Steigt man tiefer in die Schlossgeschichte ein, schaut in die Räume, in alte Inventare und Beschreibungen oder in die heutigen Depots, dann spiegelt sich über alle Jahrhunderte hinweg der Wunsch der jeweiligen Schlossbewohner, sich die Schönheiten der Natur auf die eine oder andere Weise ins Schloss zu holen. Dabei ändern sich natürlich ganz nach Zeitgeschmack und persönlichen Vorlieben die Formen, verfeinern und vervielfältigen sich.


Nicht nur die Stuckdecke im Herzoglichen Schlafgemach von Schloss Friedenstein in Gotha zeigt eine reiche Blumenzierde.
Foto: Corpus Barocke Deckengemälde, Uwe GaaschGirlanden mit vielfältigen Blumen und Zweigen, verbunden mit Füllhörnern, reich gefüllt mit Früchten und Weintrauben sind die frühesten blumigen Zeugnisse, die wir im Friedenstein an den Stuckdecken im Nordflügel finden. Sie dienten nicht nur als Folie für die allegorischen Themen der Decke, sondern veranschaulichten auch symbolisch den Reichtum des Herzogstums. „Blumenwerck, Früchte und Guirlanden“ rahmten die Szenen der fast 40 Gobelins ein, die in den Haupträumen des Schlosses in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hingen.
Um 1712 kamen dann lunettenförmige Medaillons an der Decke des Schlafgemachs im ehemaligen Erbprinzenappartement, den heutigen Kunstkammer-Räumen im Nordflügel, hinzu. Die Medaillons, die das zentrale Deckenbild flankieren, füllte der italienische Maler Giovanni Francesco Marchini mit üppigen Blumenarrangements aus Astern, Rosen, Wicken und weiteren Sommerblumen in geflochtenen Körben, die von kleinen Putti präsentiert werden. Sehr phantasievoll wurde auch die Natur imitiert: Im Textildepot des Schlosses hat sich ein Paar „vergüldete holtzerne Eicheln“ erhalten, die um 1714/20 als Schmuck an der Bettstatt in eben diesem Schlafzimmer dienten.

Foto: Corpus Barocke Deckengemälde, Uwe Gaasch
Auch in den Räumen des Ostflügels, den ehemaligen Steingemächern, finden sich Blumenarrangements an der Decke des heute so genannten Geografiesaals, eine reiche Ausführung von sechs Lunetten mit Blumenstilleben, die sich hier mit Feldern kunstvoll verschlungener Initialen des Herzogs abwechseln.
Mitte des 17. Jahrhunderts, in der Zeit des übervollen Rokokos, lösten sich die floralen Stuckelemente aus dem Stuck heraus: In der Neufassung der vier Räume der Herzogin Luise Dorothea wächst jetzt der vegetabile Stuck über die Rahmen der Deckenbilder hinweg und überwuchert buchstäblich die Bildränder. Exotische kleine Bäumchen entwickeln sich und kleine geflügelte Drachen beleben die Decke.

Im Kabinett der Herzogin beleben Drachen den Deckenstuck. Ein Restaurator aus dem 20. Jahrhunderts verewigte sich in einem dieser Drachen und ließ ihn ein kleines Schild mit der Aufschrift „1951“ hochhalten.
Foto: Irene HaberlandDoch zurück zu den Blumen und Füllhörnern, die auch im 19. Jahrhundert immer wieder in den Räumen von Schloss Friedenstein ausgeführt wurden. Im Westflügel zog mit der Neugestaltung des Erbprinzenappartements der Klassizismus ein: Zarte, symmetrisch gestaltete Blumenarabesken wurden jetzt auf textile Tapeten gemalt, die sich gegenüber den Raumgestaltungen der vorangegangenen Jahrhunderte durch eine ungemeine Leichtigkeit auszeichnen. Man spiegelte die Natur buchstäblich ins Haus – ein ganzer Raum des Erbprinzen wurde als Laube gestaltet: Vielfältig rankende Zweige der blau-weiß blühenden Passionsblume prägen die Wände. Ursprünglich nur zurückhaltend entlang eines gemalten Gesimses ausgeführt, überdeckten sie später im üppigen Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts die gesamten Wände des Raumes.
Auch die gemalten Tapeten im Fliederzimmer im Westflügel wuchsen weiter zu: Aus den anfänglich zarten gelben und lachsfarbenen gefüllten Rosenbouquets, aus denen zarte Fliederranken emporstiegen, wurden Ende des 19. Jahrhunderts undurchdringliche Rosenbüsche – ein anderer Zeitgeschmack hatte Einzug gehalten, der auf Üppigkeit setzte und mit einem gewissen horror vacui leere Flächen zu füllen trachtete.

Foto: Irene Haberland
Blumenstillleben finden sich ebenfalls im Blauen Zimmer im Westflügel, wo sie als Aquarelle die 14 Bilderleisten bekrönen. Die weibliche Konnotation des Raumes spiegelt sich jetzt in den Arrangements der Stillleben: Frische Blumen bedecken einen Nähtisch oder fallen aus einem modischen blauen Schutenhut heraus, kleine Kästchen, eine Leier oder auch ein einfacher Spankorb dienen als Folie für zahlreiche Sommerblumen. In einem weiteren Raum findet sich ein rundes Regal mit drei Etagen, das um 1797 speziell für die Präsentation von Pflanzen entwickelt wurde – es stand in der Mitte des Raums oder in einer Fensternische und erlaubte eine reiche Präsentation von Zimmerpflanzen.

Im Blauen Zimmer von Schloss Friedenstein schmücken in einem Stillleben Sommerblumen eine Leier.
Foto: Irene HaberlandAuch die Möbel wurden mit Blumenmotiven geschmückt – im Depot von Schloss Friedenstein finden sich zahlreiche Beispiele von zierlich ausgeführten Stickereien, die die Natur ins Zimmer holten: Blumenmuster, Rosensträuße, Girlanden – es gab unendlich viele Motive, die hier als Vorbild dienten und in wundervoller Perfektion ausgeführt wurden.
Irene Haberland