Um 1800 wurde der große Festsaal der Sommerresidenz der Herzöge von Sachsen-Weimar-Eisenach umgestaltet. Der später nach dem Komponisten Georg Philipp Telemann benannte Saal war bereits rund 80 Jahre zuvor entstanden, in einem eigens errichteten Saalbau direkt am großen Parksee am westlichen Ende des Schlossensembles.

Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus Glahn

Vom Klassizismus geprägt wurde das Neue Schloss am westlichen Ende um 1800 zum Herzstück der mehrteiligen Schlossanlage Wilhelmsthal. Der bereits 1717 errichtet Saalbau mit dem großen Festsaal wurde damals aufgestockt und mit einem neu errichteten Pavillonbau, der die neuen herzoglichen Wohnräume aufnahm, durch eine Kolonnade verbunden. Der Telemannsaal gilt als ältester freistehender Konzertsaal Europas. In ihm wurden einige Werke Georg Philipp Telemanns Uraufgeführt.
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus GlahnFestsaal im neuen Gewand
Bei der Umgestaltung wurden Wände, Säulen und Nischen des Festsaals auf ovalem Grundriss mit Stucco lustro in weiß, „giallo antico“ (gelb) und „porphyr“ (rot) ausgestattet. Die Stuckdecke mit Rosette aus dem 18. Jahrhundert blieb erhalten. Die Baufortschritte in der Sommerresidenz wurden am Weimarer Hof natürlich im Auge behalten, Herzog Carl August reiste mehrmals nach Wilhelmsthal, um sich selbst ein Bild zu machen und traf als Bauherr selbst Entscheidungen zur Ausstattung. So entschied er unter anderem, dass anstelle eines „Orchesters“ für Musiker in die östliche Wand ein Kamin in eine Nische eingefügt werden sollte. Bei der neuen Gliederung des Saals kam es dem Herzog vor allem auf die Symmetrie an.

Die Stuckarbeiten im Festsaal wurden vom italienischen Stuckateur Bernasconi ausgeführt, der extra von Herzog Carl August von Weimar nach Wilhelmsthal entsandt wurde.
Foto: Schatzkammer Thüringen, Marcus GlahnBei der Ausstattung wurde der Bildhauer Friedrich Eugen Döll einbezogen. Döll leitete damals die herzogliche Zeichenakademie in Gotha. Er orderte beispielsweise einen Kamin aus Crottendorfer Marmor zur Ausstattung des Festsaals. Für die Nische über dem Kamin bot der Künstler ein besonderes Stück an, eine Antikenkopie, die eine Vestalin zeigt. Das Gefäß in ihren Händen könne mit Blumen oder Früchten bestückt werden und ihre Bekleidung sei vorteilhaft, „den die nackenden paßen selten gut in einen Saal“, führte Döll in einem Schreiben aus.
Von Rom in den Thüringer Wald
Vestalinnen waren junge Priesterinnen, die in der Antike das Feuer in den Tempeln der Göttin Vesta – der Beschützerin der Familie und des Herdfeuers – bewachten. Sie waren der Keuschheit verpflichtet und avancierten im 18. Jahrhundert zum beliebten Motiv. 1769 schuf der französische Bildhauer Jean-Antoine Houdon eine Kopie einer antiken Vestalinnenstatue aus den Kapitolinischen Museen für Herzog Ernst II. von Sachen-Gotha-Altenburg. Diese diente Döll als Vorlage, der mehrere Exemplare schuf. Für 17 Reichstaler wurde eine der Statuen um 1800 für den Festsaal von Schloss Wilhelmsthal angekauft.

Foto: STSG, Gydha Metzner

Bis heute sind einige der Vestalinnen Dölls in verschiedenen Sammlungen erhalten, zum Beispiel auf Schloss Heidecksburg und auf Schloss Friedenstein. Im Gartenreich Dessau-Wörlitz wacht sie im „Kabinett der Nacht“ mit einer illuminierten Vase in den Händen unter dem künstlichen Vulkan im Park. Hier steht die rund eineinhalb Meter große Vestalin in einem abdunkelbaren Felsenraum, in den durch sternenförmige Öffnungen in der Decke – gleich einem Sternenhimmel – das Licht auf ihr Antlitz herabfällt.
Foto: STSG, Gydha MetznerVestalin für den Telemannsaal
Der Verbleib der Wilhelmsthaler Vestalin ist heute unbekannt. Eine großzügige Spende des Förderkreis Schlossanlage Wilhelmsthal e.V. ermöglichte jetzt die Rückkehr eines Gipsabgusses in den frisch sanierten Telemannsaal. Der Abguss wurde in einer Kunstformerei nahe Dresden gefertigt, die unter anderem auf besondere Abformtechniken spezialisiert ist.


Wie die Vestalinnen die Flamme hüteten, so wacht auch der Förderkreis Schlossanlage Wilhelmsthal e.V. seit Jahrzehnten über die Sommerresidenz und setzt sich mit Feuer und Flamme für den Erhalt der Schlossanlage und des umliegenden Landschaftsparks ein. Der Verein unterstützt die Arbeit der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, zu deren Liegenschaften das Ensemble seit 2009 gehört, mit zahlreichen Spenden und bietet beispielsweise einmal im Monat im Sommer Führungen durch den Park an.
Foto: Mitglieder des Förderkreises Schlossanlage Wilhelmsthal e.V. mit STSG-Restauratorin Gydha Metzner mit der jüngst aufgestellten VestalinWenn auch zeitweise dann doch noch ein „nackender“ mit Apoll in die Kaminnische im Telemannsaal Einzug hielt, hat jetzt wieder die gewandete Wächterin den zuletzt leeren Platz über der Feuerstelle in der Sommerresidenz zurückgewonnen. Ihrer Aufgabe als Kulturwächterin konnte die Vestalin gleich am ersten Tag nach dem Einzug nachkommen, als die ersten Wilhelmsthaler Schlossfestspiele unter ihrem wachen Blick begannen.
Anke Pennekamp
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