Mit ihrer Ankunft in Europa und den zahlreichen Neuzüchtungen ist die Erfolgsgeschichte der Dahlie direkt an das 19. Jahrhundert geknüpft. Archivalisch nachgewiesen, kaufte im Jahr 1832 der Hofgärtner Carl August Christian Sckell für die Schlossgärten in Dornburg 1 Schock – 60 Stück – Rosenstöcke und Georginien. Rund zehn Jahre später bittet er bei seinen Dienstherren in Weimar erneut um die Anschaffung weiterer Georginen, die er sich auf einer Reise ins reußische Köstritz ausgesucht hatte. Zu Sckells Zeiten werden Dahlien noch unter der Bezeichnung Georginen gehandelt, da sie 1803 zu Ehren des deutschen Naturforschers Johann Gottlieb Georgi ihren Namen erhielten. Erst später sollte sich die Bezeichnung Dahlie – nach dem schwedischen Botaniker Andreas Dahl – durchsetzen. In Thüringen ist die Ankunft und Zuchtgeschichte der Dahlie eng mit der Gärtnerdynastie der Sckells sowie den Städten Bad Köstritz, Weimar und Dornburg verbunden.
Bereits in der Zeit Goethes als „Blüthenburg“ bekannt, rückt Dornburg im 19. Jahrhundert als Rosenstadt auf und wird von Starkomponisten und gekrönten Häuptern für einen Sommerbesuch empfohlen. Auch die Dahlie ist spätestens in den 1830er Jahren in den Schlossgärten zu finden.
Abbildung: STSG, Museum Dornburger SchlösserEine Königin erobert Thüringen
Bis zur Ankunft der Dahlie in Dornburg hatte sie bereits einen langen Weg durch botanische und fürstliche Gärten zurückgelegt. Zwar veröffentlichte der spanische Arzt und Naturforscher Francisco Hernandez de Toledo bereits 1651 nach zwei Mexiko-Reisen Beschreibungen und Abbildungen von Dahlien, aber es sollte noch bis zum Jahr 1790 dauern, bis der erste Sämling in Madrid, die Geburtsstunde der Dahlie in Europa einläutete. Folgend verbreitete sich die „Aztekenblume“ über die Metropolen Paris und Berlin, bis sie schließlich auch in die thüringische Residenzstadt Weimar gelangte. Die „Dahlienmanie“ hatte bereits um sich gegriffen, rief hohe Preise am Markt auf und sorgte für attraktive Farb- und Formvarietäten bei den Neuzüchtungen. In der Sommerresidenz Belvedere bei Weimar war es der Hofgärtner Conrad Sckell, der sich um die Zucht und Verbreitung der Dahlie verdient machte. Er übergab beispielsweise dem jungen Christian Deegen 1812 erste Knollen für eigene Zuchtversuche, die 1826 in der Gründung der ersten gewerblichen Handels-Gärtner mit Georginien in Köstritz mündeten. Übrigens, die älteste deutsche, heute noch kultivierte Dahlienzüchtung („Kaiser Wilhelm“, 1881) stammt noch vom Altmeister Deegen persönlich.
Bereits im Vorjahr entstehen die Planungen für die Wechselflorbeete der Dornburger Schlossgärten für die Folgesaison. Am Teeplatz hob im Sommer 2024 die weiße Balldahlie „Small World“ ihre Blüten aus einem orange-gelben Meer von Tagetes, kombiniert mit einer Einfassung von weißgeränderten Harfensträuchern.
Abbildung: Planung für das Wechselflorbeet am Teeplatz 2024, STSG, Frank BergmannLeitpflanze in den Dornburger Schlossgärten 2024
Im engen Austausch stand Conrad Sckell auch mit seinem Sohn August Sckell, der seit 1823 eine Hofgärtnerstelle in Dornburg innehatte. Da dieser hier bis 1874 folgenreich wirkte, folgt die Gartendenkmalpflege für die Schlossgärten heute maßgeblich seinen Gestaltungsideen.
Und das nicht nur bei Wegen und Gehölzen – So machte das Team der Dornburger Gärtnerinnen und Gärtner die Dahlie in der Saison 2024 zur Leitpflanze in den Wechselflorbeeten: bienenfreundliche Dahlien wuchsen in den Halbmondbeeten im Landschaftsgarten, weiße Balldahlien hatten am Teeplatz ihren großen Auftritt und Schwarzlaubige mit feuerroten Blüten sorgten im Rokokogarten für lange Blühzeiten und interessante Form- und Farbaspekte.
Auch wenn erst der Frost die Regentschaft der „Königin des Herbstes“ beendet, ist durch die getakteten Arbeitszyklen die Sommerbepflanzung in den Schmuckbeeten bereits abgeräumt. Aber auch 2025 wird die Dahlie in Dornburg – so beispielsweise mit der neuen Dahlienzüchtung „Conrad Sckell“ – ihren Auftritt in den Beeten haben und von einer langen Tradition vor Ort erzählen.
Kaktus-, Hirschgeweih-, Halskrausen-, Seerosen- oder Orchideendahlien skizzieren die enorme Formvielfalt der Dahlien. Da sie leicht mutieren, sind solche Zuchterfolge möglich. Balldahlien beeindrucken durch ihren exakten geometrischen Aufbau und werden oft als Beispiel für die Fibonacci-Zahlen in der Natur zitiert.
Foto: STSG, Christian HillLegendär sind die atmosphärischen Nebelbänke, die Goethe bereits 1828 zu einem Gedicht anregte. Noch heute sind vor dem Hintergrund der grauweißen „Wolken“ im herbstlichen Saaletal die Dahlien im Staudenbeet zu entdecken.
Foto: STSG, Fanny RödenbeckOrange-rote Dahlienblüte in den Halbmondbeeten im Landschaftsgarten, die in der Grundanlage auf das 19. Jahrhundert und die Gestaltungsideen des Dornburger Hofgärtners August Sckell zurückgehen.
Foto: STSG, Fanny RödenbeckNur ein Grad unter Null…
…und die Knollen der Dahlien müssen ihr Winterquartier aufsuchen. Diese galten einst bei den Azteken noch als bevorzugtes Nahrungsmittel und Medizin. Erst die Europäer setzten in der Zucht auf die Schönheit und Formenvielfalt der Blüte, anstatt auf Größe und Geschmack der Knollen. Als cocoxochitl angebaut– was übersetzt etwa „Wasserleitungspflanze“ bedeutet – haben Dahlien heute ihren Wert als Nahrungsmittel verloren. Dabei wird in Zentralamerika ein Kaffee aus gerösteten Dahlienknollen genossen, einige Sorten zeichnen sich durch ein mildes Haselnussaroma aus und auch herzhafte Puffer oder Gelee sind kulinarische Möglichkeiten der kaum beachteten Knolle. In der Forschung rückte zudem der positive Einfluss auf den Blutzuckerspiegel durch langkettige Kohlenhydrate (Inulin) in den Fokus. Und es ist eben das in den Knollen gespeicherte Inulin, was die Dahlien nach der Winterruhe wieder austreiben lässt und eine neue Saison der „Königin des Herbstes“ eröffnet.
Christian Hill