Antik gewandete Kunst im Schloss Wilhelmsthal

„Den die nackenden paßen selten gut in einen Saal“

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Der Kopf ist leicht gesenkt, das lange Gewand fällt in sanften Falten bis zu den Füßen hinab. Das Haar ist am Hinterkopf zu einem Knoten geschlungen. Die unter dem Gewand verborgenen Hände sind erwartungsvoll vor die Brust gehoben. In ihnen ruht eine Vase. In weißem Gips steht die junge Frau auf einem kleinen Sockel – sie stellt eine Vestalin aus dem antiken Rom da und hat jetzt dank einer großzügigen Spende an ihren alten Platz in den Telemannsaal von Schloss Wilhelmsthal zurückgefunden.

Um 1800 wurde der große Festsaal der Sommerresidenz der Herzöge von Sachsen-Weimar-Eisenach umgestaltet. Der später nach dem Komponisten Georg Philipp Telemann benannte Saal war bereits rund 80 Jahre zuvor entstanden, in einem eigens errichteten Saalbau direkt am großen Parksee am westlichen Ende des Schlossensembles.

Schloss und Park Wilhelmsthal bei Eisenach,
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Festsaal im neuen Gewand

Bei der Umgestaltung wurden Wände, Säulen und Nischen des Festsaals auf ovalem Grundriss mit Stucco lustro in weiß, „giallo antico“ (gelb) und „porphyr“ (rot) ausgestattet. Die Stuckdecke mit Rosette aus dem 18. Jahrhundert blieb erhalten. Die Baufortschritte in der Sommerresidenz wurden am Weimarer Hof natürlich im Auge behalten, Herzog Carl August reiste mehrmals nach Wilhelmsthal, um sich selbst ein Bild zu machen und traf als Bauherr selbst Entscheidungen zur Ausstattung. So entschied er unter anderem, dass anstelle eines „Orchesters“ für Musiker in die östliche Wand ein Kamin in eine Nische eingefügt werden sollte. Bei der neuen Gliederung des Saals kam es dem Herzog vor allem auf die Symmetrie an.
 

Bei der Ausstattung wurde der Bildhauer Friedrich Eugen Döll einbezogen. Döll leitete damals die herzogliche Zeichenakademie in Gotha. Er orderte beispielsweise einen Kamin aus Crottendorfer Marmor zur Ausstattung des Festsaals. Für die Nische über dem Kamin bot der Künstler ein besonderes Stück an, eine Antikenkopie, die eine Vestalin zeigt. Das Gefäß in ihren Händen könne mit Blumen oder Früchten bestückt werden und ihre Bekleidung sei vorteilhaft, „den die nackenden paßen selten gut in einen Saal“, führte Döll in einem Schreiben aus.

Von Rom in den Thüringer Wald

Vestalinnen waren junge Priesterinnen, die in der Antike das Feuer in den Tempeln der Göttin Vesta – der Beschützerin der Familie und des Herdfeuers – bewachten. Sie waren der Keuschheit verpflichtet und avancierten im 18. Jahrhundert zum beliebten Motiv. 1769 schuf der französische Bildhauer Jean-Antoine Houdon eine Kopie einer antiken Vestalinnenstatue aus den Kapitolinischen Museen für Herzog Ernst II. von Sachen-Gotha-Altenburg. Diese diente Döll als Vorlage, der mehrere Exemplare schuf. Für 17 Reichstaler wurde eine der Statuen um 1800 für den Festsaal von Schloss Wilhelmsthal angekauft.

Kaminnische mit Vestalin im Telemannsaal Ende April 2025,
Foto: STSG, Gydha Metzner

Vestalin für den Telemannsaal

Der Verbleib der Wilhelmsthaler Vestalin ist heute unbekannt. Eine großzügige Spende des Förderkreis Schlossanlage Wilhelmsthal e.V. ermöglichte jetzt die Rückkehr eines Gipsabgusses in den frisch sanierten Telemannsaal. Der Abguss wurde in einer Kunstformerei nahe Dresden gefertigt, die unter anderem auf besondere Abformtechniken spezialisiert ist.

Ende April machte sich die Vestalin aus der Werkstatt von Hans Effenberg auf den Weg in die Sommerresidenz Wilhelmsthal nahe Eisenach, Foto: STSG, Gydha Metzner

Wenn auch zeitweise dann doch noch ein „nackender“ mit Apoll in die Kaminnische im Telemannsaal Einzug hielt, hat jetzt wieder die gewandete Wächterin den zuletzt leeren Platz über der Feuerstelle in der Sommerresidenz zurückgewonnen. Ihrer Aufgabe als Kulturwächterin konnte die Vestalin gleich am ersten Tag nach dem Einzug nachkommen, als die ersten Wilhelmsthaler Schlossfestspiele unter ihrem wachen Blick begannen.

Anke Pennekamp

Mehr zum Förderkreis Schlossanlage Wilhelmsthal e.V. gibt es hier.


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