Tapetenkunst auf Schloss Altenstein

In kunstvollen Bahnen

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Im 19. Jahrhundert meldete der schottische Architekt und Designer William Scott Morton ein Patent mit seiner Firma an, er hatte ein Verfahren zur Herstellung von Goldlederimitat-Tapeten entwickelt. Die Tapeten der Firma Scott Morton & Tynecastle Tapestries schmückten nicht nur das Rathaus der Stadt Glasgow oder das Londoner Stadthaus des Dukes of Westminster (Grosvenor House), sie fanden auch ihren Weg nach Thüringen. Rund 100 Jahre lang zierten sie die Wände der Sommerresidenz der Herzöge von Sachsen-Meiningen auf dem Altenstein in Bad Liebenstein. Durch einen Schlossbrand 1982 verloren gegangen, werden die Tapeten im Zuge der Schlosssanierung im von Bund und Land geförderten Sonderinvestitionsprogramm I der STSG jetzt wiederhergestellt.

Filigrane florale Motive entfalteten einst ihre Wirkung an den Wänden von Schloss Altenstein. In langen Bahnen zogen sich Blüten- und Rankenornamente von den Holzvertäfelungen bis zu den Kassettendecken hinauf. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts zierten die Tapetenbahnen zwei der repräsentativsten Räume der Sommerresidenz – den Festsaal und das Treppenhaus.

Ab 1888 ließ Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen sein Sommerschloss auf dem Altenstein in Bad Liebenstein zum Neorenaissanceschloss umbauen. Während die Schlossarchitektur fortan von Londoner Herrenhäusern inspiriert war, wurden die Wände von schottischen Tapeten geziert. Bei der Sanierung des Schlosses wird im Rahmen eines besonderen Restaurierungsprojekts jetzt die historische Wandzierde wiederhergestellt.

Letzte Feinarbeiten an der wiederherhestellten Tapete nach historischem Befund auf Schloss Altenstein, Foto: STSG, Uta Kolano

In 15 Arbeitsschritten zur Tapetenbahn

Für das Wiederherstellungsprojekt bahnt sich rund 200 Kilometer entfernt vom Altenstein Feines an – in der Restauratorenwerkstatt in Meuselbach entstehen die Tapetenbahnen für den Festsaal und das Treppenhaus von Schloss Altenstein neu.

Alter Albumeinband mit erhaltenem Tapetenfragment aus dem Festsaal von Schloss Altenstein, Foto: STSG, Uta Kolano

Dass das möglich ist, ist einem Glücksumstand zu verdanken: Zwar wurden die Tapeten durch einen Schlossbrand 1982 zerstört, allerdings hat sich ein Stück der Festsaaltapete auf dem Einband eines alten Fotoalbums erhalten. Das aufschlussreiche Fragment der originalen Lincrusta-Tapete war hilfreiche Grundlage für das Wiederherstellungsprojekt und wurde von den Restauratoren dafür genau unter die Lupe genommen.

Auch der Herkunft der Tapeten gingen die Restauratoren nach. In Schottland produziert, finden sich in den alten Musterbüchern der Firma Scott Morton & Tynecastle Tapestries – die heute nicht mehr existiert – auch die Prägemuster vom Altenstein noch.

Prägemodel

Für die Wiederherstellung wurden zunächst in einer Holzwerkstatt von Hand Reliefplatten gefertigt. Lücken im Rapport konnten Dank der Musterbücher aus dem 19. Jahrhundert vervollständigt werden. Die Reliefs wurden dann auf eine Holzplatte aufgebracht und dienten als Holzmodell zum Abguss einer Positiv- und Negativplatte. Prägemodel wurden auf diese Weise geschaffen.

Prägeprozess

In der Restauratorenwerkstatt wurde dann der Prägeprozess erprobt. Anstelle von Walzen kommen heute dabei die Prägemodel zum Einsatz. Jede Leinwandbahn wird zunächst grundiert und über die gesamte Bahn eine dünne Schicht Schlagmetall – aus Messing als Ersatzgold – aufgebracht.

Geprägte Leinwand mit dünner Messingschicht in der Werkstatt von Restaurator Franz Rewoldt, Foto: STSG, Uta Kolano

In der Furnierpresse folgt dann in mehreren Stufen die Prägung. Dabei wird auch hier von Hand gearbeitet, mit jeder Menge Muskelkraft und einer Handkurbel. Rund dreimal wird pro Bahn das Prägemodel angesetzt und so das Muster hergestellt.

Prägeprozess mit der Funierpresse, Foto: STSG, Uta Kolano
Restaurator Franz Rewoldt und Restauratorin Beatrix Kästner begutachten die geprägte Leinwand auf dem Holzmodel in der Funierpresse, Foto: STSG, Uta Kolano

In einem weiteren Schritt wird der Hintergrund in Rot gefasst. Jede Bahn erhält zudem eine künstliche Patina und wird durch Schellack versiegelt.

Aufbringen der Hintergrundfarbe auf die geprägte Tapetenbahn, Foto: Franz Rewoldt

Anbringung

Angebracht werden die Tapetenbahnen, wie schon zu herzoglichen Zeiten, mit dünnen Nägeln. Auch hierbei ist wieder Detailarbeit gefragt, jede Kante und jeder Nagel wird noch einmal farbig überfasst.

Anbringung der ersten Tapetenbahnen im Festsaal von Schloss Altenstein, Foto STSG, Uta Kolano

Nicht nur Kunstvolles, auch die Liebe zum Detail war Herzog Georg II. bei der Ausstattung von Schloss Altenstein sehr wichtig – wie zahlreiche Briefe und Skizzen aus der herzoglichen Feder zeigen, stand er nicht nur in engem Kontakt zu seinen Baumeistern, er mischte auch gerne bei den Feinheiten mit. Dass seine kunstvollen Bahnen in seine – wie man sagt – liebste Sommerresidenz jetzt zurückgekehrt sind, hätte ihn bestimmt erfreut.

 Anke Pennekamp


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