Historischer Aufzug im Schloss Sondershausen wird instandgesetzt

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Seiltrommel, Fahrkorb, Kabinenstandanzeiger und Maschinenraum im Zustand von 1915 – auf Schloss Sondershausen versteckt sich ein technisches Kleinod, das jetzt behutsam ertüchtigt und modernisiert wird.

Rund 100 Jahre lang tat der historische Fahrstuhl vom Anfang des 20. Jahrhunderts im Residenzschloss seinen Dienst und erschloss dabei vier Stockwerke. In einem Treppenanbau eingerichtet, sorgte er zwischen Erdgeschoss, Riesensaal und den Wohnräumen darüber für mehr Bequemlichkeit im Südflügel. 2012 musste der Aufzug aufgrund von Sanierungsbedarf stillgelegt werden. Jetzt soll er wieder flott gemacht werden.
 

Historischer Aufzug im Südflügel von Schloss Sondershausen, Foto: STSG, Manuel Mucha

Über 100 Dienstjahre

Eingebaut wurde der Aufzug wenige Jahre vor dem ersten Weltkrieg. Anlass gab wahrscheinlich ein Reitunfall von Fürst Karl Günther, der zu einer Querschnittslähmung des Fürsten führte. Nutzen konnte er ihn jedoch nie, noch vor Fertigstellung im Jahr 1909 verstarb der Fürst. Nach dem Tod Karl Günthers fiel das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen an die Nebenlinie Schwarzburg-Rudolstadt. Der neue Fürst Günther Viktor ließ zusammen mit seiner Frau Anna Luise einige Umbauten am Residenzschloss vornehmen. So entstand eine vorgesetzte Galerie, die Turm-, Ost- und Südflügel miteinander verband. Am Südflügel wurde der Aufzug in diesem Zuge an die Außenwand des alten Treppenhauses versetzt.

Bei der Wahl des Fahrstuhls ließ man sich nicht lumpen. Bei der Maschinenfabrik J. G. Schelter und Giesecke aus Leipzig-Plagwitz wurde ein moderner Trommelaufzug mit Furnierholztüren, Strukturglasfenstern und geschnitzten Ornamenten geordert. Ein durchaus teures Stück im Zeitgeschmack des Historismus. Die edlen Aufzüge des Herstellers erfreuten sich zur damaligen Zeit großer Beliebtheit und fanden sich auch in Großstädten wie Leipzig und Berlin in Bank-, Handels- und Rathäusern.

Historischer Lift im achteckigen Aufzugschacht im Südflügel von Schloss Sondershausen, Foto: STSG, Manuel Mucha

Verborgene Technik

Auch technisch gesehen ist die Aufzugskonstruktion ausgefeilt. Der sechseckige Fahrstuhlschacht steht frei im Raum. Die Kabine wird durch zwei Drahtseile getragen, an einem weiteren Seil ist ein Gegengewicht angebracht. Mittels einer motorisierten Winde werden die Seile in einem kleinen Maschinenraum im ersten Dachgeschoss auf einer Trommel auf- und abgespult. Ein runder Kabinenstandanzeiger zeigte auf jeder Etage im fensterlosen Fahrkorb das jeweilige Stockwerk an. Eher untypisch wurde der Maschinenraum nicht unter, sondern über dem Fahrstuhlschacht eingerichtet.

Maschinenraum über dem Aufzugschacht auf Schloss Sondershausen, Foto: STSG, Manuel Mucha

Instandsetzung

Bei der Instandsetzung des Lifts gilt es, Denkmalwert und Verkehrssicherheit in Einklang zu bringen. „Ein funktionstüchtiger Aufzug, der den modernen Anforderungen an Verkehrssicherheit und DIN-Normen entspricht, aber auch sein historisches Erscheinungsbild wahrt und möglichst viel der historischen Technik im Hintergrund erhält, das ist das ambitionierte Ziel. Eine Herausforderung auf die wir uns freuen“, erklärt Architekt Thomas Höfer von der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. Er hält die Fäden im Planungsteam zusammen. Denn das Vorhaben betrifft sowohl Fragen von Statik sowie Sicherheit und Brandschutz und fordert zudem spezielle technische Kenntnisse einer über 100 Jahre alten Maschinerie. Und natürlich sind auch die Experten für die Oberflächen von Holz bis zum Stuck mit an Bord – die Restauratoren. Ein Planungsteam wurde deshalb zusammengestellt, in dem die Fachleute unterschiedlicher Disziplinen für die Instandsetzungsplanung  Hand in Hand arbeiten.

Sowohl der Schacht als auch die Maschinerie werden saniert und dabei auch Steuerung und Antrieb überholt. Bei der Sanierung kommt auch ein Schachtgerüst zum Einsatz. Die Restauratoren werden sich der hölzernen Fahrstuhlkabine, der Türen und der historischen Bedien- und Zierelemente annehmen.

Um den Fahrstuhl in Gang zu setzen, gab es einen besonderen Kniff, wie Manuel Mucha, Schlossverwalter und Herr der Schlüssel von Schloss Sondershausen, erklärt: „Nur mit dem passenden Schlüssel konnte der Fahrstuhl über ein Ruftableau herbeigeholt und über Schlösser im Inneren die Kabinentür für den Ausstieg wieder geöffnet werden. Die Prozedur unterstreicht den zeremoniellen Charakter der damaligen Zeit. Aufzugfahren war kein hektischer Alltag, sondern ein luxuriöses Ereignis – man drehte den Schlüssel, wartete und öffnete manuell die Tür, die Handlungsabläufe sind wichtiger Teil des Kulturguts.“ Auch Mucha liegt das Projekt besonders am Herzen, „Wir haben hier eine echte Rarität. Der Aufzug ist einer der ältesten, weitestgehend im Originalzustand erhaltenen und prinzipiell betriebsfähigen Personenaufzüge in Thüringen. Er ist ein stiller, würdevoller Zeitzeuge, der noch immer den Hauch der Geschichte atmet – vom Knarren des Holzes bis zum Geruch vom alten Maschinenöl.“

Nach der Instandsetzung soll der Fahrstuhl zu besonderen Veranstaltungen wieder in Dienst treten und wer weiß, vielleicht findet sich ja auch noch ein begeisterter ehrenamtlicher Portier mit historischer Fahrstuhlleidenschaft. Das Instandsetzungsprojekt hat auf jeden Fall schon Fahrt aufgenommen.

Anke Pennekamp


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