Entschlammung im Schlosspark Molsdorf

Gewässer in der Kur

BaugeschehenDenkmalpflegeGartenkultur
Die reinste Schlammschlacht steht in den nächsten Monaten im Schlosspark Molsdorf an. Der Hintergrund ist friedlich, es geht um das ökologische Gleichgewicht der Gewässer. Ablagerungen haben die Schlossteiche und den Kanal verschlammt, das Wasservolumen ist stark abgesunken, um die Gewässer – die Biotope und zugleich wichtige Merkmale der historischen Parkanlage sind – zu erhalten, muss saniert werden.

Schon lange war klar, die Entschlammung ist unumgänglich, doch das notwendige Geld für die rund 900.000 Euro teure Maßnahme fehlte. Ende November 2024 konnte nun das Ablassen des Wassers aus den Teichen und dem Kanal beginnen. Wenig spektakulär, aber mit großer Wirkung wurden die ersten Staubretter aus dem Regulierungsschacht gezogen.

Wasserspiele mit System

Die Staubretter sind Teil eines ausgeklügelten Wassersystems, das durch den Park verläuft und noch aus Barockzeiten stammt. Im 18. Jahrhundert erwarb der Jurist Graf Gustav Adolf von Gotter, dem bis heute der Ruf eines Lebemanns nachhängt, Schloss Molsdorf – eine frühere Wasserburg bei Erfurt – und ließ das Schloss nach damaligen barockem Zeitgeschmack ausbauen. En vogue waren in der Gartenkunst damals auch Wasserspiele, die im gleich mit angelegten Schlossgarten natürlich nicht fehlen durften. Neben einem Bassin, einem Wasserbecken am Schloss, flankierten zwei Wasserkanäle die geordneten geometrischen Rasenflächen und schnurgeraden Wege, die alle auf das Schloss ausgerichtet waren. Die Kanäle wurden von einem Zulauf am südlichen Hirschgraben gespeist, der nach einer dort aufgestellten Hirschskulptur benannt war. Über den Graben und die Kanäle wurde das Wasser zu den Wasserspielen geleitet zu denen unter anderem eine Kaskade, eine Wassertreppe, und Brunnen gehörten.

Historischer Plan des Schlossgartens Molsdorf, Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Gotha

Im 19. Jahrhundert zog auch in den barocken Schlossgarten Molsdorf die neue Mode des Landschaftsgartens ein. Von England ausgehend, sollten die Parkanlagen einem neuen „natürlicheren“ Gartenideal entsprechen, wenn die Parkbilder auch weiterhin durchkomponiert blieben. Auch im Schlosspark Molsdorf wurden neue Gehölzpflanzungen angelegt und die geometrischen Rasenflächen aufgelöst. Das Wasser spielte weiterhin eine wichtige Rolle. Zu dieser Zeit entstand auch der große sichelförmige Parkteich. Eine Besonderheit in Molsdorf ist, dass bei der Umgestaltung der Gartenanlage, einige Elemente des Barockgartens mit seinen Wasserspielen erhalten blieben. Die Kaskade blieb in ihren Strukturen ablesbar, auch der Hirschgraben und der westliche Kanal sind erhalten. Überdauert hat mit Umgestaltungen auch der Teich am Schloss. Auch die geraden Wegeachsen wurden teilweise in den Landschaftspark integriert und mussten nicht wie sonst oft einem schwungvolleren Verlauf weichen.

Gewässersanierung

Im Zuge der Gewässersanierung wird erst das Wasser aus den beiden Teichen, dem verbindenden Kanal und dem Hirschgraben abgelassen. Das passiert langsam, damit der abgelagerte Schlamm nicht aufgewühlt und fortgespült wird. Ab Februar 2025 wird der abgelagerte Schlamm dann ausgebaggert und auf einer Fläche neben dem Park zwischengelagert, damit er vor dem Abtransport austrocknen kann.

In den entschlammten Bereichen wird anschließend die Uferbefestigung erneuert. Sie besteht traditionell aus Holzpfählen und quergelegten Bohlen, die nach Jahrzehnten marode geworden sind. Parallel zum Kanal wird in diesem Zusammenhang zudem ein historischer Weg mit Rondell zurückgewonnen. „Dort gab es im 19. Jahrhundert einen geschwungenen Weg“ erklärt Gartenreferent Jonathan Simon von der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. „Wir brauchen an dieser Stelle ohnehin eine Baustraße bis zum Schlossteich für die Entschlammung, damit haben wir schon einmal den festen Unterbau und können dann zum Schloss die wassergebundene Decke auftragen. Wir erreichen also zwei wichtige gartendenkmalpflegerische Ziele auf einmal.“

Sonderinvestitionsprogramm I der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten

Vom Nadelöhr bis zu sich biegenden Sparren

BaugeschehenDenkmalpflegeSonderinvestitionsprogramm I
Ein Kulturgutrettungsprogramm mit einem Volumen von 200 Millionen Euro, finanziert durch Bund und Land. 23 Sanierungsprojekte über ganz Thüringen verteilt von der Burgruinensicherung bis zur statisch-konstruktiven Schlossflügelsanierung – das ist das Sonderinvestitionsprogamm I der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. Ein kleiner Rückblick auf Laufendes, Geschafftes und 2025 Anstehendes.

Während 2024 auf den Burgruinen Ehrenstein und Bad Liebenstein unermüdlich auch im zweiten Bauabschnitt dutzende Quadratmeter historischen Mauerwerks vom Naturstein bis zur Fuge in die Kur genommen wurde, starteten in Schleusingen auf Schloss Bertholdsburg an einem zentralen Nadelöhr die Grob- und Feinarbeiten. Denn die historische Zugangsbrücke der ehemaligen Residenz der Grafen von Henneberg, die zugleich auch einzige Zufahrt zur Burg ist, wird saniert. Auch auf Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden begann nach sorgfältiger Planung das Bautreiben. Hier wird das Natursteinmauerwerk der Stützmauern saniert. Da baumeln auch mal die Beine vom Gerüst, wenn an den flächendeckenden Mauerwerksfugen im Sitzen und Stehen alter Mörtel entfernt und neu verfugt wird. Unscheinbar, aber mit großer Bedeutung, halten die historischen Mauern das Schlossplateau seit Jahrhunderten optisch und wortwörtlich zusammen.

Stützmauersanierung auf Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden,
Foto: STSG, Thomas Müller

Sowohl ums Mauerwerk als auch um die historische Turmhaubenkonstruktion ging es 2024 auf der Burg Weißensee – und das gleich parallel. Während in knapp 30 Metern Höhe die über 400 Jahre alte Turmhaubenkonstruktion mit ihren besonderen Kniffen zimmermannsmäßig repariert wurde, begann nur ein paar Meter weiter auch die Sanierung von rund 50 Metern der Umfassungsmauern um die Burg. Die einst schützende und stützende Mauer driftet und baucht sich aus. Durch Ankervernadelungen bekommt sie neuen Halt. Gleichzeitig wird an der Ringmauer auch ein neuer zweiter Rettungsweg geschaffen, für den die Bagger behutsam und unter dem strengen Auge der Archäologen den Weg ebneten. Denn im SIP I geht es nicht nur um dringend notwendige statische Sicherungen für den Denkmalerhalt, sondern auch um neue und verbesserte Nutzungsmöglichkeiten und wichtige Themen wie Brandschutz und barrierearme Erschließung, damit Kulturgut für alle erschlossen werden kann. Auf Schloss Sondershausen wurden mit den ersten beiden abgeschlossenen SIP-Projekten dafür bereits zwei Meilensteine im Programm erreicht. Am Westflügel sind 73 Fenster saniert – nicht nur ästhetisch, sondern auch energetisch ein großer Gewinn. Die nun wieder dichten Fenster geben den Blick auf das zweite abgeschlossene SIP-Projekt frei, wenn es die neuen Wegedecken und Oberflächen im Lustgarten des Schlosses auch nicht mehr erahnen lassen. Um den Westflügel wurde das unterirdische Entwässerungsnetz saniert, über ein Kilometer Leitungen, Kabel und Rohre wurden dafür saniert und neu verlegt. Nicht weit entfernt schlummert im Boden verborgen nun auch eine moderne Löschwasserzisterne, die rund 200 Kubikmeter Wasser fasst und ihren ersten Einsatz im Rahmen einer Feuerwehrübung bereits erfolgreich absolviert hat.

Seit November wächst auch am Torhaus von Burg Ranis, in dem sich vom Keller bis zum Dach 800 Jahre Burggeschichte ballen, ein Gerüst empor. Die Sanierung hat begonnen. Aber nicht nur die anstehende konstruktive Sicherung des Torhauses – schon der Gerüstbau am abfallenden Hang, an dessen Fuß in einer Höhle rund 45.000 Jahre alte Menschheitsgeschichte verborgen liegen, wird dabei zum statisch anspruchsvollen Unterfangen. Und auch am Parkpavillon von Schloss Molsdorf ging Ende des Jahres das Bauen los, im ersten Schritt wird die barocke Außentreppe zum Schloss im Umfeld instandgesetzt. Ein Fachwerkkleinod ist wiederum mit dem historischen Küchenbau von Schloss Altenstein seit diesem Jahr in der Kur. Im zugehörigen Schloss ist parallel der Innenausbau in Gang, hier laufen Rohbauarbeiten und haustechnische Installationen.

Die Bauarbeiten im Sonderinvestitionsprogramm I der STSG laufen auf Hochtouren. 2024 wurde auf neun Baustellen parallel gebaut. Die ersten zwei von 23 Einzelprojekten sind bereits abgeschlossen.

Im Hintergrund schreiten in allen weiteren Projekten die Untersuchungen und Planungen für die Sanierungskonzepte mit großen Schritten voran. Jedes SIP-Projekt durchläuft die gängigen Planungsphasen von der Grundlagenermittlung bis zur Ausführungsplanung. Über 200 Experten aus unterschiedlichen Fachgebieten von der Restaurierung und Bauforschung über Haustechnik bis zum Architekten arbeiten dabei in den Planungsteams Hand in Hand zusammen. 

Abgeschlossen die Fenstersanierung am Westflügel von Schloss Sondershausen wurde als erstes SIP-Projekt fertiggestellt, Foto: STSG, Sibylle Mania
Fertig – auf Schloss Sondershausen ist eine neue Löschwasserzisterne verbaut und das Entwässerungsnetz im Lustgarten saniert und damit das zweite SIP-Projekte abgeschlossen, Foto: STSG, Thomas Höfer
Planungsberatung für die Sanierung der Säulensäle auf Schloss Heidecksburg im SIP I, Foto: STSG, Anke Pennekamp

Und auch für 2025 steht Großes an. In sechs weiteren SIP-Projekten sollen die Bauarbeiten losgehen. So startet am Prinzessinnenbau der Wasserburg Kapellendorf die Sanierung von Dach und Fassaden. Auf Schloss Schwarzburg wird das Hauptgebäude durch einen Aufzug und einen Servicebereich für die Veranstaltungsnutzung fit gemacht. Auf Schloss Bertholdsburg soll nach Abschluss der Brückenbauarbeiten die Sanierung von Räumen im Süd- und Westflügel anlaufen. Im Spätsommer sollen dann auch am Westflügel von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt und am Renaissanceschloss in Dornburg die ersten Bauarbeiten beginnen.

Anke Pennekamp

Zeichnerischer Nachlass von Prof. Hermann Wirth

Kulturerbe zu Papier gebracht

AllgemeinDenkmalpflegeKulturgeschichte
Von Rudolstadt bis nach Jordanien, von Sondershausen bis nach London – Professor Hermann Wirth ist weit gereist. Dabei hat der Denkmalpflege- und Architekturprofessor in Zeichnungen Kulturerbe auf der ganzen Welt mit Graphit, Aquarell und Tusche auf Papier festgehalten. Sein Erbe von über 5.000 Architekturzeichnungen hat seine Tochter Runhild Wirth jetzt in die Obhut der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten übergeben.

Neben den Säulen der ehemaligen Klosterkirche Paulinzella liegt die Wartburg, der Hausmannsturm der Weimarer Bastille wird von den Arkaden von Schloss Friedenstein in Gotha und der Wasserburg Kapellendorf flankiert – die Tische in der Reithalle von Schloss Heidecksburg sind prall gefüllt, in Mappen feinsäuberlich sortiert ruht der reiche Zeichenschatz. Residenzschlösser, Burgen, Ruinen, Wohnhäuser, Stuckdetails und Stadtansichten, um nur einige zu nennen, umfasst die Motivauswahl der Zeichnungen, die internationale Baugeschichte von der Antike bis zum Bauhaus einfangen. Runhild Wirth und Doris Fischer beugen sich über die leicht vergilbten Blätter und vertiefen sich in die Details. Nicht selten sind die Zeichnungen auch mit kurzen Kommentaren oder tagebuchartigen Kurzkommentaren versehen. Der Zeichenstil variiert von Bleistiftzeichnungen mit wenigen Strichen zackig zu Papier gebracht über stimmungsvolle Aquarelle bis zur detailreichen New Yorker Skyline.

Schon als Jugendlicher fand der 1940 geborene Hermann Wirth durch einen Zeichenkurs zu eigenem Kunstschaffen. Nach einer Baulehre absolvierte er ein Ingenieursstudium an der Hochschule für Architektur und Bauwesen (der heutigen Bauhaus-Universität) in Weimar und wirkte dort von 1992 bis 2005 als Professor für Bauaufnahme und Baudenkmalpflege. Zahlreiche in Thüringen und darüber hinaus tätige Architektinnen und Architekten haben von seinen Kenntnissen und Methoden profitiert. Auch das Freihand-Zeichnen spielte dabei eine entscheidende Rolle.

Das Konvolut mit rund 5.000 Zeichnungen aus dem Nachlass ihres 2019 verstorbenen Vaters übergab Runhild Wirth nun an die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. Die Zeichnungen entstanden auf Reisen und Studienexkursionen und zeigen vorrangig Architekturmotive aus Thüringen, Deutschland und Europa. „Für meinen Vater war das Zeichnen ein Mittel zum genauen Beobachten“, erinnert sich Wirth. „Durch das Zeichnen hat er Bauwerke genau studiert und sich dabei ein enormes Bildgedächtnis geschaffen. Es ist eine besondere Art der Aneignung des Gesehenen. Die Zeugnisse dieser Arbeitsweise möchte ich gern in einer öffentlichen Institution für die Nachwelt zugänglich machen und freue mich, dass die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten die Sammlung im Ganzen übernimmt.“ 

STSG-Direktorin Dr. Doris Fischer ist begeistert: „Die Zeichnungen sind ein echter Schatz. Und das nicht nur, weil sie von einer anerkannten Koryphäe der Denkmalpflege stammen. Sie sind auch in ihrer Qualität bestechend. Wie Wirth mit leichter Hand Perspektive, Proportionen und Details sicher und genau zu Papier bringt, ist frappierend. Viele der Zeichnungen nehmen das kulturelle Erbe Thüringens in den Blick und sind deshalb für uns besonders interessant. Wir freuen uns sehr über die Sammlung und möchten in den nächsten Jahren Teile davon in Kabinettausstellungen der Öffentlichkeit präsentieren.“ 

Schloss Altenstein hielt Wirth nach dem Schlossbrand 1982 – bei dem die Innenausstattung des Neorenaissancebaus zerstört wurde – ohne Dach fest. Die ebenso stimmungsvolle wie detailreiche Schlossansicht zeigt die markanten geschwungenen Fenstererker – Bow Windows genannt – und Dutch Gables des historistischen Schlossbaus, der nach dem Vorbild englischer Herrenhäuser entstand.

Hermann Wirth, Schloss Altenstein, Bildarchiv STSG

Von weitem ist Kloster und Schloss Mildenfurth festgehalten. Die Bauten der ehemaligen Klosterkirche, die nach der Säkularisation in den Besitz von Matthes von Wallenrod überging und um 1556 zum Schloss aufgestockt und umgebaut wurden, sind gut zu erkennen. 

Hermann Wirth, Kloster und Schloss Mildenfurth, Bildarchiv STSG

Mit kräftigen Strichen ist auch das Hauptgebäude von Schloss Schwarzburg in einer Zeichnung zu Papier gebracht. Auf der Schlossansicht von 1959 ragt noch die Turmhaube des Schlossturms über dem Hauptgebäude hervor. In der Sylvesternacht von 1980 auf 1981 ging die Haube mit Fernwirkung bei einem Brand verloren. Auch die Spuren eines begonnen und später abgebrochenen Umbaus des Barockschlosses zum Reichsgästehaus unter den Nationalsozialisten in den 1940er Jahren sind an der Fassade ablesbar.

Hermann Wirth, Schloss Schwarzburg, Bildarchiv STSG

Weitere Zeichnungen halten auch schmuckvolle Ausstattungsdetails fest. Dazu gehören beispielsweise die prachtvollen gemalten Türrahmungen auf Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden, wie auch schwungvolle Stuckdetails.

Weißer Saal im Schloss Ettersburg

Der künstlerisch wertvolle Zeichenschatz ist nicht nur ästhetisch ein Genuss, er erzählt auch Schlossgeschichte und Geschichten – für die Denkmalpflege ein ebenso wichtiges Pfund.    

Anke Pennekamp

Geschichten vom stillen Örtchen auf Burg und Schloss

Tief in die Schüssel geschaut

AllgemeinDenkmalpflegeKulturgeschichte
Sanitäranlagen und Toiletten in Porzellanschüsselform mit Abflussrohr und Spülung – geschweige denn ein ganzes Badezimmer – waren auch in Schlössern lange keine Selbstverständlichkeit. Die Notdurft gehörte aber auch auf Burg und Residenz, bei Grafen, Herzögen und Fürsten schon immer zum Tagesgeschäft. So wurden, bevor die ersten Porzellanklosetts in den Schlössern zu finden waren, noch Leibstühle und Nachttöpfe dezent versteckt, das Plumpsklo im Aborterker platziert und später die Neuerung das Badezimmers auch mal mit baulicher Pracht zelebriert.

Schon die alten Römer bauten Wasserklosetts, die erste Porzellanschüssel mit wassergespültem Abort zog in Deutschland allerdings wohl erst in einen Schlossbau mit Landgräfin Elizabeth von Hessen-Homburg nach 1820 in Schloss Homburg vor der Höhe ein. Während sich solche neuen Apparate, die aus England kamen, bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert im Großbürgertum durchsetzen konnten, führte der große bauliche Aufwand, die Schüssel mit Abwasserrohren, einem Kanalsystem oder überhaupt fließendem Wasser zu verbinden, dazu, dass man dort noch bis ins 20. Jahrhundert auf den Leib- und Nachtstuhl zur Erleichterung setzte.

Wasserburg Kapellendorf, Foto: STSG, Philipp Hort

Schon im Mittelalter gehörte der Aborterker zur Burg und später auch zum Schloss. Der ummauerte Austritt mit Öffnung nach unten, teils auch mit Rohren, Rutschen oder Schächten versehen, ist heute noch an einigen mittelalterlichen Burgen ablesbar. Auch die Kemenate der Wasserburg Kapellendorf besaß einen Abort zum Zwinger – einem Verteidigungsbereich zwischen den Burgmauern – hin. Dem Wohnkomfort dienend, fanden sich schon auf der Burg die Aborte zumeist in Nähe der Wohnräume, insbesondere den Kammern oder einem Saal. Auch die Veste Heldburg besaß einst mehrere Aborte am Französischen Bau, deren Türen heute jedoch ins Leere führen und vermauert sind. Wo einst schon die Herzöge das stille Örtchen direkt neben ihrer Schlafkammer aufsuchen konnten, waren die Abortschächte vermutlich in das Gefüge der zum Hang liegenden Schaufassade arrangiert. Später wurden sie der Ästhetik wegen abgetragen.

Veste Heldburg mit der Südfassade des Französischen Baus (rechts),
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Gut erreichbar wurde auch die tragbare und teilweise sogar gepolsterte Sitztoilette, der Leib- und Nachtstuhl, in der frühen Neuzeit gerne hinter unscheinbaren Türen und in kleinen Kabinetten in Schlafkammernähe versteckt. So musste sich Graf Gotter – Jurist, Lebemann und Parvenu – im 18. Jahrhundert nur aus der Bettnische schwingen, um auf kurzem Weg sein Nachtgeschäft zu verrichten. Versteckt hinter einer Tür neben dem Alkoven im grüngemusterten Schlafraum, blieb die Intimsphäre des Leibstuhls gewahrt. Und auch die Besucher von Schloss Friedenstein in Gotha schlendern heute vermutlich nichtsahnend an der dezent in die Wand eingefügten Tür im Herzoglichen Treppenhaus vorbei, hinter der sich seit 1712 ebenfalls ein Abort verbarg.

Weniger schick, aber praktikabel ging es im Marstall von Schloss Heidecksburg zu. Im Obergeschoss des fürstlichen Pferdestalls aus dem 19. Jahrhundert sind noch heute die früheren Knechtstuben und -kammern aus der Erbauungszeit in ihren Strukturen erhalten. Zwischen den Kammern durfte natürlich auch das Plumpsklo nicht fehlen. Dessen Schacht führte direkt auf den Misthaufen, der hinter zinnenbekrönten Mauern an der Rückseite des Marstalls versteckt lag.

Blick in das Dachgeschoss des Marstalls von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt, Foto: STSG, André Kranert

Platz für gleich zwei Personen direkt nebeneinander bot das Plumpsklo im Obergeschoss des Kirms-Krackow-Hauses in Weimar. Im 19. Jahrhundert konnte man nicht nur im Garten des Ackerbürgerhofs der Brüder Kirms gesellig zusammenkommen. Schon die Römer legten Latrinen mit mehreren Sitzplätzen nebeneinander an.

Einen modernen zweigeschossigen Klosettbau ließ Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen beim Umbau seiner Sommerresidenz auf dem Altenstein um 1888 anbauen. Gleich mehrere Spülklosets mit poliertem Sitz fanden in kleinen Kabinen an der Rückseite des Schlosses ihren Platz. Ausgestattet waren die „Waterclosets“ im Toilettenanbau sogar mit Jalousien an den Fenstern und Stuckmarmorverkleidungen an den Wänden. Schon 1889 wurde allerdings angeregt, bei den Jalousien im Obergeschoss noch nachzurüsten, da bei Licht nichts verborgen blieb. Ein eigenes herzogliches Bad wurde wiederum im Obergeschoss eingerichtet und mit einer eigens in London bestellten Ausstattung bestückt.

Schloss Altenstein in Bad Liebenstein, Foto: STSG, Tino Trautmann

Ein luxuriöses Badezimmer richtete die Gräfin von Gneisenau im Schloss Molsdorf um 1909 ein. Das Marmorbad mit Sofa, Marmorwanne, Waschnische und Toilette besaß seit Anfang des 20. Jahrhunderts nicht nur eine Heizung, sondern auch einen Wasseranschluss. Marmorverkleidungen, eine Kassettendecke und Golddetails schmücken das prachtvolle Jugendstilbad. Der Zugang zur Toilette liegt hinter einer Marmortür versteckt. Später verändert, baumelt heute noch hinter der Tür der Kettenzug eines Spülkastens von der Decke.

Marmorbad im Schloss Molsdorf, Foto: STSG, Constantin Beyer

Der Blick in die Geschichte soll auf das Anliegen des Welttoilettentages aufmerksam machen: Hygienische Toiletten stehen nach wie vor viel zu wenigen Menschen zur Verfügung.

Anke Pennekamp

Lesetipp zum kulturgeschichtlichen Thema Toilette und Hygiene im Schloss: „Das stille Örtchen. Tabu und Reinlichkeit bey Hofe“, Herausgegeben von den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden Württemberg, Altenburg 2011.

Bauforschung im Jägerhaus von Schloss Sondershausen

Fährtensuche in der Geschichte

BaugeschehenDenkmalpflegeKulturgeschichteSonderinvestitionsprogramm I
Ein besonderes Fenster in die Geschichte haben die Bauforscher bei ihren Untersuchungen im Jägerhaus von Schloss Sondershausen entdeckt.

Heute baufällig, aber immer noch eine Fundgrube der Geschichte – das Jägerhaus von Schloss Sondershausen hat im Laufe der Jahrhunderte einiges erlebt. Stumm berichten Wände, Balken und Fugen von Umbauten, Modernisierungen und Erweiterungen. In den nächsten Jahren stehen große Baumaßnahmen an, denn ein neues Kapitel für das Gebäude soll aufgeschlagen werden. Im Rahmen des Sonderinvestitionsprogramms I der STSG wird es vom Keller bis zum Dach plus Remise saniert. In Zukunft sollen hier Proben- und Beherbergungsräume der Thüringer Landesmusikakademie Sondershausen entstehen. Vor dem Sanieren steht allerdings in der Denkmalpflege erst einmal der Blick zurück in die Geschichte, die auch im Jägerhaus Unerwartetes bereithält. Über einige Monate haben Bauforscher Klaus-Peter Wittwar von der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten und andere Experten der Baugeschichte des Jägerhauses deshalb auf den Zahn gefühlt.

Fenster in die Geschichte

Wie alle Bauten der Schlossanlage hat auch das Jägerhaus bereits Jahrhunderte auf dem Buckel. Aufgestockt, umgenutzt, neue Wände eingezogen, sogar eine Treppe wurde mal versetzt. Besonders interessant wird es im Foyer des Gebäudes. Im Erdgeschoss zeigt Bauforscher Wittwar auf den östlichen Bereich der Südwand, die Fachwerkkonstruktion liegt hier frei, die Schäden an einem morschen Balken sind unverkennbar. Ein kleiner unscheinbarer Aufkleber deutet aber auf etwas Großes hin. „Befund“ steht darauf.

Befundfenster mit Fensterfund im Jägerhaus von Schloss Sondershausen.,
Foto: STSG, Anke Pennekamp

„Die Nachforschungen haben Spannendes ergeben, das Jägerhaus ist nicht einfach aus dem Nichts entstanden. Es gab einen Vorgängerbau, der Ende des 18. Jahrhunderts praktisch überbaut wurde“, berichtet Wittwar. Es steckt also ein Haus im Haus, könnte man sagen. Der Befund im Erdgeschoss war ein wichtiger Anhaltspunkt für den Bauforscher: „Hier war ursprünglich die Außenwand. Als sie Innenwand wurde musste man ein Fenster zusetzen, von dem der ehemals grüne Rahmen noch zu erkennen ist. Das war für uns ein wichtiger Hinweis. Ein Fenster im Inneren eines Gebäudes macht stutzig. Weitere Befunde an der Nordfassade und die Analyse der Grundrisse kam hinzu und plötzlich fügte sich eines zum anderen. Beim Bau der Jägerhauses 1795 musste ein Vorgängerbau einbezogen worden sein“. Unterstützt wird der Fund durch eine dendrochronologische Probe, die auf die Mitte des 18. Jahrhunderts datiert werden konnte.

Jägerhaus Schloss Sondershausen, Foto: STSG, Manuel Mucha

Bauherr mit Leidenschaft

„Bauherr des Jägerhauses war Fürst Günther Friedrich Carl I. von Schwarzburg-Sondershausen. Er ist bekannt für seine Jagdleidenschaft. Im 19. Jahrhundert wurde das Gebäude dann zum Hofgärtnerhaus umgenutzt“, erklärt Wittwar. Wo sich früher mal Jagdgehilfen, Büchsenspänner und später Hofgärtner und Gartenbaubeamte die Klinke in die Hand gaben, lässt heute der Bauforscher den Blick schweifen: „Mit dem Umbau zum Hofgärtnerhaus waren auch bauliche Veränderungen verbunden. Die Hauptfassade wurde von der West- an die Ostseite des Gebäudes verlegt und eine großzügige Diele geschaffen. Auch mehr Komfort durch die Zusammenlegung bestehender Einzelräume zu kleinen Wohnungen zog mit ein. Archivalien geben uns darüber noch heute Aufschluss.“

Blick ins Obergeschoss des Jägerhauses von Schloss Sondershausen,
Foto: STSG, Franz Nagel

Als eines von 23 Einzelprojekten wird das Jägerhaus von Schloss Sondershausen im Sonderinvestitionsprogramm I in den nächsten Jahren saniert. 2026 sollen die ersten Baumaßnahmen vor Ort starten, bis dahin wird die Sanierung vorbereitet und geplant. Intensive Nutzung, Umbauten und Feuchtigkeit haben zu starken Schäden an der Fachwerkkonstruktion und am Dach geführt. Die dauerhafte Sicherung ist dringend notwendig. Durch die Sanierung des Jägerhauses wird ein wertvolles Stück Schlossgeschichte erhalten, die Jagd nach der Baugeschichte ist wichtige Voraussetzung für das Sanierungskonzept, das derzeit erarbeitet wird.  

Anke Pennekamp

Burg Weißensee

Richtfest unter der Haube

BaugeschehenDenkmalpflegeSonderinvestitionsprogramm I
„Nach manchem Hieb und manchem Schlag / und manchem heißen Arbeitstag; / sind heut verstummt des Beiles Schläge, / auch ist sie aus, die geschwätzige Säge...“ (Richtspruch für die Turmhaube auf der Burg Weißensee)

Im Wind flattern die bunten Bänder der Richtkrone über der Burg Weißensee. Es ist ein besonderer Tag Ende September 2024. Am Palasturm wird Richtfest gefeiert. Die Turmhaubenkonstruktion ist allerdings nicht neu, ganz im Gegenteil, sie ist rund 500 Jahre alt und wird seit einigen Monaten im Bestand saniert.

Burg Weißensee mit eingerüstetem Palasturm, Foto: STSG, Thomas Müller

Mit Säge und Segen

An diesem Dienstag steht der Zimmermeister oben in der Haube zwischen jahrhundertealten Balken und Sparren, neben ihm ein gefülltes Glas. In 20 Metern Höhe unter dem Schutzdach spricht er nach altem Brauch ein Segenswort: „…schütz diesen Turm mit Gnaden / vor Feuer und vor Wasserschaden / vor Stürmen und vor Gewittern / nichts soll sein Gebälk erschüttern. / Die Zeit wird vergehen / doch Du wirst noch stehen / hoch oben im Wind, /wenn wir längst nicht mehr sind. So trink ich jetzt mein Gläschen aus / und bring dabei ein Prosit aus: Hoch! Hoch! Hoch!“. Der Meister leert sein Glas und zerschlägt es. Dann wird der symbolische letzte Holznagel in das Tragwerk eingeschlagen.

Auf der Zielgeraden

Die Turmhaubensanierung ist ein lang ersehntes Ziel. Über viele Jahre musste die Haube mit einer Noteindeckung aus Plane und Dachpappe ausharren. Zwar konnte die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten bis 2016 den Turmschaft aufwendig stabilisieren, jedoch fehlte damals das Geld für die Haubensanierung. Das Sonderinvestitionsprogramm I macht nun die Sanierung des historischen Dachstuhls und die Neueindeckung möglich.

Die Zimmermannsarbeiten gehen zügig voran. Im Sommer 2025 soll die Sanierung abgeschlossen werden und die Haube fortan wieder mit altem Schwung in die Ferne wirken. Aber nicht nur die Fernwirkung für die Burgsilhouette spielt bei der Sanierung eine Rolle. Durch die bald wieder dichte Deckung wird die historische Haubenkonstruktion vor der am Holz zehrenden Feuchtigkeit geschützt und auch das bereits sanierte Turmmauerwerk des Palas vor Schaden bewahrt. Bei den Zimmermannsarbeiten wird im Bestand unter Erhalt möglichst großer Teile der Substanz gearbeitet.

Die kleine Schwester der Wartburg

Die Anfänge der Burg Weißensee reichen bis in die Romanik zurück. Im 12. Jahrhundert legte die Landgräfin Jutta den Grundstein für die mittelalterliche Burganlage. Errichten ließ die Bauherrin ihre wehrhafte Burg auf halber Strecke zwischen den Landgrafensitzen Wartburg und der Neuenburg bei Freyburg. Im Palas mit großem Saal wurde im Mittelalter gewohnt und gefeiert, ganz sicher auch den noch heute berühmten Minnesängern gelauscht.

Zur Burganlage gehört auch ein fünfgeschossiger Turm. Als Einheit geschaffen, stammt der Palas samt Turm noch aus der Erbauungszeit der Burg. In Notlagen war der Turm sicherer Rückzugsort. Im 16. Jahrhundert wurde die Burg zum Schloss und zum Verwaltungssitz ausgebaut, in dieser Zeit kam es auch an Palas und Turm zu baulichen Veränderungen. Wie dendrochronologische Untersuchungen durch die Bauforscher zeigten, stammt auch die Turmhaubenkonstruktion noch aus dem 16. Jahrhundert.

Anke Pennekamp

Dahliengeschichte(n) aus den Dornburger Schlossgärten

Königin des Herbstes

AllgemeinDenkmalpflegeGartenkulturKulturgeschichte
Bereits im 19. Jahrhundert sind die Dornburger Schlösser und Gärten für ihre Rosenpracht bekannt. Vor rund 200 Jahren erhielt die „Königin der Blumen“ royale Konkurrenz in den Beeten. Die Dahlie – auch als „Königin des Herbstes“ bezeichnet – zählte damals noch zu den exotischen Raritäten.

Mit ihrer Ankunft in Europa und den zahlreichen Neuzüchtungen ist die Erfolgsgeschichte der Dahlie direkt an das 19. Jahrhundert geknüpft. Archivalisch nachgewiesen, kaufte im Jahr 1832 der Hofgärtner Carl August Christian Sckell für die Schlossgärten in Dornburg 1 Schock – 60 Stück – Rosenstöcke und Georginien. Rund zehn Jahre später bittet er bei seinen Dienstherren in Weimar erneut um die Anschaffung weiterer Georginen, die er sich auf einer Reise ins reußische Köstritz ausgesucht hatte. Zu Sckells Zeiten werden Dahlien noch unter der Bezeichnung Georginen gehandelt, da sie 1803 zu Ehren des deutschen Naturforschers Johann Gottlieb Georgi ihren Namen erhielten. Erst später sollte sich die Bezeichnung Dahlie – nach dem schwedischen Botaniker Andreas Dahl – durchsetzen. In Thüringen ist die Ankunft und Zuchtgeschichte der Dahlie eng mit der Gärtnerdynastie der Sckells sowie den Städten Bad Köstritz, Weimar und Dornburg verbunden.

Herbstliche Dahlienblüte im „Gendarmengärtlein“ am Alten Schloss mit Blick in Richtung Saaletal und Rokokoschloss. Foto: STSG, Fanny Rödenbeck

Eine Königin erobert Thüringen

Bis zur Ankunft der Dahlie in Dornburg hatte sie bereits einen langen Weg durch botanische und fürstliche Gärten zurückgelegt. Zwar veröffentlichte der spanische Arzt und Naturforscher Francisco Hernandez de Toledo bereits 1651 nach zwei Mexiko-Reisen Beschreibungen und Abbildungen von Dahlien, aber es sollte noch bis zum Jahr 1790 dauern, bis der erste Sämling in Madrid, die Geburtsstunde der Dahlie in Europa einläutete. Folgend verbreitete sich die „Aztekenblume“ über die Metropolen Paris und Berlin, bis sie schließlich auch in die thüringische Residenzstadt Weimar gelangte. Die „Dahlienmanie“ hatte bereits um sich gegriffen, rief hohe Preise am Markt auf und sorgte für attraktive Farb- und Formvarietäten bei den Neuzüchtungen. In der Sommerresidenz Belvedere bei Weimar war es der Hofgärtner Conrad Sckell, der sich um die Zucht und Verbreitung der Dahlie verdient machte. Er übergab beispielsweise dem jungen Christian Deegen 1812 erste Knollen für eigene Zuchtversuche, die 1826 in der Gründung der ersten gewerblichen Handels-Gärtner mit Georginien in Köstritz mündeten. Übrigens, die älteste deutsche, heute noch kultivierte Dahlienzüchtung („Kaiser Wilhelm“, 1881) stammt noch vom Altmeister Deegen persönlich.

Teeplatz mit Wechselflorbeet in den Dornburger Schlossgärten, Foto: STSG, Frank Bergmann

Leitpflanze in den Dornburger Schlossgärten 2024

Im engen Austausch stand Conrad Sckell auch mit seinem Sohn August Sckell, der seit 1823 eine Hofgärtnerstelle in Dornburg innehatte. Da dieser hier bis 1874 folgenreich wirkte, folgt die Gartendenkmalpflege für die Schlossgärten heute maßgeblich seinen Gestaltungsideen.

Und das nicht nur bei Wegen und Gehölzen – So machte das Team der Dornburger Gärtnerinnen und Gärtner die Dahlie in der Saison 2024 zur Leitpflanze in den Wechselflorbeeten: bienenfreundliche Dahlien wuchsen in den Halbmondbeeten im Landschaftsgarten, weiße Balldahlien hatten am Teeplatz ihren großen Auftritt und Schwarzlaubige mit feuerroten Blüten sorgten im Rokokogarten für lange Blühzeiten und interessante Form- und Farbaspekte.

Auch wenn erst der Frost die Regentschaft der „Königin des Herbstes“ beendet, ist durch die getakteten Arbeitszyklen die Sommerbepflanzung in den Schmuckbeeten bereits abgeräumt. Aber auch 2025 wird die Dahlie in Dornburg – so beispielsweise mit der neuen Dahlienzüchtung „Conrad Sckell“ – ihren Auftritt in den Beeten haben und von einer langen Tradition vor Ort erzählen.

Nur ein Grad unter Null…

…und die Knollen der Dahlien müssen ihr Winterquartier aufsuchen. Diese galten einst bei den Azteken noch als bevorzugtes Nahrungsmittel und Medizin. Erst die Europäer setzten in der Zucht auf die Schönheit und Formenvielfalt der Blüte, anstatt auf Größe und Geschmack der Knollen. Als cocoxochitl angebaut– was übersetzt etwa „Wasserleitungspflanze“ bedeutet – haben Dahlien heute ihren Wert als Nahrungsmittel verloren. Dabei wird in Zentralamerika ein Kaffee aus gerösteten Dahlienknollen genossen, einige Sorten zeichnen sich durch ein mildes Haselnussaroma aus und auch herzhafte Puffer oder Gelee sind kulinarische Möglichkeiten der kaum beachteten Knolle. In der Forschung rückte zudem der positive Einfluss auf den Blutzuckerspiegel durch langkettige Kohlenhydrate (Inulin) in den Fokus. Und es ist eben das in den Knollen gespeicherte Inulin, was die Dahlien nach der Winterruhe wieder austreiben lässt und eine neue Saison der „Königin des Herbstes“ eröffnet.

Christian Hill

Schmuckbeet am Dornburger Rokokoschloss, Foto: STSG, Fanny Rödenbeck
Restaurierung bewahrt Kunstschätze

Historischer Glanz dank moderner Wissenschaft

BaugeschehenDenkmalpflegeKulturgeschichteSonderinvestitionsprogramm I
Den Malschichten bis auf den Grund gehen, alten Rezepturen nachspüren, dem Mörtel auf den Körnungsgrad fühlen – die Restaurierungswissenschaft erhält Kulturgut und ist facettenreiche Detailarbeit, die besonderes handwerkliches Feingefühl bedarf und sich ständig weiterentwickelt.

Ein funkelndes Beispiel für restauratorische Pflegemaßnahmen spielt sich auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt ab, wenn im Festsaal die drei großen Kronleuchter für die Pflege und Wartung unter den wachen Augen der olympischen Götter herabgelassen werden müssen. Dabei ist Feinarbeit und Muskelkraft gefragt. Drei auf dem Dachboden verborgene historische Winden machen das Herunterlassen möglich. Am Boden angekommen, werden die geschliffenen Kristalltropfen, Zierketten, Glasperlen und – zapfen des Behangs abgenommen und von Hand vorsichtig gereinigt, bevor die zwischen 200 und 400 Kilogramm schweren Glaskunstwerke sich wieder langsam bis unter den gemalten Himmel zurück erheben. Da das Herablassen der Kronleuchter einen großen Kraftaufwand bedeutet, kommen alternativ auch Leitern und Gerüste bei der Pflege zum Einsatz.

Festsaal von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt,
Foto: STSG, Philipp Hort

Schwebende Hilfe erhielt 2020 auf Schloss Friedenstein in Gotha Iphigenie. Für zwei große Deckengemälde aus dem Audienzgemach der Herzogin stand damals eine Restaurierung im Liegen an. Was erstmal gemütlich klingt, wurde bei 400 Stunden auf dem Rollgerüst knapp über der Leinwandoberfläche für die Restauratorinnen zu einer ausgesprochen mühsamen Angelegenheit. Am Anfang des 20. Jahrhunderts hatten die beiden mehr als fünf Meter langen Ovale noch die Decke im Audienzgemach geschmückt. Später waren sie abgenommen und eingelagert worden. Sie zeigen unter anderem die Rettung der Iphigenie vor der Opferung im trojanischen Krieg durch die in letzter Sekunde heranschwebende Göttin Artemis. In aufwendiger Detailarbeit wurden alte Firnisschichten abgenommen, die die Farben verdunkelten. Lose Leinwandstücke wurden verklebt und angespannt, Knicke und Falten mussten behutsam befeuchtet und geglättet werden. Auf beiden Bildern waren großflächig Teile der Malschicht verloren gegangen. Hier lag die rotockerfarbene Grundierung, der sogenannte Bolusgrund, frei. Diese Flächen wurden farblich an die Grundstimmung der Gemälde angenähert, damit sie nicht aufgrund des starken Kontrasts die Wahrnehmung der eigentlichen Malerei überlagern. Zum Schluss erhielten die Bilder eine neue schützende Firnisschicht. Wenn die statischen Probleme des derzeit mit Abstützungen versehenen Raums behoben sind, sollen die restaurierten Gemälde wieder montiert werden.

Deckengemälde aus dem Audienzgemach der Herzogin nach der Restaurierung, Foto: Beatrix Kästner

Großflächig, wenn auch mit nicht weniger Feingespür, geht es auf den Burgruinen Bad Liebenstein und Ehrenstein bei der Steinrestaurierung zu. Im Sonderinvestitionsprogramm I werden auf den beiden Burgruinen seit letztem Jahr rund 1000 Quadratmeter Natursteinmauerwerk restauriert. Dabei kommt es nicht nur auf die richtige Optik, sondern auch auf die passende Chemie an, damit sich Alt und Neu gut vertragen. Der Mörtel spielt beim Mauerwerk dabei eine tragende Rolle. Durch Restauratoren und in Laboren werden die einzigartigen historischen Mörtel vor der Sanierung von historischem Mauerwerk genau unter die Lupe genommen. Unter dem Mikroskop und im Reagenzglas werden Zusammensetzung, Körnungsgrad und Farbigkeit analysiert. Möglichst nah versucht man an die historische Beschaffenheit heranzukommen, dabei aber auch Probleme wie Salz- oder Feuchtigkeitsbelastung am Denkmal nicht außer Acht zu lassen.

Steinrestauratorische Maßnahmen auf der Burgruine Ehrenstein im Sonderinvestitionsprogramm I, Foto: STSG, Philipp Hort

Im Vorzimmer der Herzogin auf Schloss Friedenstein in Gotha, gingen wiederum 2023 die Holzrestauratoren ans Werk. Am Parkett hatten Zeit und Nutzung gezehrt, die stark geschädigten Parketttafeln wurden ausgebaut und in der Restauratorenwerkstatt in die Kur genommen. Die Experten ersetzten beschädigte Teile, stabilisierten die Tafeln und mussten hier und da auch etwas ergänzen.

Einbau des restaurierten Parketts im Vorzimmer der Herzogin auf Schloss Friedenstein in Gotha, Foto: Roland Sommer

Das aus verschiedenfarbigen Holzarten zusammengefügte Parkett ist definitiv die Mühe wert, es konnten sogar noch Handwerkersignaturen aus dem 18. und 19. Jahrhundert nachgewiesen werden. Nach dem Einbau der quadratischen Tafeln bekam der Holzboden noch seinen letzten Schliff und eine schützende Beschichtung. Bei der Herausnahme der Tafeln hatte sich allerdings gezeigt, dass auch die darunterliegenden tragenden Balken zum Teil gebrochen und stark verformt waren. Erst nach der statischen Sicherung der Baukonstruktion konnte dann auch das Parkett wieder in das herzogliche Vorzimmer einziehen.

Ein kleines blaues Wunder kann man im Schallhaus auf Schloss Heidecksburg erleben, ursprünglich als Gartenhaus im Schlossgarten auf der Unteren Terrasse erbaut, wurde das Gebäude im 18. Jahrhundert durch einen Schallsaal aufgestockt. Mit Rillen und einen besonderen Putz versehen wird Musik in sphärischen Klängen aus der Kuppel mit Musikerempore bis in den Schlossgarten getragen. Seit der Restaurierung erstrahlt das Innere des Schallhauses wieder im alten Blau mit fein gemalten Ornamenten in grau.

Schallhaus im Schlossgarten von Schloss Heidecksburg in Rudolstadt,
Foto: STSG, Constantin Beyer

Am Anfang der Sanierung, ermöglicht durch das Sonderinvestitionsprogramm I, steht das Torhaus von Burg Ranis. Wie beim Bauen gehen auch Restaurierungsprojekten in der Denkmalpflege umfangreiche Voruntersuchungen und eine detailreiche Planung voraus. Es wird recherchiert, historische Quellen, Bilder und Pläne ausgewertet und der Bestand genau untersucht. Auch im Torhaus geben kleine Befundfenster vom Keller bis zum Dach viel über Jahrhunderte und generationenübergreifende Baugeschichte preis – von Fragmenten illusionistischer Architekturrahmungen um Fenster und Türen bis zu feinen Strichen und Inschriften, die Riegel, Bänder und Streben des Fachwerks säumen. 

Torhaus der Burg Ranis, Foto: STSG, André Kranert

Am 20. Oktober 2024 ist Tag der Europäischen Restaurierung.

Neue Löschwasserzisterne erprobt

Feuerwehr-Übung auf Schloss Sondershausen

BaugeschehenDenkmalpflegeSonderinvestitionsprogramm I
Rund 70 Kameraden von 13 Sondershäuser Feuerwehren waren im Einsatz, als Mitte September 2024 auf Schloss Sondershausen eine Löschangriffs-Übung und damit verbunden der erste Test für die neue Löschwasserzisterne anstand.

200 Kubikmeter Wasser werden in der Schlossanlage, die früher Residenz der Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt war, in einer neuen unterirdischen Zisterne jetzt vorgehalten. Ein wichtiger Schritt für den Brand- und Denkmalschutz des historischen Denkmalensembles, der durch das von Bund und Land geförderte Sonderinvestitionsprogramm I (SIP I) möglich wurde.

Feuerwehrübung auf Schloss Sondershausen,
Foto STSG, Thomas Höfer

Bei den Sanierungsmaßnahmen im SIP I spielen Objektsicherheit und Brandschutz eine wichtige Rolle. Neben der neuen Zisterne auf Schloss Sondershausen werden beispielsweise auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt Brand- und Rauchabschnitte im Nord- und Westflügel abgeschottet. Auch bei der Gesamtsanierung zum Beispiel des Jägerhauses von Schloss Sondershausen oder des Marstalls auf Schloss Heidecksburg wird der Brandschutz gleich mitgedacht.

Dringend notwendig war der Einbau der Zisterne auf Schloss Sondershausen, da die vorhandenen Hydranten die erforderliche Durchflussmenge bei einem Löschangriff in der Schlossanlage auf Dauer nicht komplett erfüllen. Die Teiche des Schlossparks kommen als Löschwasserreservoir aufgrund ihrer Entfernung zum Schloss nicht in Frage. Sie führen aufgrund der zunehmenden Trockenheit in den Sommermonaten zudem nicht zuverlässig genügend Wasser.

Ihren ersten Einsatz hat die Löschwasserzisterne bereits erfolgreich absolviert. Weiter geht es auf Schloss Sondershausen im SIP I jetzt an den Alten Flügeln und am Jägerhaus. Am Alten Nordflügel mit dem Schlossturm und dem Ost- und Südflügel werden dringend notwendige statisch-konstruktive Sicherungen und ein erster Sanierungsabschnitt am Dach vorbereitet. Am Jägerhaus steht die Gesamtsanierung für die zukünftige Nutzung durch die Thüringer Landesmusikakademie Sondershausen an. Für die beiden komplexen Projekte laufen die Planungen auf Hochtouren, während mit der neuen Löschwasserzisterne bereits ein wichtiger Schritt für den Brandschutz geschafft ist.

Anke Pennekamp    

Sonderausstellung mit Pflanzenschätzen im Rokokoschloss Dornburg

Eingeschlossene Geschichte

AllgemeinGartenkulturKulturgeschichteVermittlung
Ein Gartenjahr lang hat die Erfurter Textilkünstlerin Sylvia Döhler Pflanzenschätze in den Dornburger Schlossgärten gesammelt. Diese Blätter, Blüten und Früchte mit Geschichte präsentiert sie nun in besonderen Wandteppichen und Leuchten.

In der Sonderausstellung „ZEITKAPSELN. Textile Herbarien aus den Dornburger Schlossgärten“ bekommt die Natur einen Platz im Museum. Vom 7. September bis 31. Oktober 2024 erzählen textile Kunstwerke Gartengeschichte(n). Selbst erklärt Sylvia Döhler ihre Inspiration wie folgt: „Mich reizt die Herausforderung, Textil und Natur so zu verbinden, dass die Natur durch ihre eigene Gestaltungskraft das textile Material gestaltet. Indem die Materialien in den Stoffen dauerhaft festgehalten sind, werden die Urformen und Farben der Natur auf den Textilien zum zeitlosen Ornament.“

Textildesign trifft Handwerkskunst

Vielleicht ist es die vertraute Landschaft der Kindheit, vielleicht die Magie des Ortes: Dornburg übt auf Döhler eine besondere Anziehungskraft aus. Für diese Sonderausstellung hat sie in den Dornburger Schlossgärten Pflanzenmaterial gesammelt, getrocknet, gepresst, sortiert, bewertet, verarbeitet und vor der Vergänglichkeit bewahrt. Alles mit einem Gespür aus Wissen, Erfahrungswerten und Kreativität im langen Entstehungsprozess ihrer textilen Kunstwerke. Der historische Ort hatte unmittelbar Einfluss auf ihre Arbeiten. Der magische Nebel im Saaletal, die morgendliche Frische eines Gartentages oder das atmosphärische Licht im Sommer sind Impressionen, die bereits Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) in Dornburg genoss.

Blick in die Sonderausstellung „ZEITKAPSELN. Textile Herbarien aus den Dornburger Schlossgärten“,
Foto: STSG, Christian Hill

Goethe trifft Dornburg

Nach dem Tod seines Freundes und Förderers Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach im Sommer 1828 verbringt der greise Goethe mehrere Wochen der Trauer auf den Dornburger Schlössern. Es sind auch die „wohlunterhaltenen Gärten“, nächtliche Himmelsbeobachtungen, die täglichen Spaziergänge entlang der Terrassen oder Naturstudien, die sein Gemüt wandeln. Der Genius Loci wirkt. Er schreibt: „Ich bin noch auf dem alten Dornburg, vorzüglich mit botanischen Betrachtungen beschäftigt.“

Bei Goethe sind Natur- und Landschaftsbetrachtungen zeitlebens Inspiration für forschendes Streben. Die „Blüthenburg“ an der Saale bietet dazu beste Bedingungen. So befasst er sich hier auch damit, seine „Metamorphose der Pflanzen“ für eine französische Übersetzung voranzutreiben. Zeugnis seiner lebenslangen botanischen Studien ist ein Herbarium von circa 2.000 Blatt, angelegt ab 1770.

Vergänglichkeit trifft Schönheit

Die Arbeitsintension für die textilen Herbarien von Döhler sind das Sichtbarmachen und die Wahrnehmung der Natur. Zu den ausgestellten Arbeiten zählen Leuchten, Wandteppiche – die auch als Reminiszenz an textile Wandbespannungen in Schlössern gesehen werden können – aber auch Ätzungen auf 15 Kupferplatten, die Kreisläufe der Natur und des Lebens versinnbildlichen. So überdauert in ihrer Kunst als Momentaufnahme eine knorrige, mehrfach gestutzte und vom Alter gezeichnete Esche, die bereits Goethe als jungen Setzling gesehen haben muss. Die Textildesignerin hält fest, was vergänglich ist. Die Schönheit des Augenblicks leuchtet in ihren Arbeiten auf und bewahrt so die Dornburger Pflanzenschätze.

Christian Hill