Im Wind flattern die bunten Bänder der Richtkrone über der Burg Weißensee. Es ist ein besonderer Tag Ende September 2024. Am Palasturm wird Richtfest gefeiert. Die Turmhaubenkonstruktion ist allerdings nicht neu, ganz im Gegenteil, sie ist rund 500 Jahre alt und wird seit einigen Monaten im Bestand saniert.
Auf der Burg Weißensee stand im September 2024 das Richtfest für die historische Turmhaube an – dabei durfte auch die Richtkrone nicht fehlen.
Foto: STSG, Anke PennekampMit Säge und Segen
An diesem Dienstag steht der Zimmermeister oben in der Haube zwischen jahrhundertealten Balken und Sparren, neben ihm ein gefülltes Glas. In 20 Metern Höhe unter dem Schutzdach spricht er nach altem Brauch ein Segenswort: „…schütz diesen Turm mit Gnaden / vor Feuer und vor Wasserschaden / vor Stürmen und vor Gewittern / nichts soll sein Gebälk erschüttern. / Die Zeit wird vergehen / doch Du wirst noch stehen / hoch oben im Wind, /wenn wir längst nicht mehr sind. So trink ich jetzt mein Gläschen aus / und bring dabei ein Prosit aus: Hoch! Hoch! Hoch!“. Der Meister leert sein Glas und zerschlägt es. Dann wird der symbolische letzte Holznagel in das Tragwerk eingeschlagen.
Bei der Turmhaubensanierung auf der Burg Weißensee wird auf Tradition gesetzt – die Zimmerleute arbeiten in den historischen Handwerkstechniken vom Zapfen bis zum Holznagel.
Foto: STSG, Thomas MüllerVor Sanierungsbeginn musste der Palasturm eingerüstet werden. Eine besondere Herausforderung in der verschachtelten Burganlage. Das Gerüst ist im Hof rund 20 Meter, an der Hangseite mehr als 30 Meter hoch, während der Sanierung wird die freiliegende historische Turmhaubenkonstruktion von einem weißen Schutzdach überspannt. In der exponierten Lage zaust daran der Wind, weshalb das Gerüst selbst schon ein Fall für den Statiker ist.
Foto: STSG, Thomas MüllerAuf der Zielgeraden
Die Turmhaubensanierung ist ein lang ersehntes Ziel. Über viele Jahre musste die Haube mit einer Noteindeckung aus Plane und Dachpappe ausharren. Zwar konnte die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten bis 2016 den Turmschaft aufwendig stabilisieren, jedoch fehlte damals das Geld für die Haubensanierung. Das Sonderinvestitionsprogramm I macht nun die Sanierung des historischen Dachstuhls und die Neueindeckung möglich.
Die Zimmermannsarbeiten gehen zügig voran. Im Sommer 2025 soll die Sanierung abgeschlossen werden und die Haube fortan wieder mit altem Schwung in die Ferne wirken. Aber nicht nur die Fernwirkung für die Burgsilhouette spielt bei der Sanierung eine Rolle. Durch die bald wieder dichte Deckung wird die historische Haubenkonstruktion vor der am Holz zehrenden Feuchtigkeit geschützt und auch das bereits sanierte Turmmauerwerk des Palas vor Schaden bewahrt. Bei den Zimmermannsarbeiten wird im Bestand unter Erhalt möglichst großer Teile der Substanz gearbeitet.
Die Haubensilhouette verdankt ihren besonderen Schwung einem speziellen handwerklichen Kniff, die Sparren sind nicht gebogen, sondern die Bohlen in wechselnden Winkeln aneinandergesetzt und kurvig gesägt.
Die kleine Schwester der Wartburg
Die Anfänge der Burg Weißensee reichen bis in die Romanik zurück. Im 12. Jahrhundert legte die Landgräfin Jutta den Grundstein für die mittelalterliche Burganlage. Errichten ließ die Bauherrin ihre wehrhafte Burg auf halber Strecke zwischen den Landgrafensitzen Wartburg und der Neuenburg bei Freyburg. Im Palas mit großem Saal wurde im Mittelalter gewohnt und gefeiert, ganz sicher auch den noch heute berühmten Minnesängern gelauscht.
Zur Burganlage gehört auch ein fünfgeschossiger Turm. Als Einheit geschaffen, stammt der Palas samt Turm noch aus der Erbauungszeit der Burg. In Notlagen war der Turm sicherer Rückzugsort. Im 16. Jahrhundert wurde die Burg zum Schloss und zum Verwaltungssitz ausgebaut, in dieser Zeit kam es auch an Palas und Turm zu baulichen Veränderungen. Wie dendrochronologische Untersuchungen durch die Bauforscher zeigten, stammt auch die Turmhaubenkonstruktion noch aus dem 16. Jahrhundert.
Anke Pennekamp