Getagt wird im Emporensaal im Hauptgebäude von Schloss Schwarzburg, mittendrin in einem Stück Schlossgeschichte aus den 1940er Jahren. Das Schloss ist Tagungsort, gleichzeitig aber auch einer der Ausgangspunkte für einige Aspekte der Tagung, die eine Bestandsaufnahme zur Geschichte von Schlössern im Nationalsozialismus mit internationaler Perspektive anhand von konkreten Beispielen zum Ziel hat.
Anhand von Beispielen, die eine große Bandbreite des Umgangs mit Burgen und Schlössern repräsentieren, fragt die Tagung nach dem ideologischen und praktischen Zugriff auf Schlösser. Dabei geht es auch um die Rolle einzelner Personen, um bauliche Veränderungen, die Vereinnahmung für die NS-Repräsentation und nicht zuletzt um höfische Kulturdenkmale als Projektionsflächen für die Konstruktion von Geschichtsbildern.
Foto: IBA Thüringen, Thomas MüllerSchlossgeschichte mit Brüchen
Die Geschichte von Schloss Schwarzburg reicht bis ins Hochmittelalter zurück. In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts werden in einer Urkunde die Schwarzburg und ein Sizzo als Graf von Schwarzburg erwähnt. Aus der Stammburg wurde ein Schloss, das auch nach der Verlegung der Residenz nach Rudolstadt große Bedeutung behielt. Rund 800 Jahre nach der Ersterwähnung dankte mit dem Ende der Monarchie in Deutschland 1918 der letzte Schwarzburger Fürst, Günther Victor von Schwarzburg-Rudolstadt, ab. Teile des fürstlichen Vermögens samt Residenzschloss in Rudolstadt gingen an den Fiskus und an die neu gegründete Günther-Stiftung über, an Schloss Schwarzburg erhielt das abgedankte Fürstenpaar Nießbrauchrecht. Das Schloss, das über Jahrhunderte nur Nebenresidenz war, wurde zu ihrem Hauptwohnsitz. Das lebenslange Wohnrecht endete 1940. Günthers Witwe Anna Luise musste das Schloss innerhalb weniger Tage gegen eine finanzielle Entschädigung räumen. Die Nationalsozialisten planten, auf Schloss Schwarzburg den belgischen König zu internieren, wenig später ändern sich die Pläne. Das Schloss sollte zum Reichsgästehaus umgebaut werden. Anna Luise verließ am 13. Juni 1940 Schloss Schwarzburg und ging nach Sondershausen, Schloss Schwarzburg sollte sie nie wieder betreten.
Schloss Schwarzburg war Stammburg der Grafen von Schwarzburg. Später wurde die Burg zur Landesfestung und nach Schlossbränden sowie vor dem Hintergrund der Erhebung der Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt in den Reichsfürstenstand zum repräsentativen Barockschloss ausgebaut. Nach der Abdankung des letzten Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt unterzeichnete Reichspräsident Friedrich Ebert 1919 im gleichnamigen Ort, in Sichtweite zum Schloss, die Weimarer Verfassung. In den 1940er Jahren begann unter den Nationalsozialisten ein Schlossumbau zum Reichsgästehaus, der 1942 abrupt beendet wurde.
Foto: IBA Thüringen, Thomas Müller1940 begannen die Bauarbeiten für den Umbau zum Reichsgästehaus. Die Bauleitung übernahm der Architekt Hermann Giesler. Das Torhaus und ganze Schlossflügel wurden abgerissen, das Hauptgebäude entkernt. Wände und Zwischenwände wurden herausgebrochen. Auch barocke Stuckdecken und wandfeste Innenausstattung mussten weichen. Selbst die Schlosskirche mit dem Erbbegräbnis der Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt wurde abgetragen und die Särge wurden fortgeschafft. Das Zeughaus mit der fürstlichen Schauwaffensammlung wurde beräumt und sollte zur Garage umfunktioniert werden. 1942 mussten die Bauarbeiten dann kriegsbedingt eingestellt werden, nach Notsicherungen blieb die Baustelle verlassen zurück. Die Nationalsozialisten planten, den Umbau fortzusetzen, dazu sollte es aber nie kommen. Das Hauptgebäude blieb knapp 80 Jahre lang eine Bauruine.
Seit 1994 gehört Schloss Schwarzburg zum Bestand der Stiftung Thüringer Schlösser Gärten. Zum Erhalt der Schlossanlage stieg die STSG in umfangreiche Sicherungsarbeiten ein. Zunächst mussten hunderte Meter Stützmauern saniert werden, die die Schlossanlage auf dem Bergsporn halten. 2009 bis 2018 konnte, unterstützt durch bürgerschaftliches Engagement und Fördermittel von Land und Bund, das Zeughaus saniert und wiedereröffnet werden. Seit 2018 präsentiert das Thüringer Landesmuseum Heideckbsurg im Zeughaus wieder die erhaltene fürstliche Schauwaffensammlung am originalen Ausstellungsort. Auch das in den 1940er Jahren für die Baufahrzeuge zuerst abgerissene Torhaus wurde bis 2018 wiedererrichtet. Am Hauptgebäude wird seit 2010 umfangreich gesichert. 2019 konnte ein neuer nördlicher Gebäudeabschluss mit Treppenhaus hergestellt werden. Seit 2021 sind die ersten Bereiche im Hauptgebäude wieder zugänglich.
Schloss Schwarzburg 2002, Foto: STSG, Ralf Kruse und Thomas SeidelDas Schloss als Zeitzeugin
Lässt man den Blick durch den Emporensaal im Hauptgebäude von Schloss Schwarzburg streifen, ist noch deutlich zu erkennen, wo einst Zwischenwände und Decken anschlossen. Wie Striemen ziehen sich die Stellen mit frei liegenden Backsteinen und Schieferplatten über die beiden Geschosse des Saals. Sein heutiges Raumvolumen erlangte der Emporensaal durch die Entkernung in den 1940er Jahren. Acht Schlossräume auf zwei Etagen lagen hier einst. Die namengebende Empore kam beim Teilausbau des Hauptgebäudes im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Thüringen erst vor wenigen Jahren hinzu, gleich einem Ringanker schnürt sie Außenwand und Innenwände heute wieder zusammen. An der Decke des Emporensaals sind noch die Fragmente einer barocken Stuckdecke erhalten, ein paar Meter entfernt sind große Holzträger in die Wände gebrochen. Sie wurden in den 1940er Jahren als Notsicherungen eingebracht. Das Schloss als Zeitzeugin, die die Spuren der Zeit von der Burg bis zum 20. Jahrhundert bewahrt – dieses denkmalpflegerische Konzept steht hinter dem Teilausbau des Hauptgebäudes, das die STSG derzeit auch zum außerschulischen Lernort weiterentwickelt.
Foto: IBA Thüringen, Thomas Müller
Foto: IBA Thüringen, Thomas Müller
Von fürstlichen Glanzzeiten zeugt noch heute der Ahnensaal, der ehemalige Hauptsaal des Schlosses, in der Beletage. Auch in ihm sind die Brüche der Zeit neben der repräsentativen Schlossausstattung eines Grafenhauses, das 1710 in den Fürstenstand aufgestiegen war – mit einer Bandelwerkdecke aus dem frühen 18. Jahrhundert nach französischer Vorlage und den Stuckrahmungen um die früher hier präsentierten großformatigen Ahnenporträts der Schwarzburger – noch deutlich ablesbar.
Heute soll der Denkort der Demokratie, wie der jüngst teilsanierte Bereich des Hauptgebäudes bezeichnet wird, mit seinen Spuren von der Frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert zum Nachdenken über Geschichte, Demokratie und Gesellschaft anregen. Dazu gehört auch die Geschichte der Schlösser im Nationalsozialismus.
Anke Pennekamp
Tagung
Schlösser im Nationalsozialismus
13.-14. September 2024
Schloss Schwarzburg
Internationale Tagung, veranstaltet von der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und dem Deutschen Nationalkomitee von ICOMOS e.V.
Mehr zum Programm und zur Anmeldung finden Sie hier.