Kloster Paulinzella als Jubliläums-Baukasten

Romanik en miniature

KulturgeschichteVermittlung
Die ehemalige Klosterkirche Paulinzella zählt zu den bedeutendsten romanischen Sakralbauten Mitteldeutschlands. 2024 feiert sie Jubiläum. Ganze 900 Jahre alt wird der Bau, der seit dem 18. Jahrhundert als Ruine gepflegt und bewundert wird. Die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG) und ihre Partner in der früheren Klosteranlage, das Thüringer Landesmuseum Heidecksburg und Thüringen Forst, stellen dazu ein umfangreiches Programm auf die Beine. Dazu gesellt hat sich die Ankerstein GmbH Rudolstadt, sie hat die Ruine als Baukasten nachempfunden.

Ankersteine, die kultigen Bausteine aus Sand, Rügener Schlämmkreide und feinem Leinöl der gleichnamigen Manufaktur aus Rudolstadt, haben eine lange Tradition. Von den Fröbelschen Holzklötzen inspiriert, kreierten die Gebrüder Lilienthal sie 1875. Der Unternehmer Friedrich Adolf Richter ließ sich die Rezeptur schließlich patentieren und entwickelte daraus das erste Systemspielzeug der Welt. So neu wie das Spielzeug war, so erfolgreich war es international. Richter wurde bald Hoflieferant verschiedener Königshäuser und expandierte nach Wien, Amsterdam, St. Petersburg und New York. Bis heute folgt man in Rudolstadt der alten Rezeptur und stellt Ankersteine in liebevoller Handarbeit her.

Messbild des Langhauses – Grundlage für die Entstehung des Baukastens
Foto: Pons Asini

Glaube, Forst und Monarchie – die Geschichte von Kloster Paulinzella

Begründerin des Klosters war die sächsische Adelige Paulina. Das religiöse Leben war ihr nicht vorherbestimmt. Erst nach dem Tod ihres zweiten Mannes widmete Paulina sich vollends dem Glauben. Die Witwe zog etwa 1102 mit einem kleinen Frauenkonvent in den Thüringer Wald und gründete dort wenig später das Doppelkloster Marienzelle. Der männliche Teil des Konvents wurde mit Benediktinermönchen aus dem Kloster Hirsau besetzt, wohin sich auch ihr Vater nach dem Tod seiner Frau, Paulinas Mutter, zurückgezogen hatte. Im weiblichen Teil des Stifts lebten unter anderen Adelige aus der Region. 1106 bekam Paulina die päpstliche Genehmigung zur Klostergründung. Noch zu ihren Lebzeiten wurde mit dem Bau der Klosterkirche begonnen. Die Fertigstellung erlebte sie nicht mehr, denn sie starb bereits 1107 nach einem Sturz vom Pferd. Ihre Leiche wurde nach Paulinzella überführt und dort in einer kleinen steinernen Kapelle bestattet, von der es keine Überreste mehr gibt. Einige Jahre später wurden ihre Gebeine in die neu errichtete Klosterkirche umgebettet. Ab diesem Zeitpunkt verdrängte der Name „Paulinzella“ den ursprünglichen Klosternamen Marienzelle.

Bewunderte Ruine

Nach der Reformation wurde das Kloster aufgehoben und gelangte in den Besitz der Grafen von Schwarzburg. Sie machten das Kloster zur Domäne, also zu einem Wirtschaftsbetrieb, richteten ein großes Amtshaus ein und bauten eines der alten Klostergebäude in ein Jagdschloss um. Die übrigen Klostergebäude, vor allem die Kirche, dienten lange Zeit als Steinbruch. Nicht nur im Jagdschloss vor Ort, sondern auch im Schloss Gehren, finden sich Steine der Klosterkirche wieder. Erst Fürst Johann Friedrich von Schwarzburg-Rudolstadt (1721 – 1767) stoppte 1756 den Raubbau am Baukunstwerk. Die Ruine wurde zum Gegenstand romantischer Verehrung des Mittelalters. „Sie ist wahrlich schön und die schönste christliche Ruine von Architektur, die mir je vorgekommen ist. (…) Es fehlt einem (…) wirklich etwas Wesentliches, wenn man sie nicht gesehen hat“, schrieb Wilhelm von Humboldt im September 1810, nachdem er Kloster Paulinzella besucht hatte.

Georg Michael Kraus: Paulinzella, um 1800

Kloster Paulinzella feiert Jubiläum

Die Ruine als Anker-Baukasten für Zuhause ist längst nicht der einzige Beitrag zum Klosterjubiläum 2024. Die drei Partner planen ein abwechslungsreiches Jahresprogramm. Neben Führungen, Kinderangeboten, Aktionstagen, Festen und Märkten wird es Lesungen und Vorträge geben. Dabei bringen Forst, Museum und STSG jeweils ihre Kompetenzen ein. Der Thüringen Forst legt beispielsweise ein Augenmerk auf seine wunderbare Arbeit in der Waldpädagogik, auf den Wald um Paulinzella, auf seine Forstarbeit und aktuelle Herausforderungen bedingt durch Klimawandel, Wasserknappheit und Monokulturen. Hier schließt sich der Kreis zum mittelalterlichen Kloster, dessen Idee, Bauen und wirtschaftliches Handeln – ganz ohne den modernen Begriff zu benutzen – im besten Sinne nachhaltig waren. Daran knüpft übrigens auch der Anker-Bausteinkasten an, dessen Material auf natürlichen Grundstoffen basiert und Generationen überdauern kann.

Maria Porske

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