Schloss Schwarzburg als außerschulischer Lernort

Ramponiertes Klassenzimmer

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Ein einsames Fragment Barockstuck an der Decke, Kritzeleien an den Wänden, Holzträger aus den 1940er Jahren, die sich in die Wände bohren – wer durch den Emporensaal von Schloss Schwarzburg schlendert, kommt nicht umher sich zu fragen, was ist hier passiert.

Schloss Schwarzburg, dessen Geschichte bis in das 12. Jahrhundert zurückreicht, ist nicht nur als Stammsitz der Grafen von Schwarzburg, eines der ältesten Adelsgeschlechter in Thüringen, von zentraler Bedeutung. Wer vor Ort ist, versteht schnell, dass die Spuren einer bewegten Geschichte wie eine schwere Last auf der Schlossanlage liegen.

Schloss Schwarzburg, Foto: IBA Thüringen, Thomas Müller

Spuren, die sich lesen lassen – sie machen Schloss Schwarzburg zu einem Denkmal, das künftig insbesondere jungen Menschen als kulturhistorische Quelle für forschendes Lernen dienen soll. Dank einer Projektförderung durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und die Thüringer Staatskanzlei kann die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG) derzeit einen außerschulischen Lernort auf Schloss Schwarzburg etablieren. Das Konzept berücksichtigt die gesamte Bau- und Nutzungsgeschichte, legt dabei aber aus mehreren Gründen einen starken Fokus auf das 19. und vor allem das 20. Jahrhundert.

Geschichte mit Brüchen

Das Schloss, die Dynastie der Fürsten von Schwarzburg und der Ort Schwarzburg sind eng mit der Geschichte von Demokratie und Diktatur verbunden. So war das Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt 1816 der zweite Staat im Deutschen Bund, der eine landständische Verfassung nach dem Muster der französischen Charte Constitutionelle von 1814 verabschiedete. 1852 kam es im Rahmen der Burschenschaftsbewegung zur Gründung des Schwarzburgbundes. Der beschreibt sich heute als ein Bund christlicher Verbindungen in der Tradition der Urburschenschaft und fühlt sich deren studentisch-demokratischen Grundforderungen verpflichtet.

Schloss Schwarzburg im Schwarzatal, 2019
Foto: IBA Thüringen, Thomas Müller

Im November 1918 dankte Fürst Günther Victor von Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen als letzter Monarch im Deutschen Kaiserreich ab. Im August 1919 setzten Reichspräsident Friedrich Ebert und weitere Regierungsmitglieder in Sichtweite des Schlosses per Unterschrift die Verfassung der Weimarer Republik in Kraft. Ebert hielt sich zu diesem Zeitpunkt mit seiner Familie in der traditionsreichen Sommerfrische im Schwarzatal auf.

Unter den Nationalsozialisten sollte Schloss Schwarzburg zum Reichsgästehaus umgebaut werden. Das Hauptgebäude wurde hierfür größtenteils entkernt, angrenzende Schlossflügel abgerissen und das Zeughaus beräumt. Für den geplanten Einsatz ausländischer Arbeitskräfte wurde ein Barackenlager unterhalb des Schlossbergs errichtet. 1942 folgte kriegsbedingt die Einstellung der Umbaumaßnahmen am Schloss.

Gerettet, gesichert, genutzt

Während das Schloss in den folgenden Jahrzehnten als Bauruine verfiel, wurde das aus dem 18. Jahrhundert stammende Kaisersaalgebäude im Garten bis 1971 restauriert und als Museum eröffnet. Seit 1995 gehört die Schlossanlage zur Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, umfassende Sicherungen und Sanierungen mussten sich zunächst auf die Stützmauern konzentrieren.

Kaisersaalgebäude und Schloss-Hauptgebäude,
Foto: IBA Thüringen, Thomas Müller
Schauwaffensammlung im fürstlichen Zeughaus von Schloss Schwarzburg,
Foto: Thüringer Landesmuseum Heidecksburg Rudolstadt

Ab 2009 gerieten das Zeughaus und das Hauptgebäude in den Blick. Im Zeughaus zeigt das Thüringer Landesmuseum Heidecksburg Rudolstadt seit 2018 wieder die 1940 ausgelagerte Prunkwaffensammlung. Für das Hauptgebäude ist die originale Ausstattung nahezu vollständig verloren. Hier ging es zunächst um die Sicherung der Substanz.

Zeitspuren zum Greifen nah

Das so belassene Schlossgebäude macht außerschulisches Lernen besonders interessant. Vor dem Hintergrund der gesamten Bau- und Nutzungsgeschichte wird vor allem das 20. Jahrhundert mit seiner Demokratie- und Diktaturerfahrung fokussiert. Das Schloss wird zum steinernen Zeitzeugen, anhand dessen sich die Kulmination von Demokratie- und Diktaturgeschichte, die Selbstüberschätzung und Selbsterhöhung der Nationalsozialisten sowie das Hineinwirken der Diktatur in die Zivilgesellschaft an einem authentischen Ort vermitteln lassen. In die analogen und digitalen Module werden historische Stiche, Baupläne, Dokumente und Fotos eingebunden, die zum eigenen Forschen und Fragen anregen sollen. Die Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure, etwa regionaler Demokratieprojekte, ist deshalb ein weiteres Anliegen des Lernorts.

Die Vermittlungsinhalte des außerschulischen Lernorts Schloss Schwarzburg werden, auch unter Berücksichtigung von inklusivem und barrierefreiem Lernen, primär für Schüler und Schülerinnen der Regelschule, des Gymnasiums und der Volkshochschule und Jugendgruppen erstellt. Die inhaltlichen Angebote fokussieren zunächst die Fächer Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung. Sie sollen nach und nach auf weitere Fächer erweitert werden und lassen sich darüber hinaus auch für die Jugendarbeit nutzen. Bei der Entwicklung der Module kooperiert die Stiftung mit Partnern wie der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora und dem Leibniz-Institut für Bildungsmedien | Georg-Eckert-Institut in Braunschweig.

Anke Költsch


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