Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen

Oh du selige…

Kulturgeschichte
Es hat etwas von Downton Abbey. An Heiligabend wird die Dienerschaft zusammengerufen. Man singt gemeinsam und hernach verteilt die Fürstin Geschenke. Schließlich ziehen sich die Durchlauchten zum privaten Weihnachtsfest zurück. Alles ist prächtig geschmückt und sehr feierlich. Aber nicht zu allen Zeiten.

Weihnachten in Fürstenhäusern war nicht nur ein Fest für die Familie. Es ging auch um die vielen sozialen Verpflichtungen außerhalb der adeligen Verwandtschaft. Das zeigt das Weihnachtsfest im Hause Schwarzburg-Rudolstadt, wie es Anna Luise, die letzte Fürstin des Hauses, festgehalten hat. Sie hinterließ nicht nur einen Stapel an höchst niedlichen (Größe!) und interessanten Tagebüchern. Nein, sie war für ihre Zeit eine moderne Monarchin. Sie fotografierte und entwickelte die Bilder selbst, in einer eigens eingerichteten Dunkelkammer auf Schloss Heidecksburg.

Fürstin Anna Luise von Schwarzburg-Rudolstadt – und ab 1909 auch von Schwarzburg-Sondershausen – liebte das Weihnachtsfest. Am schönsten war es für sie, wenn sie das Fest gemeinsam mit ihrem Mann, Fürst Günther Victor, zu Hause verbrachte – also auf der Schwarz- oder der Heidecksburg. Sie schmückte die Weihnachtsbäume gern selbst und verpackte auch die Geschenke – ganz im Gegensatz zum Herzogshaus in Downton Abbey.

Die Christfeste liefen bei Anna Luise traditionell so ab: gemeinsam mit der Dienerschaft sang man zur Nachmittagszeit Weihnachtslieder, dann folgte die Bescherung. Anna Luise achtete darauf, niemanden zu bevorteilen. Deswegen erhielten alle Bediensteten die gleichen Geschenke, z.B. Stoffe. Danach wurde der Hofstaat mit Präsenten bedacht, die dem Stand angemessen höherwertig ausfielen, z.B. Silberbesteck. Am Abend fand das Festessen im engsten (Familien-)Kreis statt, wonach auch die Hoheiten ihre Geschenke öffneten.

1914 war ein besonderes Jahr. Pulverdampf statt Zimtgeruch lag in der Luft. Der Erste Weltkrieg hatte gerade begonnen. Der Gürtel des Weihnachtsmanns wurde enger geschnallt. Anna Luise schrieb in ihr Tagebuch: „Donnerstag: Weihnachten, Dezember 24. … war ich im Vorzimmer des Gelben Zimmer’s im 1. Stock, ordnete mit Elisabeth Rh die Bescheerung für die Dienerschaftskinder, denen ich in diesem Jahr anstelle der Dienerschaft bescheerte. Die Bescheerung fand um 4 Uhr statt, es kamen 30 Kinder dazu. Danach saß Günther zum Kaffee bei mir. Um 6 Uhr fuhren er u. ich zu den Bescheerungen in den beiden Hauptlazaretten. Nach den Feiern sprachen wir die Verwundeten, die Vorsteher u. d. Pflegerinnen u. fuhren dann nach Hause. Zum Essen waren wir im Säulensaal. Danach waren Günther u. ich in unseren Zimmern, packten einige Geschenke aus, die Mama uns geschickt hatte.  Dann spielten wir Sjoelback. Zum Thee saßen Günther, Thekla u. Elisabeth Rh. bei mir. Wir zündeten unseren kleinen Christbaum an u. sahen Bücher an, die Mama Günther u. mir geschenkt hatte. Wir anderen schenkten uns wegen des Krieges nichts. Um 11 Uhr trennten wir uns, ich schrieb noch. Schnee.“

Was lehrt uns diese kleine Weihnachtszeitreise? Dass Krieg nie Gutes gebracht hat und dass er das Leben aller – ob arm oder reich, Nord, Süd, Ost oder West – beeinträchtigt. Deswegen sollten wir die christliche Weihnachtsbotschaft nicht vergessen:  Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!

Uta Kolano


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