In einem Regalfach im Büro von Kuratorin Iris Palzer stehen einige wertvolle Schätze, darunter ein Glas Gurken, ein 30 Jahre altes Glas Gurken. Es hat in den letzten Jahrzehnten ein bisschen Staub angesetzt, die Zeit hat am Deckel ein paar Macken und Schrammen hinterlassen, sonst ist es noch gut in Schuss. Normalerweise haut einen ein altes Glas Gurken ja nicht vom Hocker und auch das Finanzielle bestimmt nicht seinen Wert.

Das noch prall gefüllte Glas Gurken vom Anfang der 1990er Jahre ist bald Teil der neuen Dauerausstellung im Kloster Göllingen.
Foto: STSG, Franz NagelFür Palzer haben die Senfgurken vom Klostergut Göllingen aber besondere Bedeutung: „Im Sommer letzten Jahres haben wir einen Aufruf gestartet. Wir waren auf der Suche nach weiteren Exponaten für unsere neue Dauerausstellung im Kloster St. Wigbert in Göllingen. Als nördlichster Außenposten der Benediktinerabtei Hersfeld hatte das Kloster bereits im 11. Jahrhundert besondere Bedeutung. Es zählt zu den ältesten Klöstern Thüringens. Nach der Säkularisation wurde es erst zur Domäne und in den 1950er Jahren vollends zur Konservenfabrik umfunktioniert und umgebaut. Die neue Ausstellung soll die Klostergeschichte vom Mittelalter bis zur heutigen Zeit in den Blick nehmen.“ erklärt Palzer. Und alle Epochen sollen auch anhand von Exponaten erfahrbar sein.
„Vom mittelalterlichen Kloster erzählen vor allem der Klosterturm, die Gebäudereste und archäologischen Funde. Vom Aufruf haben wir uns erhofft, dass wir einige Exponate aus der Zeit der Konservenfabrik dazugewinnen können. Über die Resonanz haben wir uns sehr gefreut.“ Neben dem Gurkenglas stehen auch noch zwei Gläser eingemachte Bohnen im Regal. Auch sie wurden für die neue Ausstellung an die Kuratorin übergeben. In Göllingen wurden einst Marmelade hergestellt und Obst und Gemüse eingeweckt. Auf dem Deckel prangt noch das Logo der Klostergut GmbH. „Die Konservenfabrik Göllingen war rund 50 Jahre lang einer der Hauptarbeitgeber in der Region. Wirtschaftlich gesehen, florierte der Standort sowohl zu Kloster- als auch zu Konservenfabrikzeiten“, fasst Palzer zusammen.

Der markante Turm der ehemaligen Klosterkirche St. Wigbert prangte auf den Deckeln der Einmachgläser der Klostergut GmbH, die 1995 ihren Betrieb einstellte.
Foto: STSG, Franz NagelEinen farbenfrohen Einblick in die Geschichte geben auch zahlreiche Etiketten, die die Kuratorin nun ebenfalls hütet. „Viele Leute aus der Region haben uns ihre kleinen Schätze überlassen. Dazu zählen auch einige alte Etiketten der zur DDR-Zeit zeitweise als Volkseigener Betrieb geführten Konservenfabrik, die später in die Klostergut GmbH überging. Dass die Etiketten so lange aufbewahrt wurden und auch das ein oder andere leere Konservenglas noch da ist, zeigt Nachhaltigkeit, aber auch die Verbundenheit der Leute mit der Anlage. Dass das Kloster den Menschen, gerade im Ort, sehr am Herzen liegt, spürt man auch heute noch deutlich. Dank ehrenamtlicher Initiativen und tatkräftigem bürgerschaftlichem Engagement ist der Klosterturm heute überhaupt noch erhalten. Der Umbau zur Konservenfabrik hat aber einen großen Tribut von allen Klostergebäuden gefordert.“

Bildarchiv STSG

Von der ehemaligen Klosteranlage Göllingen sind heute nur der Klosterturm mit Krypta und die Ostapsis erhalten. Archäologische Grabungen offenbarten die einst imposanten Ausmaße des Langhauses der Kirche, die heute durch Gabionen angedeutet sind. Zur Fabrikzeiten kamen neue Gebäude hinzu – darunter ein Pförtnerhäuschen und Mehrzweck-, Produktions- und Rohwarenhallen.
In der alten Lagerhalle für die Edelkonserven entsteht jetzt die neue Dauerausstellung, deren Hauptexponat ist das Kloster selbst – mit seiner über 1000-jährigen Geschichte und all seinen Facetten und Brüchen. Im Außenbereich wird der Rundgang mit Infotafeln fortgesetzt. Auch ein neuer Multimediaguide mit zusätzlichen Vertiefungsebenen zur Ausstellung entsteht.
Etwas weiter oben im Regal liegt ein weiterer gut gehüteter Schatz. Palzer faltet den alten Habit vorsichtig auseinander: „Wir wollen in der neuen Ausstellung die Geschichte des Klosters möglichst lebendig erzählen. Die Mönchskutte soll das Alltagsleben im Kloster vermitteln. Sie wurde uns vom Kloster Münsterschwarzach geschenkt.“
„Ein echtes Unikat haben wir für die Ausstellung auch bekommen“, erzählt Palzer lächelnd. „Eine alte Verschlussmaschine, eine Eigenkonstruktion von einer Privatperson. Auch sie wird einen besonderen Platz bekommen und in Ehren gehalten.“

Nicht nur Gegenstände, sondern auch Erinnerungen spielen in der neuen Ausstellung eine Rolle. In Hör- und Medienstation kommen auch Zeitzeugen zu Wort, die teilweise einst selbst in der Konservenfabrik gearbeitet haben. Ebenso wie Mitglieder der Interessengemeinschaft Denkmalpflege, die im laufenden Betriebsgeschehen den Klosterturm im Blick behielten und denkmalpflegerisch einschritten.

Kuratorin Iris Palzer von der STSG und John Mitsching vom Atelier Papenfuss bei der Beratung in der neuen Ausstellungshalle Anfang des Jahres.
Foto: STSG, Anke PennekampDie Vorbereitungen für die neue Ausstellung laufen derzeit auf Hochtouren. An mehreren Baustellen wird dafür parallel gewerkelt – am Zugang zur Klosteranlage entsteht ein neues Besucherzentrum in einem Pavillonneubau, ein paar Meter weiter wird die zukünftige Ausstellungshalle in einem der ehemaligen Fabrikgebäude instandgesetzt und in Büros in Weimar und Rudolstadt feilen Ausstellungsgestalter und Kuratorin an Stelen, Tafeln und Medienstationen. Im August soll die neue Ausstellung eröffnen. Dann erscheint auch ein altes Glas Gurken in neuem Licht.
Anke Pennekamp

Der Bau des neuen Empfangspavillons im Kloster Göllingen schreitet rasant voran. Der Rohbau steht bereits, derzeit werden die Holzfassaden montiert. Der Bau entsteht mit nachhaltigen Materialien in Holzrahmenbauweise. Zukünftig stehen den Besucherinnen und Besuchern dort ein moderner Kassen- und Shopbereich und Sanitäranlagen zur Verfügung.
Foto: STSG, Iris Palzer