch einen Schallsaal aufgestockt. Mit Rillen und einen besonderen Putz versehen wird Musik in sphärischen Klängen aus der Kuppel mit Musikerempore bis in den Schlossgarten getragen. Seit der Restaurierung erstrahlt das Innere des Schallhauses wieder im alten Blau mit fein gemalten Ornamenten in grau.

Schallhaus im Schlossgarten von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt,
Foto: STSG, Constantin Beyer

Am Anfang der Sanierung, ermöglicht durch das Sonderinvestitionsprogramm I, steht das Torhaus von Burg Ranis. Wie beim Bauen gehen auch Restaurierungsprojekten in der Denkmalpflege umfangreiche Voruntersuchungen und eine detailreiche Planung voraus. Es wird recherchiert, historische Quellen, Bilder und Pläne ausgewertet und der Bestand genau untersucht. Auch im Torhaus geben kleine Befundfenster vom Keller bis zum Dach viel über Jahrhunderte und generationenübergreifende Baugeschichte preis – von Fragmenten illusionistischer Architekturrahmungen um Fenster und Türen bis zu feinen Strichen und Inschriften, die Riegel, Bänder und Streben des Fachwerks säumen. 

Torhaus der Burg Ranis, Foto: STSG, André Kranert

Am 20. Oktober 2024 ist Tag der Europäischen Restaurierung.

Neue Löschwasserzisterne erprobt

Feuerwehr-Übung auf Schloss Sondershausen

BaugeschehenDenkmalpflegeSonderinvestitionsprogramm I
Rund 70 Kameraden von 13 Sondershäuser Feuerwehren waren im Einsatz, als Mitte September 2024 auf Schloss Sondershausen eine Löschangriffs-Übung und damit verbunden der erste Test für die neue Löschwasserzisterne anstand.

200 Kubikmeter Wasser werden in der Schlossanlage, die früher Residenz der Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt war, in einer neuen unterirdischen Zisterne jetzt vorgehalten. Ein wichtiger Schritt für den Brand- und Denkmalschutz des historischen Denkmalensembles, der durch das von Bund und Land geförderte Sonderinvestitionsprogramm I (SIP I) möglich wurde.

Feuerwehrübung auf Schloss Sondershausen,
Foto STSG, Thomas Höfer

Bei den Sanierungsmaßnahmen im SIP I spielen Objektsicherheit und Brandschutz eine wichtige Rolle. Neben der neuen Zisterne auf Schloss Sondershausen werden beispielsweise auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt Brand- und Rauchabschnitte im Nord- und Westflügel abgeschottet. Auch bei der Gesamtsanierung zum Beispiel des Jägerhauses von Schloss Sondershausen oder des Marstalls auf Schloss Heidecksburg wird der Brandschutz gleich mitgedacht.

Dringend notwendig war der Einbau der Zisterne auf Schloss Sondershausen, da die vorhandenen Hydranten die erforderliche Durchflussmenge bei einem Löschangriff in der Schlossanlage auf Dauer nicht komplett erfüllen. Die Teiche des Schlossparks kommen als Löschwasserreservoir aufgrund ihrer Entfernung zum Schloss nicht in Frage. Sie führen aufgrund der zunehmenden Trockenheit in den Sommermonaten zudem nicht zuverlässig genügend Wasser.

Ihren ersten Einsatz hat die Löschwasserzisterne bereits erfolgreich absolviert. Weiter geht es auf Schloss Sondershausen im SIP I jetzt an den Alten Flügeln und am Jägerhaus. Am Alten Nordflügel mit dem Schlossturm und dem Ost- und Südflügel werden dringend notwendige statisch-konstruktive Sicherungen und ein erster Sanierungsabschnitt am Dach vorbereitet. Am Jägerhaus steht die Gesamtsanierung für die zukünftige Nutzung durch die Thüringer Landesmusikakademie Sondershausen an. Für die beiden komplexen Projekte laufen die Planungen auf Hochtouren, während mit der neuen Löschwasserzisterne bereits ein wichtiger Schritt für den Brandschutz geschafft ist.

Anke Pennekamp    

Sonderausstellung mit Pflanzenschätzen im Rokokoschloss Dornburg

Eingeschlossene Geschichte

AllgemeinGartenkulturKulturgeschichteVermittlung
Ein Gartenjahr lang hat die Erfurter Textilkünstlerin Sylvia Döhler Pflanzenschätze in den Dornburger Schlossgärten gesammelt. Diese Blätter, Blüten und Früchte mit Geschichte präsentiert sie nun in besonderen Wandteppichen und Leuchten.

In der Sonderausstellung „ZEITKAPSELN. Textile Herbarien aus den Dornburger Schlossgärten“ bekommt die Natur einen Platz im Museum. Vom 7. September bis 31. Oktober 2024 erzählen textile Kunstwerke Gartengeschichte(n). Selbst erklärt Sylvia Döhler ihre Inspiration wie folgt: „Mich reizt die Herausforderung, Textil und Natur so zu verbinden, dass die Natur durch ihre eigene Gestaltungskraft das textile Material gestaltet. Indem die Materialien in den Stoffen dauerhaft festgehalten sind, werden die Urformen und Farben der Natur auf den Textilien zum zeitlosen Ornament.“

Textildesign trifft Handwerkskunst

Vielleicht ist es die vertraute Landschaft der Kindheit, vielleicht die Magie des Ortes: Dornburg übt auf Döhler eine besondere Anziehungskraft aus. Für diese Sonderausstellung hat sie in den Dornburger Schlossgärten Pflanzenmaterial gesammelt, getrocknet, gepresst, sortiert, bewertet, verarbeitet und vor der Vergänglichkeit bewahrt. Alles mit einem Gespür aus Wissen, Erfahrungswerten und Kreativität im langen Entstehungsprozess ihrer textilen Kunstwerke. Der historische Ort hatte unmittelbar Einfluss auf ihre Arbeiten. Der magische Nebel im Saaletal, die morgendliche Frische eines Gartentages oder das atmosphärische Licht im Sommer sind Impressionen, die bereits Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) in Dornburg genoss.

Blick in die Sonderausstellung „ZEITKAPSELN. Textile Herbarien aus den Dornburger Schlossgärten“,
Foto: STSG, Christian Hill

Goethe trifft Dornburg

Nach dem Tod seines Freundes und Förderers Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach im Sommer 1828 verbringt der greise Goethe mehrere Wochen der Trauer auf den Dornburger Schlössern. Es sind auch die „wohlunterhaltenen Gärten“, nächtliche Himmelsbeobachtungen, die täglichen Spaziergänge entlang der Terrassen oder Naturstudien, die sein Gemüt wandeln. Der Genius Loci wirkt. Er schreibt: „Ich bin noch auf dem alten Dornburg, vorzüglich mit botanischen Betrachtungen beschäftigt.“

Bei Goethe sind Natur- und Landschaftsbetrachtungen zeitlebens Inspiration für forschendes Streben. Die „Blüthenburg“ an der Saale bietet dazu beste Bedingungen. So befasst er sich hier auch damit, seine „Metamorphose der Pflanzen“ für eine französische Übersetzung voranzutreiben. Zeugnis seiner lebenslangen botanischen Studien ist ein Herbarium von circa 2.000 Blatt, angelegt ab 1770.

Vergänglichkeit trifft Schönheit

Die Arbeitsintension für die textilen Herbarien von Döhler sind das Sichtbarmachen und die Wahrnehmung der Natur. Zu den ausgestellten Arbeiten zählen Leuchten, Wandteppiche – die auch als Reminiszenz an textile Wandbespannungen in Schlössern gesehen werden können – aber auch Ätzungen auf 15 Kupferplatten, die Kreisläufe der Natur und des Lebens versinnbildlichen. So überdauert in ihrer Kunst als Momentaufnahme eine knorrige, mehrfach gestutzte und vom Alter gezeichnete Esche, die bereits Goethe als jungen Setzling gesehen haben muss. Die Textildesignerin hält fest, was vergänglich ist. Die Schönheit des Augenblicks leuchtet in ihren Arbeiten auf und bewahrt so die Dornburger Pflanzenschätze.

Christian Hill

Eine Laube auf der Veste Heldburg

Veranda für den Herzog

AllgemeinDenkmalpflegeKulturgeschichte
Sogar entspannte Stunden waren beim Theaterherzog inszeniert. Im Hof der Veste Heldburg schuf sich Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen Ende des 19. Jahrhunderts ein besonders lauschiges Plätzchen.

Ganz der Ideenwelt des kunstverständigen Landesherrn entsprechend, kam bei der Gestaltung des Rückzugsorts an frischer Luft auch die Theatralik nicht zu kurz. Unter einer monumentalen Szene, die den Heiligen Georg im Kampf mit dessen Erzfeind – dem Drachen – zeigt, entstand am Kommandantenbau eine kleine Laube. 

Die Holzkonstruktion der überdachten Veranda mit Brüstung wird von verzierten Säulen und Kleeblattbögen geschmückt. Vermutlich entstand sie ungefähr gleichzeitig mit der darüberliegenden imposanten Wandmalerei vom Bremer Maler Arthur Fitger. Die Malerei zeigt den Heiligen Georg in voller Rüstung sitzend auf einem Pferd, in der Hand den langen Speer, mit dem er gerade den am Boden liegenden Drachen ersticht. Das Dach der Laube setzt im gemalten Felsen unterhalb des Drachens an. Der Namensbezug des dargestellten Heiligen zum Auftraggeber war sicher kein Zufall. Auch in der Laube verwiesen an der rot hervorgehobenen Rückwand gemalte Initialen auf Herzog Georg II. Das Erscheinungsbild der Veranda hat sich im Laufe der Zeit allerdings gewandelt. Die rote Rückwand war zeitweise übermalt, damit ging auch der Verlust des herzoglichen Monogramms einher.

Veste Heldburg, Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

1826 war die Veste Heldburg in den Besitz der Herzöge von Sachsen-Meiningen gekommen. Georg II. ließ ab 1875 die Fränkische Leuchte – die jahrhundertelang zuvor wichtige Bedeutung als Grenzposten mit der Möglichkeit zu Feuersignalen hatte – zum romantischen Bergschloss im Geschmack des Historismus umwandeln. Mauern wurden mit Zinnen und Türme mit neuen Hauben versehen. Im Französischen Bau und im Kommandantenbau entstanden Räume mit Formen aus Gotik und Renaissance. Im Rahmen dieses historistischen Projekts ließ der Herzog auch die Ostfassade des Kommandantenbaus mit Wandmalerei und neuer Laube ausgestalten. Schon zuvor hatte es hier eine schlichtere Laube gegeben.

Heute sind es die Restauratoren, die ein wachsames Auge auf die Inszenierung haben. In den 1990er Jahren wurde die monumentale Fassadenmalerei in den Grundfarben wiederhergestellt und die Laube samt Neueindeckung des Dachs instandgesetzt. Zuletzt haben die Experten 2021 Hand angelegt. So bleibt die über wenige Stufen erreichbare Veranda ein feines Plätzchen für eine herzogliche Verschnaufpause an der frischen Luft im Burghof der Veste.

Anke Pennekamp

Läutprobe im Turm von Schloss Heidecksburg

Dynamische Untersuchungen

BaugeschehenDenkmalpflegeKulturgeschichteSonderinvestitionsprogramm I
Ob zu besonderen Anlässen der alte Schwung in den Schlossturm zurückkehren kann, dazu wurden jetzt besonders klangvolle Untersuchungen auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt angestellt.

An einem warmen Spätsommertag Anfang September erklimmen um viertel vor neun sieben Glöckner, zwei Statiker und weitere Bauexperten, den Turm von Schloss Heidecksburg. Ein dynamisches Gutachten soll die Auswirkungen der Schwingung der drei historischen Schlossglocken auf die Statik des Schlossturms untersuchen. Ein besonderer Moment – Jahrzehnte standen die Glocken zuvor still. Im Sonderinvestitionsprogramm I soll im Rahmen der Dachsanierung am West- und Nordflügel von Schloss Heidecksburg auch der Turm saniert werden. Ob nach der Sanierung zu besonderen Anlässen die Glocken wieder geläutet werden könnten, sollen die Untersuchungen zeigen.

Glockenstuhl im Schlossturm von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt,
Foto: STSG, Uta Kolano

Der 44 Meter hohe Schlossturm von Schloss Heidecksburg stammt aus dem 18. Jahrhundert. Nach einem großen Schlossbrand 1735 bei dem Nord- und Westflügel zu großen Teilen zerstört wurden, war er neu errichtet worden. Der Entwurf und die Konstruktion der Turmhaube stammen aus der Feder des damaligen Stararchitekten Gottfried Heinrich Krohne, der auch mit der Innenausstattung des Westflügels betraut worden war. Im Turmschaft sind noch heute drei historische Glocken zu finden, die 1770 in der Residenzstadt Rudolstadt gegossen wurden. Auch der Glockenstuhl stammt noch aus dem 18. Jahrhundert.

Schlossturm von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt

Nach den letzten Metern über knarzige Holzstufen erreicht das Expertenteam das Glockengeschoss des Turms. Um Punkt neun Uhr wird die erste kleinere Glocke mit Muskelkraft per Seil in Schwingung versetzt. Die große Glocke und das kleinere Pendant folgen. Parallel gehen die Statiker ans Werk. Im Inneren des Turms messen sie die Auswirkungen der Glockenschwingungen auf das Mauerwerk. Die Messergebnisse werden in einem dynamischen Gutachten zusammengeführt. Rund 10 Minuten lassen die sieben Männer die Glocken erklingen. Durch die Schallluken des Turms ist das Geläut aus dem 18. Jahrhundert früher wie heute an diesem Tag bis in der Stadt zu hören.

Wann und wie einst geläutet wurde, hielt die Läutordnung fest. Neben den Glocken ist noch heute die gerahmte „Nachricht Wie das Läuten bey hof zuverrichten“ im Glockenstuhl nachzulesen. Auch in welcher Reihenfolge welche Glocke zu läuten waren, hält diese fest – ob nur eine, die große oder die kleine, alle drei oder nur die kleinen. Sonntags und Festtags, „bey wochen Kirchen“ und weiteren Gelegenheiten wurden die Glocken einst geläutet.

Anke Pennekamp

Läutordnung im Turm von Schloss Heidecksburg in
Rudolstadt, Foto: STSG, Carolin Schart
Kloster Georgenthal

Famo(o)ses Engagement

AllgemeinDenkmalpflegeKulturgeschichte
Anfang Juli flattert eine E-Mail bei der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt ins elektronische Postfach ein - darin ein so ungewöhnlicher wie famoser Vorschlag. Wenige Wochen später kommen an einem sonnigen Samstag am vorletzten Augustwochenende dutzende ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zwischen den romantischen Ruinen des ehemaligen Zisterzienserklosters Georgenthal zusammen – sie wollen mit anpacken.

Unter Anleitung der STSG-Restauratorin Gydha Metzner befreien an diesem Wochenende 26 Freiwillige die Säulenstümpfe, Basen, Postamente und Mauerfragmente der ehemaligen Klosterkirche Georgenthal unter dem vom Sommerwind bewegten Blätterdach alter Bäume von Moos und anderem Bewuchs.

Kloster Georgenthal am Nordrand des Thüringer Waldes war einst ein reiches Zisterzienserkloster, dessen Mönche aus dem französischen Mutterkloster Morimond in den Thüringer Wald kamen. Als Familienkloster der Grafen von Käfernburg und Schwarzburg im 12. Jahrhundert durch Graf Sizzo III. gegründet, erlebte das Kloster im 14. und 16. Jahrhundert Blütezeiten mit wachsenden Besitzungen. Die Klosterkirche maß rund 20 mal 70 Meter und war einst eine imposante dreischiffige Basilika, die der Klosterkirche Paulinzella ähnelte. An die Abteikirche schloss südlich der Kreuzgang an. Auch ein Kalefaktorium (eine beheizbare Wärmestube), ein Refektorium (der Speisesaal), ein Abtshaus und ein Laienbrüderhaus gehörten zur Klosteranlage, die allesamt mit der Zeit jedoch verloren gingen.

Kloster Georgenthal, Foto: STSG, Constantin Beyer

Im Zuge der Bauernkriege 1525 wurde das Kloster geplündert und zerstört. Die Mönche flohen und das Kloster wurde säkularisiert. Die Klostergüter und umliegenden Dörfer wurden in ein Amt des Herzogtums Sachsen-Gotha überführt. Die Klosterkirche und Klostergebäude konnten einem Schicksal als Steinbruch nicht entgehen. Letztlich fast vergessen, schlummerten die Grundmauern und Säulenstümpfe der Klosterkirche im Boden verborgen, bis sie 1852 durch Zufall wiederentdeckt wurden. Im 19. Und 20. Jahrhundert legten Ausgrabungen die Fragmente der Klosterkirche frei.

Die Ruine übt bis heute einen großen Reiz aus. Das freundlich zupackende Engagement vieler Helfer ohne viel Aufhebens an einem schönen Sommertag im August zeigt eine tiefe Verbundenheit mit den geschichtsträchtigen Ruinen eines geheimnisvollen und bedeutenden Ortes.

Anke Pennekamp

Schlosspark Molsdorf

Schwebende Barockskulptur

AllgemeinDenkmalpflegeGartenkulturKulturgeschichte
Während die Sphinx aufmerksam am Kanal wacht und Götterbote Hermes lässig am Baumstamm lehnt, hebt einige Meter entfernt ein Adler mit angewinkelten Schwingen vom Boden ab. Der Schlosspark Molsdorf wartet mit einem reichen Schatz mythologisch aufgeladenen Skulpturenschmucks auf. Beim Flanieren durch den Park können Besucherinnen und Besucher viele von ihnen entdecken, andere warten im Verborgenen auf ihre Restaurierung – wie der Adler, der aus Platzgründen jetzt in ein anderes Übergangsdepot umgezogen ist.

An einem sonnigen Tag Anfang August 2024 ist es so weit, 700 Kilogramm Adler schweben in der Luft. Zwei Adler, zwei Putti mit Widder und ein paar Postamente ziehen um, eine Spezialfirma ist extra mit Kran angerückt, denn die Sandsteinfiguren und Sockel wiegen bis zu einer Tonne. Gut verwahrt, werden die Barockskulpturen am neuen Standort auf ihre Restaurierung warten.

Schlosspark Molsdorf mit Skulpturenaussattung, Foto: STSG, Gydha Metzner

Gartenschätze aus dem 18. Jahrhundert

Dutzende von Sandsteinfiguren von der rätselvollen Sphinx, halb Löwe halb Frau, über Wassernixen am Wegesrand bis zur überlebensgroßen Götterfigur schmückten einst den Schlosspark Molsdorf. Im 18. Jahrhundert prägte der Diplomat und Jurist Gustav Adolf Graf von Gotter die Gestalt des Barockschlosses samt Gartenanlage. Rund 15 Jahre befand sich das Ensemble in seinem Besitz. Wie zur damaligen Zeit üblich, ließ Gotter den Schlossgarten auf das Schloss ausrichten. Der Barockgarten wurde von geraden Achsen und Wasserspielen – darunter Brunnen, ein System aus Kanälen und eine Kaskade – geprägt. Über 100 Skulpturen zierten die Gartenanlage einst, wie ein Inventar von 1765 belegt.

Gartenkunstwerk im Wandel

Im 19. Jahrhundert wurde der Schlossgarten landschaftlich überformt. Die Wege waren nicht mehr schnurgerade, sondern geschwungen. Auch der große Parksee wurde zu dieser Zeit angelegt und neue Gehölze wurden gepflanzt. Viele der Skulpturen gingen nach und nach verloren oder wurden zerstört. Dass noch heute Elemente des Barockgartens am Landschaftspark ablesbar sind, gehört zu den Besonderheiten des Schlossparks Molsdorf. Die symmetrische Rasenfläche in der Hauptachse geht auf das barocke Parterre zurück. Und auch der abgestufte Verlauf der Kaskade – eine Wassertreppe am Westhang – ist noch erkennbar. Auch einige der Gartenskulpturen schmücken noch den Schlosspark. Die beiden Adler, die jetzt umgezogen sind, zierten einst die Pfeiler des Westtores zum Park, auch Adlertor genannt.

Flussgott im Schlosspark Molsdorf vor der restauratorischen Pflege,
Foto: Dipl. Rest. Andrea Neid
Ringmauersanierung auf der Burg Weißensee

Archäologie an der Ringmauer

AllgemeinBaugeschehenDenkmalpflegeSonderinvestitionsprogramm I
Fünf unscheinbare Balkenlöcher und ein Maueransatz mit archäologischer Bedeutung.

Schützend umschließt sie die Burg Weißensee, bis zu sieben Meter hoch und zwei Meter dick ist das Mauerwerk der Ringmauer. Als Umfassungsmauer umgibt sie die Burganlage, die unter den Landgrafen von Thüringen im 12. Jahrhundert errichtet wurde, um Belagerungen und Angriffen zu trotzen und dem Burgplateau den notwendigen Halt zu geben. Eines ihrer Geheimnisse hat die Ringmauer jetzt bei den Bauarbeiten im Sonderinvestitionsprogramm I (SIP I) der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG) preisgegeben.

Burg Weißensee, Foto: STSG, Ralf Nikolai

Der Witterung ungeschützt ausgesetzt, haben Lasten, Wind und Wetter an der Ringmauer gezehrt. Die wehrhafte Burgmauer bedarf dringend einer statischen Kur, die Neigung und Wölbung der Mauer ist deutlich erkennbar. In zwei früheren Bauabschnitten konnten bereits große Teile der Umfassungsmauern im nordöstlichen Bereich gesichert werden. Im SIP I wird nun die Sanierung mit einem nordwestlichen Teilabschnitt fortgeführt. Ganze 600 Quadratmeter Mauerwerk werden dabei von innen und außen saniert. Im Juni 2024 begannen die Natursteinarbeiten – die jetzt auch die Archäologen auf den Plan riefen.

Im Rahmen der Sanierung wird auch ein zweiter Flucht- und Rettungsweg geschaffen. Dafür wird eine baufällige Treppenanlage aus dem 19. Jahrhundert mit Ausgang zum Burggraben erneuert. Bei den Schachtungen dafür kamen Spuren eines ehemals an die Ringmauer angebauten Gebäudes zum Vorschein. Das war Anlass für genauere Untersuchungen. Beim Freilegen der Innenseite des betreffenden Bereichs wurden auffällige Öffnungen an der Mauer entdeckt. Die hinzugezogenen Archäologen des Thüringischen Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie dokumentierten daraufhin Werksteine mit Ritzfugen, Balkenlöcher und einen zusätzlichen Maueransatz.

Die Spuren deuten auf ein Gebäude der für die Burg Weißensee üblichen Randhausbebauung hin. Die erkennbaren Merkmale – Öffnungen für sehr mächtige Balken, dicke steinerne Mauern – deuten auf einen durchaus bedeutenden Zweck des früher an dieser Stelle stehenden Gebäudes hin. Welchem Zweck er auch immer diente, um einen einfachen an die Mauer gelehnten Schuppen handelte es sich auf jeden Fall nicht.

Anke Pennekamp

Tagung auf Schloss Schwarzburg

Schlösser im Nationalsozialismus

BaugeschehenDenkmalpflegeKulturgeschichteVermittlung
Schlössergeschichte im 20. Jahrhundert in den Blick zu nehmen, das hat sich die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlösserverwaltungen (AGDS) vorgenommen. Eine Tagung auf Schloss Schwarzburg ist der Auftakt einer ganzen Tagungsreihe der AGDS. Das Schloss mit seinen Zerstörungsspuren ist ein besonders anschauliches Beispiel für den Umgang mit Schlössern im Nationalsozialismus.

Getagt wird im Emporensaal im Hauptgebäude von Schloss Schwarzburg, mittendrin in einem Stück Schlossgeschichte aus den 1940er Jahren. Das Schloss ist Tagungsort, gleichzeitig aber auch einer der Ausgangspunkte für einige Aspekte der Tagung, die eine Bestandsaufnahme zur Geschichte von Schlössern im Nationalsozialismus mit internationaler Perspektive anhand von konkreten Beispielen zum Ziel hat.

Schloss Schwarzburg, 2022,
Foto: IBA Thüringen, Thomas Müller

Schlossgeschichte mit Brüchen

Die Geschichte von Schloss Schwarzburg reicht bis ins Hochmittelalter zurück. In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts werden in einer Urkunde die Schwarzburg und ein Sizzo als Graf von Schwarzburg erwähnt. Aus der Stammburg wurde ein Schloss, das auch nach der Verlegung der Residenz nach Rudolstadt große Bedeutung behielt. Rund 800 Jahre nach der Ersterwähnung dankte mit dem Ende der Monarchie in Deutschland 1918 der letzte Schwarzburger Fürst, Günther Victor von Schwarzburg-Rudolstadt, ab. Teile des fürstlichen Vermögens samt Residenzschloss in Rudolstadt gingen an den Fiskus und an die neu gegründete Günther-Stiftung über, an Schloss Schwarzburg erhielt das abgedankte Fürstenpaar Nießbrauchrecht. Das Schloss, das über Jahrhunderte nur Nebenresidenz war, wurde zu ihrem Hauptwohnsitz. Das lebenslange Wohnrecht endete 1940. Günthers Witwe Anna Luise musste das Schloss innerhalb weniger Tage gegen eine finanzielle Entschädigung räumen. Die Nationalsozialisten planten, auf Schloss Schwarzburg den belgischen König zu internieren, wenig später ändern sich die Pläne. Das Schloss sollte zum Reichsgästehaus umgebaut werden. Anna Luise verließ am 13. Juni 1940 Schloss Schwarzburg und ging nach Sondershausen, Schloss Schwarzburg sollte sie nie wieder betreten.

1940 begannen die Bauarbeiten für den Umbau zum Reichsgästehaus. Die Bauleitung übernahm der Architekt Hermann Giesler. Das Torhaus und ganze Schlossflügel wurden abgerissen, das Hauptgebäude entkernt. Wände und Zwischenwände wurden herausgebrochen. Auch barocke Stuckdecken und wandfeste Innenausstattung mussten weichen. Selbst die Schlosskirche mit dem Erbbegräbnis der Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt wurde abgetragen und die Särge wurden fortgeschafft. Das Zeughaus mit der fürstlichen Schauwaffensammlung wurde beräumt und sollte zur Garage umfunktioniert werden. 1942 mussten die Bauarbeiten dann kriegsbedingt eingestellt werden, nach Notsicherungen blieb die Baustelle verlassen zurück. Die Nationalsozialisten planten, den Umbau fortzusetzen, dazu sollte es aber nie kommen. Das Hauptgebäude blieb knapp 80 Jahre lang eine Bauruine. 

Das Schloss als Zeitzeugin

Lässt man den Blick durch den Emporensaal im Hauptgebäude von Schloss Schwarzburg streifen, ist noch deutlich zu erkennen, wo einst Zwischenwände und Decken anschlossen. Wie Striemen ziehen sich die Stellen mit frei liegenden Backsteinen und Schieferplatten über die beiden Geschosse des Saals. Sein heutiges Raumvolumen erlangte der Emporensaal durch die Entkernung in den 1940er Jahren. Acht Schlossräume auf zwei Etagen lagen hier einst. Die namengebende Empore kam beim Teilausbau des Hauptgebäudes im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Thüringen erst vor wenigen Jahren hinzu, gleich einem Ringanker schnürt sie Außenwand und Innenwände heute wieder zusammen. An der Decke des Emporensaals sind noch die Fragmente einer barocken Stuckdecke erhalten, ein paar Meter entfernt sind große Holzträger in die Wände gebrochen. Sie wurden in den 1940er Jahren als Notsicherungen eingebracht. Das Schloss als Zeitzeugin, die die Spuren der Zeit von der Burg bis zum 20. Jahrhundert bewahrt – dieses denkmalpflegerische Konzept steht hinter dem Teilausbau des Hauptgebäudes, das die STSG derzeit auch zum außerschulischen Lernort weiterentwickelt.

Emporensaal im Schloss-Hauptgebäude,
Foto: IBA Thüringen, Thomas Müller
Ahnensaal im Schloss-Hauptgebäude,
Foto: IBA Thüringen, Thomas Müller

Von fürstlichen Glanzzeiten zeugt noch heute der Ahnensaal, der ehemalige Hauptsaal des Schlosses, in der Beletage. Auch in ihm sind die Brüche der Zeit neben der repräsentativen Schlossausstattung eines Grafenhauses, das 1710 in den Fürstenstand aufgestiegen war – mit einer Bandelwerkdecke aus dem frühen 18. Jahrhundert nach französischer Vorlage und den Stuckrahmungen um die früher hier präsentierten großformatigen Ahnenporträts der Schwarzburger – noch deutlich ablesbar.

Heute soll der Denkort der Demokratie, wie der jüngst teilsanierte Bereich des Hauptgebäudes bezeichnet wird, mit seinen Spuren von der Frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert zum Nachdenken über Geschichte, Demokratie und Gesellschaft anregen. Dazu gehört auch die Geschichte der Schlösser im Nationalsozialismus.

Anke Pennekamp

Tagung

Schlösser im Nationalsozialismus

13.-14. September 2024
Schloss Schwarzburg
Internationale Tagung, veranstaltet von der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und dem Deutschen Nationalkomitee von ICOMOS e.V.

Mehr zum Programm und zur Anmeldung finden Sie hier.

Nachwuchs für die Seufzerallee im Fürstlich Greizer Park

Eingeschult

AllgemeinGartenkulturKulturgeschichte
Starkregen, Hitzewellen und große Trockenperioden – die Folgen des Klimawandels zehren auch an den historischen Parkanlagen in Thüringen mit ihren teils jahrhundertealten Baumbeständen. Dass die damit einhergehenden Altbaumverluste nicht so einfach auszugleichen sind und wieviel sorgfältige Vorplanung und Pflege Nachpflanzungen brauchen, zeigt ein vom Bund gefördertes Revitalisierungsprojekt im Fürstlich Greizer Park.

In Gotha wurden im Mai 2024 rund 70 ganz besondere Greizer Linden eingeschult, Ende nächsten Jahres sollen sie in große Fußstapfen treten. Die jungen Linden werden Lücken in der Seufzerallee im Fürstlich Greizer Park schließen. Dazu wurden Reiser von alten Bäumen der Allee in einer Gothaer Baumschule auf Lindensämlinge veredelt. Die Sämlinge stammen aus der Region und wurden bei einer Forstbaumschule des Staatsbetriebs Sachsenforst bezogen.

Seufzerallee im Fürstlich Greizer Park,
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Familienbande

Durch die Veredelung kann das genetische Material der Seufzerallee erhalten werden. In der Gartendenkmalpflege ist es bei besonderen Baumexemplaren üblich, bei Nachpflanzungen mit vorhandenem Genmaterial vom gleichen Standort zu arbeiten. Die Experten setzen dabei auf junge Pflanzen, die sich, von klein auf am Standort großgezogen, dem Park und veränderten Klimabedingungen besser anpassen können. Einfach auf andere Baumarten auszuweichen, ist in den historischen Garten- und Parkanlagen nicht so einfach möglich. Die historischen Parkbilder gehören zu den prägenden Gestaltungselementen der lebendigen Gartenkunstwerke. Sie leben von authentischen Pflanzenkombinationen. Wenn sie auch natürlich gewachsen wirken, so wurden die Parkbilder bewusst komponiert. Stammwuchs, Kronenformen und Laubfarben wurden einst mit Bedacht ausgewählt. Durch die Anordnung der Bäume, ob als Solitär oder Gruppen, wurden Vorder- und Hintergründe, Proportionen und Tiefenwirkung in die Natur gemalt.

Junge Linden in der Baumschule in Gotha,
Foto: STSG, Dietger Hagner

Bereits 2005 und 2015 folgten auf Untersuchungen der über 200 Jahre alten Linden der Seufzerallee umfangreiche Baumpflegemaßnahmen, mit denen aus Gründen der Verkehrssicherung auch Kronenrückschnitte notwendig wurden. Die Ende 2025 anstehenden Nachpflanzungen werden durch das Programm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen ermöglicht und stehen im Kontext des Projekts „Revitalisierung des Greizer Parksees“. Die jungen Linden, die gerade in der Baumschule in Gotha heranwachsen und gehegt und gepflegt werden, werden rund 30 Lücken in der Seufzerallee schließen.

Ein Stück frühe Parkgeschichte

Die Seufzerallee ist rund 500 Meter lang. Sie liegt mitten in der historischen Parkanlage und säumt einen Abschnitt des Wegs zwischen der Weißen Elster und dem großen Parksee. Die Lindenallee entstand Ende des 18. Jahrhunderts, als die vorher barocke Gartenanlage zum weitläufigen Landschaftspark umgestaltet wurde. Eine Besonderheit ist ihr leicht geschwungener Verlauf: In der Übergangzeit vom Barock- zum Landschaftsgarten wurde darin manchmal eine Möglichkeit gesehen die streng formalen Alleen dem neuen „natürlichen“ Gartenideal anzupassen. Die Seufzerallee zählt damit zu den frühesten Gestaltungselementen des Landschaftsparks in Greiz, dessen heutiges Erscheinungsbild im 19. Jahrhundert durch die Gartenkünstler Carl Eduard Petzold und Rudolph Reinecken geprägt wurde.

Die jüngst eingeschulten Linden werden zukünftig Seite an Seite mit ihren teils über 200 Jahre alten Lindenverwandten stehen und über die Jahrzehnte in ein seltenes Zeugnis europäischer Gartengestaltung vom Ende des 18. Jahrhunderts hineinwachsen.

Anke Pennekamp