Graf von Gotter und sein Schloss Molsdorf

Ein Parvenue aus Gotha

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Gustav Adolf Graf von Gotter gilt als Lebemann und Parvenue. Ihm haben wir Schloss Molsdorf bei Erfurt zu verdanken. Ein Blick auf Gotter und sein Barockschloss.

Wer bei Gotter zu Tisch gebeten wurde, aß unter den Augen von Königen und Prinzen von Preußen, von Prinz Eugen von Savoyen, von Herzögen von Württemberg und Sachsen-Gotha, von Grafen und Fürsten. Ihre Porträts sind dicht an dicht in die Wandvertäfelung des Speisesaals von Schloss Molsdorf eingelassen. Es ist aber kein plumpes Namedropping, mit dem der Hausherr seine Gäste beeindrucken wollte, hinter jedem Bild steckt eine persönliche Beziehung.

Der 1692 geborene Gustav Adolf Graf von Gotter stammte aus bürgerlichem Haus in Gotha. Das Adelsprädikat des Reichsgrafen gehörte zu den letzten Stufen auf der Karriereleiter, die der Jurist nach seinem Studium zügig erklomm. Zunächst trat Gotter in den Dienst des Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg, dessen Interessen er in verschiedenen Funktionen am kaiserlichen Hof des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation in Wien vertrat.

Mit der Erhebung in den Reichsfreiherrenstand eröffnete sich ihm schnell eine andere Liga. Gotter zeigte sich hilfreich für Preußen und wurde bald auch von dort bestallt. Geheimer Staatsrat, Minister, Generaldirektor der preußischen Oper und schließlich Generalpostmeister sind nur einige der Ämter, die er in Preußen im Lauf der Jahre zum Teil parallel bekleidete. Mit der Aufnahme in den Reichsgrafenstand 1740 war der Aufstieg perfekt.
 

Schloss Molsdorf bei Erfurt, Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Dass nicht immer alles so reibungslos verlief, wie es die Ämterkarriere glauben machen könnte, zeigt Gotters Versuch, dem sozialen Erfolg entsprechend sesshaft zu werden. Anders als geborene Adelige verfügte Gotter nicht über einen dynastischen Stammsitz, der würdiges Alter und standesgemäße Pracht ausstrahlte. Zwar zahlten der preußische König Friedrich II. und die herzoglichen Auftraggeber gut, die Möglichkeit zum Erwerb eines Schlosses eröffneten aber erst zwei Lottogewinne.

1734 kaufte Gotter Schloss Molsdorf südlich von Erfurt aus dem Eigentum des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg. Schnell begann er mit dem Um- und Ausbau der früheren und schon durch einige gestaltende Hände gegangenen Wasserburg. Es sollte ein barockes Landschloss entstehen, dazu ein großer Garten nach französischem Muster. Jedoch war Gotter immer wieder knapp bei Kasse, nebenher forderte auch der aufwendige Lebenswandel seinen Tribut.

Neuer Schwung kam nach der Verleihung des Reichsgrafentitels in das Projekt. Die Notwendigkeit der Repräsentation wurde damit dringlicher. Als Garant dafür bot sich ein Baumeister an, der an den Höfen der Umgebung als Virtuose der aktuellen Bau- und Ausstattungskunst herumgereicht wurde – der Rokoko-Regionalmatador Gottfried Heinrich Krohne. Er tilgte den bis dahin erhaltenen Turm, der noch an die frühere Wasserburg erinnerte, und schuf eine Gartenfassade, die schmuck- und anspielungsreich auf die Antike und den Stand des Hausherrn bezugnahm. Im Mittelpunkt stehen die Göttin Flora und der Adler als gräfliches Statussymbol im Reichsgefüge.

Marmorsaal im Schloss Molsdorf, Foto: STSG, Constantin Beyer

 
Im Inneren des Schlosses entstand eine Raumfolge, die bewusst an die Ausstattung fürstlicher Schlösser anknüpfte. Der Marmorsaal beispielsweise entspricht in seiner Funktion dem Hauptsaal eines Schlosses. Dort präsentierte sich Gotter inmitten des teuren Stuckmarmors, vielleicht mit einem Augenzwinkern, im Porträt als lebensfroher Jäger, dem Lord Waldegrave gegenübersteht, der ihn zum Lottospiel animiert und vielleicht auch zu der auffälligen Glückssträhne von zwei Gewinnen verholfen hatte.

Supraportengemälde mit den Schlössern Molsdorf, Schwarzburg und Stedten deuten assoziativ auf die bei Dynastien übliche terrioriale Anspruchsdarstellung hin und schaffen so den fiktionalen Anklang an eine Residenz. An den Saal schließen sich Kabinette und ein Salon an – und der von zahllosen Porträts gezierte Bankettsaal. Immer wieder taucht das Motiv des Adlers auf, mit dem Gotter auf etwas verwies, auf das er besonders stolz sein konnte. 1731 hatte Friedrich der Große ihm den Schwarzen Adlerorden verliehen, den höchsten Orden des preußischen Königshauses.

Bankettsaal im Schloss Molsdorf, Foto: Bildarchiv Foto Marburg, Uwe Gaasch

Ähnlich wirksam wie der Adler ist allerdings Gotters Motto zu finden: „Vive la Joie“ – Es lebe die Freude. Dass damit – anders als oft vermutet – nicht die Aufforderung zum zügellosen Leben gemeint ist, zeigen viele andere bildliche und verbale Zitate im Schloss, an seinen Fassaden und im Garten. Wer diesen unzähligen intellektuellen Anspielungen folgt, findet sich in der antiken Gedankenwelt des Philosophen Epikur und des Dichters Horaz wieder. Ihnen kam es auf maßvolle Sorgenfreiheit statt auf die Maximierung von Genuss an. Ob Gotter darin einen Spiegel seines Lebens oder eine Mahnung an sich selbst sah? Zu beiden Annahmen gibt das schillernde Leben des Bürgersohns Anlass, der sich auf dem ständischen Parkett des Reichs behauptete. Sicher ist jedoch, dass er 14 Jahre vor seinem Tod das Schloss aus Liquiditätsgründen wieder verkaufen musste.

Franz Nagel

Lesetipp: Schloss und Garten Molsdorf. Graf Gotters Residenz der Aufklärung, Große Kunstführer der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, Band 4, Regensburg 2012.


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