In der Sonderausstellung „ZEITKAPSELN. Textile Herbarien aus den Dornburger Schlossgärten“ bekommt die Natur einen Platz im Museum. Vom 7. September bis 31. Oktober 2024 erzählen textile Kunstwerke Gartengeschichte(n). Selbst erklärt Sylvia Döhler ihre Inspiration wie folgt: „Mich reizt die Herausforderung, Textil und Natur so zu verbinden, dass die Natur durch ihre eigene Gestaltungskraft das textile Material gestaltet. Indem die Materialien in den Stoffen dauerhaft festgehalten sind, werden die Urformen und Farben der Natur auf den Textilien zum zeitlosen Ornament.“
In der Mansarde des Dornburger Rokokoschlosses ist die Sonderausstellung zu sehen. Das Rokokoschloss gehört zu den drei Dornburger Schlössern, die durch Schlossgärten unterschiedlicher Stile miteinander verbunden sind. Aus der Luft sind auch die verschiedenen Gartenparterres in Hanglage gut zu erkennen.
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus GlahnTextildesign trifft Handwerkskunst
Vielleicht ist es die vertraute Landschaft der Kindheit, vielleicht die Magie des Ortes: Dornburg übt auf Döhler eine besondere Anziehungskraft aus. Für diese Sonderausstellung hat sie in den Dornburger Schlossgärten Pflanzenmaterial gesammelt, getrocknet, gepresst, sortiert, bewertet, verarbeitet und vor der Vergänglichkeit bewahrt. Alles mit einem Gespür aus Wissen, Erfahrungswerten und Kreativität im langen Entstehungsprozess ihrer textilen Kunstwerke. Der historische Ort hatte unmittelbar Einfluss auf ihre Arbeiten. Der magische Nebel im Saaletal, die morgendliche Frische eines Gartentages oder das atmosphärische Licht im Sommer sind Impressionen, die bereits Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) in Dornburg genoss.
Foto: STSG, Christian Hill
Im Jahr 1864 veröffentlichte der Dornburger Hofgärtner Carl August Christian Sckell (1801-1874) seine Erinnerung an den Goethe-Aufenthalt von 1828 in der Schrift „Goethe in Dornburg. Gesehenes, Erlebtes und Gehörtes“. Als 1922 das Renaissanceschloss (auch Goetheschloss genannt) und das Rokokoschloss museal geöffnet werden, druckt und kommentiert Dr. Hans Wahl (1885-1949) – Direktor des Goethe-Nationalmuseums – die Erinnerungen neu. Das gepresste und getrocknete Blatt einer Elfenblume in diesem Exemplar des Büchleins trägt die handschriftliche Zugabe: „Epimedium von Goethe aus Italien mitgebracht. Am 28. V. 26. im Schlosspark zu Dornburg gebrochen.“ Im Frühling tanzen die grazilen Blüten der Elfenblume im Wind über dem Blätterdach, daher der Name Elfenblume. Neben der zierlichen Erscheinung zeigt sich die ausdauernde Staude auch von einer robusten und pflegeleichten Seite.
Foto: STSG, Christian HillGoethe trifft Dornburg
Nach dem Tod seines Freundes und Förderers Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach im Sommer 1828 verbringt der greise Goethe mehrere Wochen der Trauer auf den Dornburger Schlössern. Es sind auch die „wohlunterhaltenen Gärten“, nächtliche Himmelsbeobachtungen, die täglichen Spaziergänge entlang der Terrassen oder Naturstudien, die sein Gemüt wandeln. Der Genius Loci wirkt. Er schreibt: „Ich bin noch auf dem alten Dornburg, vorzüglich mit botanischen Betrachtungen beschäftigt.“
Bei Goethe sind Natur- und Landschaftsbetrachtungen zeitlebens Inspiration für forschendes Streben. Die „Blüthenburg“ an der Saale bietet dazu beste Bedingungen. So befasst er sich hier auch damit, seine „Metamorphose der Pflanzen“ für eine französische Übersetzung voranzutreiben. Zeugnis seiner lebenslangen botanischen Studien ist ein Herbarium von circa 2.000 Blatt, angelegt ab 1770.
Das Kunstobjekt „Werden und Vergehen“ – Ätzungen auf 15 Kupferplatten – zeigt verschiedene Generationsstufen einer Traueresche im Jahreslauf. Blüten, Fruchtstände, Knospen, frische und alte Blätter: ein ewiges „Werden und Vergehen“ im Kreislauf der Jahreszeiten und eine Analogie des Lebens selbst.
Ein Trauereschengang an der Nordseite des Rokokoschlosses ist bereits um 1820 angelegt worden. Der älteste Baum steht direkt am Schloss: er ist rund 200 Jahre alt, komplett hohl, hat aber eine etwa fünf Zentimeter aktive Rinde, die den Baum am Leben hält. Der alte Goethe hat ihn bereits als jungen Baum gesehen. Allerdings kämpft auch er mit dem Eschentriebsterben.
Der Landschaftsgarten am Renaissanceschloss versammelt verschiedene Baumraritäten wie die Blasenesche, den Schnurbaum oder den Ginkgo. Vom Letztgenannten stammen die herbstlichen Blätter, die mit ihrer goldenen Färbung in den Tischlampen nun erneut aufleuchten und der Vergänglichkeit entrissen sind.
Foto: STSG, Christian HillVergänglichkeit trifft Schönheit
Die Arbeitsintension für die textilen Herbarien von Döhler sind das Sichtbarmachen und die Wahrnehmung der Natur. Zu den ausgestellten Arbeiten zählen Leuchten, Wandteppiche – die auch als Reminiszenz an textile Wandbespannungen in Schlössern gesehen werden können – aber auch Ätzungen auf 15 Kupferplatten, die Kreisläufe der Natur und des Lebens versinnbildlichen. So überdauert in ihrer Kunst als Momentaufnahme eine knorrige, mehrfach gestutzte und vom Alter gezeichnete Esche, die bereits Goethe als jungen Setzling gesehen haben muss. Die Textildesignerin hält fest, was vergänglich ist. Die Schönheit des Augenblicks leuchtet in ihren Arbeiten auf und bewahrt so die Dornburger Pflanzenschätze.
Christian Hill
Die Wandteppiche mit Ginkgo- und Kastanienblättern aus dem Landschaftsgarten am Renaissanceschloss entfalten in der Fläche und mit ihrem dreidimensionalen Eindruck einen besonderen Reiz. Auch die Tulpen aus den Schmuckbeeten am Rokokoschloss von 2023 sind in der künstlerischen Verarbeitung dauerhaft konserviert sind. Die verarbeiteten Ziergräser in den beiden Standleuchten stammen aus dem Staudenbeet zwischen Rokokoschloss und Altem Schloss.
Foto: STSG. Christian Hill