Inspiration für die Gestaltung des Portikus fanden der Bauherr Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen, der auch selbst gerne die Entwurfsfeder schwang, und sein Hofbaumeister Albert Neumeister in England. Das Zweiergespann orientierte sich bei der Gestaltung der kleinen Halle an den Arkaden von Holland House, einem Londoner Herrenhaus, das Georg II. bei einer Englandreise 1888 auch selbst in Augenschein nahm. Dabei sah er ganz genau hin, wie ein herzoglicher Brief an Neumeister belegt. Er ist gespickt mit Tipps zur möglichst originalgetreuen Gestaltung der Beschlagwerkornamente an den Arkadenpfeilern für den Altensteiner Portikus.
1888 bis 1890 ließ Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen ein barockes Sommerschloss auf dem Altenstein in Bad Liebenstein im Stil englischer Herrenhäuser umbauen. Nicht nur beim Portikus, auch bei der Gestaltung der Fenster und Giebel orientierten sich Bauherr und Hofbaumeister an englischen Landsitzen. Die sogenannten „bow windows“, die halbrund durchfensterten Erker, und „dutch gables“, geschweifte Knickgiebel, geben dem Schloss sein charakteristisches Aussehen, das den einen oder anderen auch an englische Krimis erinnern mag. Der umliegende Park war bereits unter dem Großvater von Herzog Georg II. angelegt worden. Schloss und Park stehen in enger Verbindung zueinander. Durch Sichtachsen ist das Schloss mit vielen der über den 160 Hektar großen Landschaftspark verteilten kleinen Parkarchitekturen verbunden.
Historische Postkarte aus den 1940er Jahren, Foto: Archiv der Schloss- und Parkverwaltung AltensteinMit Liebe zum Detail
Wie die Arkaden von Holland House wurde auch der Altensteiner Portikus als Altan gestaltet. Das als Austritt angelegte Dach des Portikus ist vom Festsaal im ersten Obergeschoss aus begehbar und ermöglicht den Ausblick in den umliegenden Park. Auch die kleine Halle des Portikus wurde durch mittig angeordnete Arkaden geöffnet und bietet bis heute Ausblicke auf die südlich liegende Schlossterrasse und den Park in Richtung Teufelsbrücke. Die unverputzten Schlossfassaden waren ehemals üppig begrünt, ebenso wie der Portikus. Das Schloss und der umliegende Park sollten eine Einheit bilden.
In zwei halbrunde Nischen der äußeren Südseite des Portikus sollten möglicherweise Figuren eingestellt werden. Eine frühe Entwurfszeichnung für das Schloss von Neumeister aus dem Jahr 1888 zeigt eine solche Ausschmückung. Mehr ist über die Aufstellung von Figuren in den Nischen jedoch nicht bekannt. Auf der Terrasse neben dem Portikus ließ der kunstversessene Herzog Georg II. – der auch als der Theaterherzog bekannt ist – Bronzeplastiken vom Götterboten Hermes und dem zum Wettstreit mit Apoll bereiten Marsyas aufstellen.
Foto: STSG, Gydha MetznerPfeiler und Teile der Wandflächen des Portikus werden von Beschlagwerkornamenten geziert. Der Boden der Halle war mit zur damaligen Zeit beliebten Ornamentbodenfliesen ausgelegt, die von der Firma Villeroy & Boch hergestellt wurden und ein Sternmuster wiederholten. Zudem war angedacht, die Decke des Portikus zu bemalen, wenn auch solche Malereien heute restauratorisch nicht mehr nachweisbar sind. Da die Decke schon damals undicht und durchfeuchtet war, wurden die Malereien möglicherweise nie ausgeführt.
Foto: STSG, Maria Porske
Instandsetzung
Durch den Portikus gelangten der Herzog und seine Gäste in das Vestibül im Schlossinneren. Das Vestibül, der Eingangsraum im Schloss, wurde ehemals vom Portikus durch eine vierteilige Tür mit Bleiverglasung und Oberlicht getrennt.
Während das Innere von Schloss Altenstein bei einem Brand 1982 fast vollständig zerstört wurde, blieb die äußere Schlossgestalt erhalten. Die Fassaden des Schlosses hat die STSG bereits saniert, die Innensanierung soll im Rahmen des Sonderinvestitionsprogramms I der STSG in den nächsten Jahren abgeschlossen werden. Das Schloss ist deshalb derzeit nicht zugänglich.
Wichtiger Teil der Fassadenrestaurierung war auch der Portikus. Das war mit besonderen statischen Herausforderungen verbunden. Durch Setzungen im Baugrund hatten sich vermutlich schon kurz nach der Errichtung des Portikus Risse und Verschiebungen gebildet. Zudem war das flache begehbare Dach der kleinen Halle undicht, was dem kleinen Baukunstwerk nicht guttat.
Im Rahmen der Instandsetzung wurden die Schäden behoben, damit der Portikus nach der Innensanierung des Schlosses ab 2026 den Besuchern der ehemaligen herzoglichen Sommerresidenz auf dem Altenstein wieder einen würdigen Empfang bieten kann.
Anke Pennekamp