Ankersteine, die kultigen Bausteine aus Sand, Rügener Schlämmkreide und feinem Leinöl der gleichnamigen Manufaktur aus Rudolstadt, haben eine lange Tradition. Von den Fröbelschen Holzklötzen inspiriert, kreierten die Gebrüder Lilienthal sie 1875. Der Unternehmer Friedrich Adolf Richter ließ sich die Rezeptur schließlich patentieren und entwickelte daraus das erste Systemspielzeug der Welt. So neu wie das Spielzeug war, so erfolgreich war es international. Richter wurde bald Hoflieferant verschiedener Königshäuser und expandierte nach Wien, Amsterdam, St. Petersburg und New York. Bis heute folgt man in Rudolstadt der alten Rezeptur und stellt Ankersteine in liebevoller Handarbeit her.
Hirsauer Baukunst aus 101 Steinen -Die Klosterruine Paulinzella gibt es neuerdings als Baukasten. Die Entwicklung des Kastens in Kooperation mit der STSG dauerte fast ein Jahr. Die 101 Steine des Baukastens geben auf einer Fläche von 33 mal 16 Zentimetern mit einem Teil des südlichen Querhauses und der südlichen Säulenarkade des Langhauses eine charakteristische Ansicht der ehemaligen Klosterkirche wieder und lassen die Faszination für die Baukunst jener Zeit erwachen.
Foto: Ankerstein GmbHFoto: Pons Asini
Glaube, Forst und Monarchie – die Geschichte von Kloster Paulinzella
Begründerin des Klosters war die sächsische Adelige Paulina. Das religiöse Leben war ihr nicht vorherbestimmt. Erst nach dem Tod ihres zweiten Mannes widmete Paulina sich vollends dem Glauben. Die Witwe zog etwa 1102 mit einem kleinen Frauenkonvent in den Thüringer Wald und gründete dort wenig später das Doppelkloster Marienzelle. Der männliche Teil des Konvents wurde mit Benediktinermönchen aus dem Kloster Hirsau besetzt, wohin sich auch ihr Vater nach dem Tod seiner Frau, Paulinas Mutter, zurückgezogen hatte. Im weiblichen Teil des Stifts lebten unter anderen Adelige aus der Region. 1106 bekam Paulina die päpstliche Genehmigung zur Klostergründung. Noch zu ihren Lebzeiten wurde mit dem Bau der Klosterkirche begonnen. Die Fertigstellung erlebte sie nicht mehr, denn sie starb bereits 1107 nach einem Sturz vom Pferd. Ihre Leiche wurde nach Paulinzella überführt und dort in einer kleinen steinernen Kapelle bestattet, von der es keine Überreste mehr gibt. Einige Jahre später wurden ihre Gebeine in die neu errichtete Klosterkirche umgebettet. Ab diesem Zeitpunkt verdrängte der Name „Paulinzella“ den ursprünglichen Klosternamen Marienzelle.
Von Osten mit dem Chor beginnend, wurde die Kirche zwischen 1105 und 1160 aus dem umliegend vorhandenen Buntsandstein errichtet. Ganze Steinblöcke wurden zur Klosterkirche transportiert und erst vor Ort behauen. Architektonisch diente das Mutterkloster Hirsau als Vorbild, was an den Baudetails bis heut ablesbar ist. 1124 war es soweit, die Kirche konnte zu Ehren der Jungfrau Maria, Johannes des Täufers und Johannes des Evangelisten geweiht werden.
Foto: STSG, Constantin BeyerBewunderte Ruine
Nach der Reformation wurde das Kloster aufgehoben und gelangte in den Besitz der Grafen von Schwarzburg. Sie machten das Kloster zur Domäne, also zu einem Wirtschaftsbetrieb, richteten ein großes Amtshaus ein und bauten eines der alten Klostergebäude in ein Jagdschloss um. Die übrigen Klostergebäude, vor allem die Kirche, dienten lange Zeit als Steinbruch. Nicht nur im Jagdschloss vor Ort, sondern auch im Schloss Gehren, finden sich Steine der Klosterkirche wieder. Erst Fürst Johann Friedrich von Schwarzburg-Rudolstadt (1721 – 1767) stoppte 1756 den Raubbau am Baukunstwerk. Die Ruine wurde zum Gegenstand romantischer Verehrung des Mittelalters. „Sie ist wahrlich schön und die schönste christliche Ruine von Architektur, die mir je vorgekommen ist. (…) Es fehlt einem (…) wirklich etwas Wesentliches, wenn man sie nicht gesehen hat“, schrieb Wilhelm von Humboldt im September 1810, nachdem er Kloster Paulinzella besucht hatte.
Kloster Paulinzella feiert Jubiläum
Die Ruine als Anker-Baukasten für Zuhause ist längst nicht der einzige Beitrag zum Klosterjubiläum 2024. Die drei Partner planen ein abwechslungsreiches Jahresprogramm. Neben Führungen, Kinderangeboten, Aktionstagen, Festen und Märkten wird es Lesungen und Vorträge geben. Dabei bringen Forst, Museum und STSG jeweils ihre Kompetenzen ein. Der Thüringen Forst legt beispielsweise ein Augenmerk auf seine wunderbare Arbeit in der Waldpädagogik, auf den Wald um Paulinzella, auf seine Forstarbeit und aktuelle Herausforderungen bedingt durch Klimawandel, Wasserknappheit und Monokulturen. Hier schließt sich der Kreis zum mittelalterlichen Kloster, dessen Idee, Bauen und wirtschaftliches Handeln – ganz ohne den modernen Begriff zu benutzen – im besten Sinne nachhaltig waren. Daran knüpft übrigens auch der Anker-Bausteinkasten an, dessen Material auf natürlichen Grundstoffen basiert und Generationen überdauern kann.
Maria Porske